Humana und die Entwicklungshilfe

Altkleider für die Welt

Das Unternehmen Humana wirbt damit, Altkleider »für einen guten Zweck« zu verwenden. Kritiker bezweifeln, dass die Geschäfte der Entwicklungshilfe dienen. Den­noch prüft das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung derzeit die Aufnahme des Un­ter­nehmens in das Freiwilligenaustauschprogramm »Weltwärts«.

Etwas Sportliches für den Herrn? Die himmelblaue Trainingsjacke mit dem Aufdruck »Postbank« lässt sich zum Beispiel ganz hervorragend mit einem lässig geschnittenen Sakko in der Komplementärfarbe Ocker kombinieren. Oder vielleicht eher etwas Klassisches für die Dame? Dann führt an der Abteilung »Trends der 50er bis 80er Jahre« kein Weg vorbei: Ausgefallen gemusterte Blusen schmeicheln dem Auge, für Liebhaberinnen des Faltenrocks erfüllen sich Träume in allen Farben von Beige über Taubengrau bis Flieder. Ein komplettes Outfit inklusive Modeschmuck ist für weniger als 40 Euro zu haben – jedenfalls wenn es nicht gleich die Stiefel aus künstlichem Schlan­genleder oder der Pelzmantel für 165 Euro sein sol­len. Die gibt es hier, in der Humana-Kaufhalle in Hamburg-Altona, nämlich auch.

Aber was hat es mit den Plakaten auf sich, die in den Umkleidekabinen für Freiwilligenarbeit in Afrika werben? Unter dem Programmtitel »Weltwärts« bezahlt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) seit dem vergangenen Jahr Freiwilligen im Alter zwischen 18 und 28 Jahren den Einsatz in akkreditierten Entwicklungshilfeprojekten. Voraus­sicht­lich Ende dieses Monats wird das BMZ darüber entscheiden, ob auch Humana in diese Förderung mit aufgenommen wird.
Der Berliner Entwicklungspolitische Ratschlag (BER), ein Dachverband von Entwicklungshilfeorganisationen, forderte bereits die Bundesregierung auf, die Zusammenarbeit kritisch zu prüfen. Der BER lehnte seinerseits einen Aufnahmeantrag der Humana Kleidung für Entwicklung gGmbH im Jahr 2005 ab. Auch die Berliner Senats­verwaltung für Bildung rät von jeder Zusammenarbeit mit Humana ab. Denn ob die Organisation, die schon seit langem ein internationales Freiwilligenprogramm betreibt, tatsächlich in erster Linie Entwicklungshilfe im Sinne hat, wird von manchen bezweifelt.
Außer Zweifel steht zunächst, dass die Geschäfte mit getragener Kleidung – »First-Class-Second-Hand«, wie Humana sie anpreist – florieren. Das Unternehmen unterhält in ganz Europa Filialen, allein zwölf davon in Berlin, die letzte hat kürzlich am Alexanderplatz eröffnet. Der Verkauf getragener Kleidung ist trotz der relativ niedrigen Prei­se ein lukratives Geschäft. Denn die Ware kostet im Einkauf nichts: Es handelt sich ausschließlich um Altkleiderspenden, die eine eigenständige GmbH in Spendencontainern sammelt.
Die Humana Kleidersammlung GmbH, die eben­so wie die Second-Hand-Märkte eine Erdkugel im Logo führt und ihre Tätigkeit als »Altkleider-Entsorgung für einen guten Zweck« bezeichnet, lässt ihre Container unentgeltlich auf Privatgrund­stücken aufstellen. Im Internet wirbt Humana zusätzlich um »Containerpaten«, die die Behälter ehrenamtlich vor Graffiti und Plakatierung schützen.
Die Altkleider, die Humana sammelt, werden zen­tral in Berlin sortiert, anschließend bleiben aber nur die besten Stücke für den Verkauf im Lande. Was übrig bleibt, die Second-Class-Second-Hand-Ware sozusagen, verschifft Humana nach Mozam­bique, Angola und in andere afrikanische Länder. Das Unternehmen wirbt damit, dass die gebrauchte Kleidung dort über »Tausende von Kleinunternehmerinnen« vertrieben werde, die auf diese Weise die »Grundlagen der Betriebswirtschaft« erlernen könnten. Die erste Lektion in Betriebswirtschaftslehre lautet aber natürlich: Es gibt nichts geschenkt. Der deutsche Großhänd­ler verkauft die Textilpakete, die er zu Hause geschenkt bekommen hat, im Ausland zu Marktpreisen.

Durch den Import abgewetzter Armani-Jeans, verwaschener Homer-Simpson-T-Shirts oder getragener Trikots des TuS Koblenz mag in afrikanischen Ländern tatsächlich »Arbeit für Marktfrauen und Änderungsschneider« entstehen, wie Humana in seiner Reklame schreibt. Für die Entwicklung der örtlichen Textilproduktion ist die Dumping-Konkurrenz aus dem Norden aber alles andere als hilfreich. »Als der Import von gebrauchter Kleidung vor etwa zehn Jahren im gro­ßen Stil anlief, hatte das verheerende Auswirkungen auf die afrikanische Textilindustrie, zahl­reiche Fabriken haben seither geschlossen«, sagt Neil Kearney von der internationalen Textilarbeitergewerkschaft ITGLWF.
Die Vorsitzende von Humana People to People Deutschland e.V., Julia Breidenstein, verweist hingegen darauf, dass ein Teil der Profite aus dem Altkleider-Geschäft direkt in Schulen und soziale Projekte investiert werde, welche Humana ebenfalls betreibt. Bloße humanitäre Kosmetik, entgegnet Kearney: »Am Ende ist das keinerlei Kompensation für die dauerhafte Zerstörung wirtschaftlicher Strukturen. Nur die allerwenigsten entlassenen Fabrikarbeiter finden anschließend einen Job als Altkleiderverkäufer. Mit Entwicklungs­hilfe hat dieses Geschäft unterm Strich nichts zu tun.«
Nachvollziehen lassen sich die Finanzströme zwi­schen Altkleiderfirmen und den angeblich sozialen Projekten von Humana ohnehin nur schwer­lich. Die Kleidersammlerorganisation scheint durch ihr kompliziertes Geflecht aus einzelnen Fir­men geradezu auf Undurchschaubarkeit angelegt: Die Humana Kleidersammlung GmbH verkauft die von ihr gesammelten Spenden nach eigenen Angaben an die Humana Second-Hand-Kleidung GmbH, welche die Ware in Afrika an die – juristisch wiederum eigenständige – Altklei­derfirma mit dem Namen »People to People« weiterverkauft. Alle Beteiligten bezeichnen sich als einer »weltweiten Humana-Bewegung« zugehörig – und auf praktisch allen Stufen kommen junge Freiwillige der Entwicklungshilfeorganisation Humana People to People e.V. zum Einsatz.

Berührungen mit dem Altkleidergeschäft bleiben für die Freiwilligen auch dann nicht aus, wenn ihr »Afrika-Dienst« bei Humana etwa in einem Aids-Projekt oder in einer Schule geleistet werden soll. Die Freiwilligen durchlaufen in Berlin ein sechsmonatiges Vorbereitungsprogramm, das sie 400 Euro »Anmeldegebühr« kostet. Integraler Bestandteil des »Vorbereitungsprogramms« ist ein Job von 30 Stunden pro Woche in den Second-Hand-Märkten oder der Kleidersammlung von Hu­mana, wie Julia Breidenstein erklärt. So würden die Freiwilligen »wertvolle Erfahrungen« sammeln und einen Lohn erhalten, der die Kosten ihrer Vorbereitung decke.
Was genau unter jenen »Kosten der Vorbereitung« zu verstehen ist, erfuhr eine Berliner Studentin, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte, auf einer Informationsver­anstaltung von Humana in Berlin. Bei dem Treffen, das auf dem Firmengelände der Humana Kleidersammlung GmbH in Rudow stattfand, sei erklärt worden, erzählt die Studentin, dass die Freiwilligen für ihre sechsmonatige Vorbereitungszeit in eine Gemeinschaftswohnung nach Köpenick ziehen müssten. Mit ihren 30-Stunden-Jobs müssten sie während dieser Zeit die Miete und die Verpflegung finanzieren. Außerdem hätten die Verantwortlichen von Humana erklärt, dass während der sechs Monate keine Treffen mit der eigenen Familie erlaubt seien, mit Ausnahme eines einzigen Wochenendes.
Zumindest dem letzten Punkt widerspricht Julia Breidenstein: »Es gibt im Schnitt ein freies Wochenende pro Monat, und außerdem auch in jeder Woche zu bestimmten Zeiten die Möglichkeit, Zeit frei einzuteilen – nicht nur, um die eigene Familie zu treffen.« Daneben betont sie, dass dies alles nichts mit der von Humana gewünschten Aufnahme in das Programm »Weltwärts« zu tun habe. Denn die 30-Stunden-Jobs hätten die Freiwilligen dann ja gerade nicht mehr nötig, »sondern sie würden vom Weltwärts-Programm bezahlt werden«.
Ob das BMZ das für eine gute Idee hält, wird sich bald zeigen. Bis dahin bezahlt erst einmal wei­terhin Humana die Freiwilligen des »Afrika­-Diens­tes« dafür, die Altkleider in First- bzw. Second-Class-Second-Hand zu sortieren. Und damit auch dafür zu sorgen, dass kostbare Stücke wie das ausgeleierte T-Shirt mit der Aufschrift »Über vier­zig … und immer noch Sex!« nach Altona kommen und nicht nach Mozambique.