Siemens und die Geschäfte mit dem Iran

Siemens sensibel

Der Konzern hat seine Geschäfte mit dem Iran auf Druck der eigenen Aktionäre ­offen gelegt. Von Sanktionen kann keine Rede sein.

»Für Siemens ist das Iran-Geschäft nur ein kleiner Bruchteil, für den Iran dagegen stellt es einen bedeutenden Anteil der Importe dar«, sagt eine Aktionärin und erntet wohlwollenden Beifall auf der Hauptversammlung von Siemens im Münchener Olympiastadion am 27. Januar. Der Konzern solle seine Geschäfte mit iranischen Firmen nicht länger verschleiern und nicht länger ein Regime stützen, das nach Atomwaffen strebe und Israel mit der Vernichtung drohe.

Weder im Geschäftsbericht 2008 noch auf Nachfrage von Journalisten hat der Konzern bisher genaue Zahlen und die Partnerfirmen seiner jüngsten Geschäfte mit dem Iran genannt. Doch Generaldebatten auf Aktionärsversammlungen haben ihre eigenen Regeln und Aktionäre ein Recht auf Antworten: Begleitet von artigen Ausführungen – »Wir sind uns der Sensibilität des Themas bewusst und überwachen kritisch alle unsere Aktivitäten im Iran« – beziffert der Vorstandsvorsitzende Peter Löscher den Jahresumsatz 2008 aus Geschäften mit iranischen Firmen auf 438 Millionen Euro. Damit hat Siemens nach wie vor einen beachtlichen Anteil am gesamten deutschen Export in das Land, der sich 2008 auf knapp 3,6 Milliarden Euro belief.
Ein anderer Aktionär spricht die umfangreichen Menschenrechtsverletzungen im Iran an. Der Vorstand antwortet so souverän wie inhaltsleer: »Spitzenleistung und Ethik, das ist für uns kein Widerspruch.« Auf Nachfrage nennt der Vorstand als wichtigsten Handelspartner die im Kraftwerksbau und Bahnverkehr aktive Mapna-Gruppe, die Öl- und Gasgesellschaft OTC sowie die ebenfalls im Energiesektor tätige Mah Taab.
Erstmals musste sich Löscher offiziell dazu äußern, ob der Konzern Überwachungstechnologie an iranische Geheimdienste geliefert habe. Er erklärt, verantwortlich für das Geschäft mit Telekom­munikationstechnologien sei das eigenständige Joint-Venture Nokia Siemens Network. Entwickelt wurde die »Intelligence Platform« allerdings noch im Hause Siemens. Zu den Kunden zählen Geheim­dienste in 60 Ländern. Kern der Überwachungstechnologie ist eine Software, die unter anderem alle technisch verfügbaren Daten wie Telefon- und Internetverbindungen, Versicherungsdaten, Konto­bewegungen etc. ­erfasst und auswertet. Das iranische Regime ist damit zum Beispiel in der Lage, um­fassende Profile von Oppositionellen zu erstellen.

Siemens ist kein Einzelfall, einer der größten westlichen Handelspartner des Iran heißt nach wie vor Deutschland. Erst Ende Januar besiegelte der niedersächsische Maschinenfabrikant Aer­zen ein Abkommen über 21 Millionen mit einem Stahlwerk in Isfahan. Schätzungen zufolge sind zwei Drittel der iranischen Industrie, vor allem der Hightech- und Energiesektor, von Zulieferungen aus der Bundesrepublik abhängig.
Dass Wirtschaftssanktionen das Regime angreifbar machen könnten, zeigte sich beispielhaft im Sommer 2007. Auf Rationierungen von Benzin reagierte die iranische Bevölkerung mit regimekritischen Protesten. Zu wirkungsvollen Sanktionen fehlt in Deutschland aber offenbar der politische Wille. Der derzeit diskutierte Stopp der Hermes-Bürgschaften wäre, sollte sich die Bundesregierung tatsächlich dazu durchringen, kaum mehr als ein symbolischer Akt: Der Bund bürgt ohnehin nur noch in Einzelfällen für mögliche Zahlungsausfälle bei Geschäften mit dem Iran, was die deutsche Wirtschaft aber nicht am Abschluss neuer Verträge hindert.
Als ein vierter Redner das Thema Iran anspricht, platzt Löscher doch noch der Kragen. »Das hier ist kein politisches Forum!« herrscht er den besorgten Kleinaktionär an.
Michael Spaney, Sprecher der Kampagne »Stop the Bomb«, die eine konsequente Sanktionspolitik gegenüber dem Iran fordert, ist zufrieden mit dem Ergebnis der Aussprache: »Jetzt ist offenkundig, dass Siemens etwa ein Zehntel des gesamten deutsch-iranischen Handelsvolumens bestreitet und damit eine große Stütze dieses antisemitischen und terroristischen Regimes ist. Auf Dauer wird die deutsche Presse und die Politik diesen Skandal nicht ignorieren können.«