Der Märchenkönig von Afrika

»Afrikanische Union: Hilfe, Gaddafi kommt!« übertitelte das französischsprachige panafrikanische Wochenmagazin Jeune Afrique seine neueste Ausgabe. Vom »Märchenkönig« ist ­darin die Rede. Anlass ist die Wahl des langjährigen libyschen Staats- und »Revolutionsführers«  – als solcher kam er vor beinahe 40 Jahren durch ­einen Putsch junger Offiziere an die Macht – zum neuen Präsidenten der Afrikanischen Union.
Der monarchische Pseudotitel ist dabei gar nicht so weit her­geholt. Schließlich hatte Libyen beim jüngsten Gipfel der Afrikanischen Union (AU), der Anfang vergangener Woche in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba stattfand, gegenüber den Behörden des Landes auf einem Protokoll bestanden, in dem Gaddafi wie folgt tituliert wurde: »Muammar al-Gaddafi, Leiter der libyschen Volksjamahiriya, König der traditionellen Könige Afrikas«.
Um den faulen royalistischen Zauber zu unterstreichen, brachte Gaddafi, der sein Beduinenzelt im Hof des Hotels Sheraton von Addis Abeba aufpflanzte, in seinem Gefolge gleich noch 39 gekrönte Häupter aus dem ganzen afrikanischen Kontinent mit. Es handelte sich um traditionelle Stammesoberhäupter oder Abkömmlinge früherer Feudalherren, die zwar im realen politischen Leben ihrer Länder keinerlei Einfluss haben und im Alltag bürgerlichen Berufen, etwa als Doktor der Ökonomie, nachgehen, aber noch immer pompöse Titel tragen. Sieben von ihnen hatte Gaddafi ausgewählt, um ihn in die Plenarsitzung der AU zu begleiten. »Wenn einer von diesen Schwindlern aus Uganda stammt, lasse ich ihn bei seiner Rückkehr sofort ins Gefängnis werfen«, kommentierte der ugandische Präsident Yoweri Museweni respektlos.
Die Kaspereien des als Exzentriker geltenden Libyers müssen die afrikanischen Staats- und Regierungschefs nun für zwölf Monate ertragen. Das haben sie sich eingebrockt.