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Unter dem Teppich liegt der Strand. Das haben wir gelernt, als wir nun endlich unseren rotten roten Teppich aus den Redaktionsräumen entsorgten. Mehrmals mussten wir kehren, staubsaugen und wischen, bevor die ärgste Schweinerei beseitigt war. Offenbar hatte sich ein dünner Schaumgummibelag an der Unterseite des Teppichs in all den Jahren zu feinem Staub verwandelt. Noch einmal 300 Millionen Jahre, dann wäre dort vermutlich eine Kohleschicht entstanden, vermutet ein Kollege. Ein anderer meint, es habe sich nie um Schaumgummi gehandelt, sondern sei einst eine Klebstoffschicht gewesen. Vielleicht wurden auch einfach zu viele Dinge unter den Teppich gekehrt, sagen manche. Das ist zwar unwahrscheinlich, denn das offene Wort scheuen wir nor­malerweise nicht, aber bemerkenswert war das hohe Sandstaubaufkommen schon. Sogar Atemmasken wurden verteilt, und so sah es dort, wo normalerweise eine Zeitung produziert wird, zeitweise aus wie in Tschernobyl nach dem Gau.
Jedenfalls hat der Teppich nun einen Abflug gemacht, und als auch die Staubschicht abgebaggert und weggespachtelt war, offenbarte sich endlich der PVC-Belag, den wir nun zunächst einmal als Untergrund testen, bevor wir überlegen, ob ein neuer Teppich drüber muss. Also, so richtig schön ist es nicht. Das muss man sagen. Weil offenbar der rote PVC ausgegangen war, hatte sich ein grobschlächtiger Flickschuster seinerzeit mit blauen und khakifarbenen Teilen ausgeholfen. Doch im Inlandsressort freut man sich, dass es jetzt so schön bunt ist, das könne im tristen Berliner Februar durchaus die Stimmung ­heben. Ein bisschen Zynismus mag bei dieser Aus­sage jedoch mitgeschwungen haben. »Bockhäßlich«, was immer das zu bedeuten hat, kommentierte jemand raunend die neue Aussicht, und: »Man schämt sich, auf den Boden zu schauen.« Das ist natürlich gerade beim Schämen verdammt unpraktisch.
Andererseits haben sich die Befürchtungen hinsichtlich des Geräuschpegels (»Ohne Teppich wird das hier laut wie beim Heimspiel auf Schalke«) definitiv nicht bestätigt. (Und nicht deshalb, weil es bei Schalke gerade eher mau ist.) Auch die Bürostühle rollen jetzt besser. Ein Kollege ist übrigens der Meinung, es handele sich gar nicht um PVC, sondern um Linoleum, was zu ein wenig Verwirrung führte und eine allgemeine Bildungslücke der Jungle-World-Redaktion offenbarte. Erste Recherchen widersprechen jedoch dieser abenteuerlichen Theorie.