Melody Sucharewicz im Interview über ihre Rolle als »Sonderbotschafterin« Israels und das Image ihres Landes in der Welt

Melody Sucharewicz: »Ich würde sofort eine Middle East Peace Party veranstalten«

Vor zwei Jahren wurde Melody Sucharewicz in der zweiten Staffel der israelischen Reality-TV-Show »The Ambassador« unter Tausenden von Bewerbern zur »Sonderbotschafterin« Israels gewählt. Seitdem ist sie weltweit auf Promo-Tour für das Image Israels. In Israel ist die 28jährige ein Popstar, in Deutschland wurde sie ­unlängst einem größeren Publikum bekannt, als sie in der ARD-Talkshow »3 nach 9« den Statements von Peter Scholl-Latour widersprach. Die in München ­geborene Sucharewicz ging nach dem Abitur nach Tel Aviv, wo sie Anthropologie, Sozio­logie und Management studierte.

Was hat Sie motiviert, sich für den Posten als »Sonderbotschafterin« Israels zu bewerben?

Ich habe mich gar nicht beworben. Die Produk­tionsfirma von »The Ambassador« hat mich ein­geladen, an einem Vorbereitungsseminar mit dem Außenministerium teilzunehmen. Dort habe ich zum einen tolle Leute unter den Kandidaten kennen gelernt und zum anderen an einem sechs Monate dauernden Auswahlprogramm teilgenommen, das großartig war, von dem Aufenthalt in Uganda und Schweden über die Rede vor der Uno in New York bis zur Filmproduktion im Team.

Was unternehmen Sie, um für Israel zu werben?

Ich gebe Interviews, halte Vorträge, nehme an Panels teil, moderiere Veranstaltungen und halte Seminare. Aber »für Israel werben« ist eigentlich nicht die richtige Bezeichnung für mein Engagement. Eher informiere ich über Israel. Denn Information ist heute eine paradoxe Ressource. Einerseits hat mittlerweile fast jeder uneingeschränkt die Möglichkeit, jede Art von Information zu beziehen. Andererseits berichten viele Mainstream-Medien tendenziös über Israel. Im Ergebnis haben die meisten Menschen heute ein Bild, das nicht viel mit der Realität zu tun hat. Israel hat so viel Kultur, Geschichte, Bio­grafien, Technologie, Wissenschaft zu bieten, man muss das Land nicht auf Kriege und Kon­flikte reduzieren. Und die Kriege werden uns aufgezwungen.

Wie werden Sie in den Ländern, die Sie bereisen, aufgenommen?

Überraschend positiv, vor allem in Deutschland und vor allem, wenn sich die Menschen, denen ich begegne, aufklären lassen. Viele Jugendliche haben die diffuse Vorstellung, dass Israel die Palästinenser in Flüchtlingslagern gefangen hält. Sie sind überrascht, wenn ich ihnen erzähle, dass sich diese Flüchtlingslager in Libanon, Jordanien, Ägypten und Syrien befinden und dass die arabischen Regierungen seit 60 Jahren die Öffnung der Lager verhindern.

Könnte das Casting auch eine Art Zukunftsmodell für die Wahl politischer Vertreter sein? Anders gefragt: Sollte man lieber mehr Reali­ty-Shows statt langweiliger Parteitage veranstalten?

Wenn in einer solchen Show politische Talente entdeckt werden – warum nicht?

Einer neuen Umfrage der BBC zufolge haben nur neun Prozent der Deutschen ein positives Bild von Israel. Das ist der niedrigste Wert in der EU. Woher kommt diese starke Ablehnung Israels in Deutschland, trotz der offiziellen Solidaritätsbekundungen?

So konstruktiv die Haltung der deutschen Regierung gegenüber Israel ist, so polarisierend und destruktiv sind oft die Berichte der Medien. Israel wird meistens als Aggressor dargestellt, Hintergründe werden nur selten erläutert. Zu oft lese ich in den deutschen Medien von »israelischen Militärangriffen auf die Palästinenser«, was die Realität völlig verfälscht. Es handelt sich vielmehr um Reaktionen des Militärs auf den pausenlosen Beschuss der israelischen Zivilbevölkerung im Süden durch die Raketen der Hamas. Die israelische Armee kämpft gegen die Kräfte im Nahen Osten, die Israel von der Landkarte löschen und die Juden ins Meer treiben möchten. Ob Hamas, Hisbollah oder Ahmadinejad, das sind keine Horrorstorys, keine monströsen Visionen. Diese Ziele werden in Chartas, offiziellen Reden und der täglichen Hetzerei auf al-Jazeera verbreitet. Warum die Medien so manipulieren, kann ich nur vermuten. Das Ergebnis ist jedenfalls destruktiv, für alle Beteiligten, auch in Deutschland.
Doch je mehr Terroranschläge Europa erschüttern, je mehr Terrorzellen in Deutschland aufgedeckt werden, je mehr »Ehrenmorde« die deutschen Medien füllen, desto eher verstehen die Menschen in Deutschland, dass Israel schon seit vielen Jahren als Schutzschild Europas gegen Terror und radikalen Islam kämpft. Dass dabei unschuldige Menschen sterben, ist eine Tragödie. Leider eine unvermeidbare, solange Terrororganisationen wie die Hamas Kinder und Frau­en als Schutzschilde missbrauchen. Israel konnte und durfte die ständige Bedrohung seiner Zivilbevölkerung durch Terroranschläge und Raketenangriffe in den vergangenen acht Jahren nicht mehr hinnehmen.

Viele Kommentatoren sind der Ansicht, bei den israelischen Wahlen habe es einen »Rechtsruck« gegeben. Trifft das zu?

In Israel geht es nicht so sehr um rechts oder links, sondern um Sicherheit oder Risiko. Da hat jede Regierung nur einen begrenzten Handlungsspielraum. Manche wollen auf jeden Raketenbeschuss, den die Hamas unternimmt, direkt reagieren, andere wollen lieber abwarten. Am Ende aber wird jede Regierung den täglichen Raketenterror beenden. Ähnliches gilt für die nukleare Bedrohung durch das iranische Mullah-Regime und seinen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad. Mich würde interessieren, wie die Linkspartei reagieren würde, wenn in Dänemark eine radikal-islamische Mörderbande die Macht ergreift und Flensburg täglich mit Raketen beschießt.

In Europa glauben nicht wenige, dass der Wahlausgang die Chancen auf einen Frieden mit den Palästinensern deutlich verschlechtert hat. Was halten Sie von dieser Einschätzung? Erschwert sie Ihre Arbeit als Botschafterin?

Der Wahlausgang bedeutet natürlich kein Ende des Friedensprozesses. Auch diese Kassandrarufe sind manipulativ und falsch. Die Mehrheit der Israelis wollte und will die Zweistaatenlösung, und zwar seit 60 Jahren. Der Frieden mit Ägypten wurde unter einer rechten Likud-Regierung geschlossen. In Deutschland muss man endlich wegkommen von den Klischees. Und meine Arbeit als Botschafterin war auch bisher nicht ganz einfach.

Wie würden Sie sich als Diplomatin verhalten, wenn es irgendwann tatsächlich zu einer Zweistaatenlösung kommen sollte?

Ich würde sofort eine Middle East Peace Party veranstalten, einen Jugendkongress, der israelischen und palästinensischen Führungskräften in Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Kultur ein reguläres Forum für Networking und Austausch bietet. Mit viel alkoholfreiem Champagner. Ist vielleicht nicht diplomatisch, aber angebracht.

Ist für Sie eine Situation denkbar, in der Sie, sei es aus innenpolitischen Gründen, sei es wegen der anti-israelischen Stimmung in den Ländern, die Sie bereisen, keine Lust mehr hätten, Botschafterin Israels zu sein?

Einfache Frage, einfache Antwort: Nein, weder aus außenpolitischen noch aus innenpolitischen Gründen. Aber apropos Innenpolitik: Ich bin optimistisch, weil ich die israelische Gesellschaft kenne. Sie ist wachsam, kritisch und kreativ. Außerdem habe ich den hartnäckigen Wunsch, mein Kindheitsparadies Israel in Frieden zu ­erleben.