Serie über Serien: »Frasier«

Gutes tun

Serie über Serien. Andreas Michalke machte die Nächte mit »Frasier« durch

Wenn ich sage, dass »Frasier« meine Lieblingsserie ist, ernte ich immer die gleichen Reaktionen: »Kenne ich nicht« oder »Das lief doch immer so spät«. Leider strahlte Sat 1 »Frasier« erst nach Mitternacht aus, und auch ich kämpfte oft mit dem Schlaf, um eine neue Folge sehen zu können. Völlig zu Unrecht ist »Frasier« in Deutschland deshalb zu einer Kult-Serie geworden, die nur Eingeweihte gesehen haben. Dabei gehört sie zu den erfolgreichsten US-amerikanischen Sitcoms und ist eine der meistausgezeichneten Fernsehserien. Von 1993 bis 2004 wurden in elf Staffeln insgesamt 264 Episoden produziert.
»Frasier« unterscheidet sich angenehmerweise von den vielen anderen Sitcoms, die zumeist eine bürgerliche Familie im Fokus haben. Der Hauptdarsteller in diesem Fall heißt Dr. Frasier Crane, ist Psychiater und Moderator einer psychologischen Call-In-Sendung im Radio. Seine Familie und seine Arbeit bilden zwar auch hier den Kontext, in dem die Konflikte entstehen. Im Mittelpunkt steht allerdings der neurotische und snobistische Frasier selbst. Dabei ist Frasier sogar im doppelten Sinn abseitig: Die Serie selbst ist ein Spin-Off der Serie »Cheers«. Um eine skurrile Nebenfigur einer Kneipen-Serie herum eine neue Serie zu schaffen, ist allerdings ein genialer Einfall. Folgerichtig sind die Figuren und Schauplätze ebenfalls skurril – also Frasiers völlig neurotischer Bruder Niles, seine kratzbürstige Ex-Frau Lilith, der Treffpunkt »Café Nervosa« und natürlich Frasiers noble Penthouse-Wohnung.
Zudem wird die Serie linear erzählt und greift in einer unendlichen Vielfalt auf vergangene Handlungsstränge zurück. Das wiederum ist das Material, aus dem Kult-Serien gemacht sind.
Die größten Konflikte, und damit auch der größte Spaß, entstehen aber, wenn Frasier auf seine bodenständigen Mitmenschen trifft. Der snobistische Psychiater war schon in »Cheers« ein Kontrapunkt zu den schlichten Kneipenbesuchern Woody, Cliff und Norm. Für den Radio-Psychiater Frasier sind seine Aufnahmeleiterin Roz, sein Vater Martin und dessen Physiotherapeutin Daphne eine Quelle immer neuen Ärgers. Eine so herrlich aufgeblasene, selbstverliebte und hochgestochene Hauptfigur wie Frasier hat es so noch in keiner Serie gegeben. Natürlich muss so jemand an seiner Umwelt scheitern, denn nicht zuletzt ist dies eine US-amerikanische Serie voll doppelbödiger Ironie. Etwas, das nun mal einfach nicht gelingen kann, ist zum Beispiel das Zusammenleben mit seinem alten Vater. Als Sammler afrikanischer Kunst, Gourmet, Wein-, Opern- und Designliebhaber ist für Frasier der schäbige Fernsehsessel seines Dads ein beständiger Dorn im Auge. Vater Martin, ein pensionierter, wegen einer Schussverletzung gehbehinderter Polizeibeamter, trinkt Dosenbier und sieht sich gemeinsam mit seinem Hund Eddie am liebsten Sportübertragungen an. Diesem einfachen, aber gutherzigen Mann ist das kultivierte Milieu seiner Söhne natürlich fremd, und mit Krankengymnastin Daphne macht er sich über Frasier und Niles lustig.
Frasier ist jemand, dessen Sehnsucht nach dem Schönen und Edlen immer wieder an der Wirklichkeit, also an den sehr wirklichen Menschen, scheitert. Und natürlich an der eigenen Selbstüberschätzung. Im Ganzen ist der Grundton der Serie jedoch nie zynisch oder bitter. Obwohl Frasier immer wieder bei dem Versuch scheitert, ein guter Mensch zu sein, ist er dennoch die geliebte Titelfigur der Serie. Am Ende jeder Episode ist Frasiers Ego angeschlagen, und die Scherben irgendeines Missgeschicks werden weggekehrt, aber es endet doch versöhnlich. Die Serie macht deutlich, dass es eigentlich ein Widerspruch ist, in dieser Welt Gutes tun und etwas auf die Reihe kriegen zu wollen, vor allem wenn das bedeutet, mit seinem Holzfällerhemden tragenden Vater ein schickes Loft teilen zu müssen. Dennoch wird das Gute, das Richtige nicht aus den Augen gelassen. Das wäre natürlich alles total langweilig, wenn nicht aus diesem Scheitern die außerordentliche Lustigkeit der Serie entstehen würde. Beim nochmaligen Durchgucken von »Frasier« habe ich mich jedenfalls scheckig gelacht.