Die künftige Israel-Politik der USA

Israel als Teil des Ganzen

Die künftige israelische Regierung muss auch international als ernstzunehmender Verhandlungspartner im Friedensprozess akzeptiert werden, vor allem von den USA. Deren Israel-Politik wird jedoch weniger vom Ausgang der israelischen Wahl als von Obamas neuer Gesamtstrategie für den Mittleren Osten geprägt.

Bereits während des US-amerikanischen Wahlkampfs wurden Zweifel an Barack Obamas Haltung zu Israel laut. Er habe sich von Zbigniew Brzezinski beraten lassen, der für seine distanzierte Haltung gegenüber Israel bekannt ist, wurde von israel-solidarischer Seite beispielsweise argwöhnisch bemerkt. Obama konnte tun, was er wollte, die Skepsis blieb. Es spielte auch keine Rolle, dass er sich im Senat deutlich für die Unterstützung Israels ausgesprochen und die Gesetzesinitiative zum Divestment gegen den Iran mitinitiiert hatte. Seine Rede vor dem American Israel Public Affairs Committee (AIPAC), der amerikanischen Pro-Israel-Lobby, wurde ihm als opportunistisch ausgelegt.
Dabei hatte er dort keinerlei Unklarheiten aufkommen lassen. Die Allianz zwischen Amerika und Israel sei auf gemeinsamen Interessen und Werten begründet, hatte Obama erklärt. Aufgrund der äußeren Bedrohungen müsse Israel sich verteidigen können und er als Präsident werde durch finanzielle und militärische Hilfe dafür Sorge tragen. Zum Iran merkte er an, dass er die militärische Option niemals vom Tisch nehmen werde. Den Irak-Krieg habe er keineswegs deshalb abgelehnt, weil ein diktatorisches Regime beseitigt wurde, sondern weil er eine Ablenkung vom war on terror gewesen sei. Das Hauptaugenmerk sei dadurch von Afghanistan auf ein Land gelenkt worden, das nichts mit den Anschlägen am 11. September 2001 zu tun hatte.

Dies ist ebenso richtig wie der Hinweis darauf, dass die Stärkung des iranischen Regimes und die Forcierung seines Atomprogramms unbe­absichtigte Konsequenzen aus dem Irak-Krieg sind. Die Außenpolitik der Bush-Regierung hat eben nicht zu einer Demokratisierung und Liberalisierung des Mittleren Ostens geführt. Vor diesem Hintergrund wäre ein stures Festhalten an der bisherigen Politik nicht nur naiv, sondern gefährlich. Bereits in den letzten Jahren unter Präsident Bush hatte sich eine Abkehr von der neokonservativen Politik vollzogen.
Obama einen Bruch mit der pro-israelischen Politik zu unterstellen, geht an der Realität vorbei. Nicht nur die Ernennung Hillary Clintons zur Außenministerin verspricht in dieser Hinsicht Kontinuität, sondern vor allem auch die Ernennung Rahm Emanuels zum Stabschef des Weißen Hauses. Als Mitglied des Repräsentantenhauses kritisierte dieser die Haltung Bushs als nicht pro-israelisch genug und verteidigte unter anderem auch die gezielte Tötung von palästinen­sischen Terroristen.
Die amerikanische Politik gegenüber Israel wird sich unter Obamas Regierung vermutlich nicht bedeutend ändern, obgleich die Gesamtstrategie im Mittleren Osten stark modifiziert wird. Dies zeigt die geplante Truppenverlagerung von bis zu 30 000 Soldaten aus dem Irak nach Afghanistan. Die geopolitische Relevanz dieser Regionen hat Obama durch die Ernennung der Sonderbotschafter George Mitchell und Richard Holbrooke unterstrichen. Zusätzlich soll der erfahrene Diplomat Dennis Ross als Sondergesandter für den Iran zuständig sein. Er war an den Oslo-Verhandlungen beteiligt und machte eindeutig Yassir Ara­fat für das Scheitern verantwortlich. Nicht zuletzt deshalb wurde er vom iranischen Präsidenten Khamenei als »zionistischer Lobbyist« bezeichnet. Unabhängig davon, wie sich die neue israelische Regierung zusammensetzen wird, werden sich deren kurzfristigen wie langfristigen strategischen Interessen in den meisten Punkten mit den US-amerikanischen überschneiden.

Der ehemalige amerikanische Botschafter in Israel, Martin Indyk, erklärte in einem Kommentar im International Herald Tribune, die USA wünschten sich vor allem eine stabile israelische Regierung. Das starke Abschneiden von Kadima mache es nahezu unmöglich, Zipi Livni außen vor zu lassen, schrieb er. Benjamin Netanjahu, so Indyk weiter, dürfte aufgrund der früheren Erfahrungen als Ministerpräsident nicht daran inter­essiert sein, sich von diversen kleinen rechtsreligiösen Parteien tolerieren zu lassen. Die Positionen Liebermans seien für den Friedensprozess keineswegs hinderlich. Er vertrete eine strikt säkulare Position und befürworte die Gründung eines palästinensischen Staates, was die Aufga­be des Großteils der Siedlungen im Westjordanland und der arabischen Viertel Ost-Jerusalems einschließe. Ein Kommentator der israelischen Tageszeitung Haaretz befürchtete, eine reine Rechts­regierung würde vom ersten Tag an auf Kollisionskurs mit den USA geraten und Israel in die internationale Isolation führen.
Dass Hauptproblem der amerikanischen Regierung wird dennoch weniger darin bestehen, wer der neue israelische Ministerpräsident wird, sondern darin, dass es auf palästinensischer Seite momentan niemanden gibt, der die Einhaltung eines Friedensvertrags und die israelischen Sicherheitsinteressen garantieren kann. Sollte sich dies ändern, dürfte es nur eine ge­ringe Rolle spielen, ob der Likud oder Kadima die Regierung stellt, weil die Mehrheit der is­raelischen Bevölkerung für eine pragmatische Verhandlungslösung eintritt und auch schmerzhafte Kompromisse in Kauf zu nehmen bereit ist.
Insgesamt wird die Priorität Obamas jedoch nicht auf der Lösung des Nahost-Konflikts liegen, sondern auf der Wirtschafts- und Finanzkrise und deren innenpolitischen Konsequenzen. Was dies für die Außenpolitik bedeutet, lässt sich noch nicht abschätzen. Eine Veränderung der Strategie der vergangenen Jahre und eine Abkehr von vielen Aspekten der Außenpolitik unter Bush ist allerdings unumgänglich, weil sie genau in jene Sackgasse geführt hat, in der die USA heute stecken.