Korruptionsvorwürfe gegen den französischen Außenminister

Pekuniäre Interventionen

Dem französischen Außenminister Bernard Kouchner wird Korruption vorgeworfen. Zu recht, doch hinter der Enthüllung verbirgt sich ein politisches Kalkül.

Umstritten war Bernard Kouchner schon immer. Dass der Mitbegründer der NGO Ärzte ohne Grenzen »humanitäre Interventionen«, auch Militäreinsätze, »für die Menschenrechte« befürwortet, wurde ihm ebenso vorgeworfen wie seine Entscheidung, Außenminister im Kabinett des konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy zu werden. Doch kaum jemand hätte erwartet, dass Kouchner, der neokolonialen Tradition folgend, bei autokratischen Regenten abkassiert.
Doch dem seit knapp seit zwei Jahren amtierenden Außenminister Kouchner wird vorgeworfen, er habe vom Regime Gabuns Geld genommen. Dieser Vorwurf löste in den vergangenen 14 Tagen die heftigste innenpolitische Polemik seit längerem aus.
Die Debatte begann Anfang Februar mit einer Vorveröffentlichung aus dem neuen Buch von ­Pierre Péan. Kurze Auszüge aus dem jüngsten Werk des prominenten Autors, das unter dem Titel »Le monde selon K.« (K. und wie er die Welt sieht) beim Pariser Großverlag Fayard erschien, wurden am Wochenende vor dem Erscheinen von dem linksnationalistischen Wochenmagazin Marianne publiziert. In den Auszügen geht es um Rechnungen über größere Summen in Höhe von gut 800 000 Euro, die das autokratische Regime Gabuns begleichen sollte.

Ausgestellt wurden die Rechnungen von den beiden Beraterfirmen International Medical Alliance (Imeda) und Africa Steps. Im Auftrag beider Gesellschaften war Bernard Kouchner in den Jahren 2003 bis 2007 tätig gewesen. So überbrückte er die Zeit, in der er nicht mehr sozialdemokratischer Minister unter François Mitterrand und später Lionel Jospin und noch nicht Minister unter dem Präsident Nicolas Sarkozy war. Er erhielt ein stattliches Gehalt, 6 000 Euro monatlich während dreier Jahre. Was er für dieses Geld getan hat, gehört derzeit zu den strittigen und offenen Fragen. Vorweisen kann Kouchner nur einen »Untersuchungsbericht« von 107 Seiten und einen 24seitigen Report, beide im Jahr 2004 verfasst. Hinzu kommt noch ein Brief an den gabunischen Vizepremierminister, den Kouchner im August 2006 schrieb. Die Dokumente enthielten Tipps für den »Aufbau eines Gesundheitssystems« in Gabun.
Trotz des beachtlichen Ölreichtums ist das Gesundheits- oder Bildungssystem Gabuns in einem miserablen Zustand. Denn das in hohem Maße von Frankreich abhängige Regime schöpft die Ölmilliarden systematisch ab und investiert sie größtenteils außerhalb des eigenen Landes. Etwa in Paris, wo Präsident Omar Bongo 33 Villen besitzt. Von der Korruption hat offenbar auch Bernard Kouchner profitiert. Die beiden Beraterfirmen kassierten 1,25 Millionen Euro, von denen sich Kouchner 350 000 Euro persönlich sicherte. Das Ergebnis der teuren Beratung ist dürftig, Kritiker sprechen davon, dass die von Kouchner unterzeichneten Berichte auch von einem Studenten hätten verfasst werden können.
Dass die Rechnungen und Quittungen veröffentlicht wurden, hängt wahrscheinlich mit einem Versuch Omar Bongos zusammen, Druck auf die französische Regierung auszuüben. Derzeit zürnt Bongo seinen Verbündeten, weil auf Antrag der NGO Transparency International ein Strafverfahren in Frankreich gegen ihn läuft. Es geht um seine Investitionen auf französischem Boden, und Bongo, dem ohnehin niemand Ehrlichkeit unterstellen würde, glaubt offenbar, der dezente Hinweis auf die Verwicklung hoher französischer Politiker in seine Geschäfte werde den Ermittlungseifer bremsen.
Pierre Péan ist aus anderen Gründen nicht gut auf den für seine Eitelkeit berüchtigten Kouchner zu sprechen. Péan ist ein bekannter Enthüllungsautor, der u.a. die Diamantengeschenke des größenwahnsinnigen zentralafrikanischen »Kaisers« Jean-Bédel Bokassa an Präsident Valéry Giscard d’Estaing im Jahr 1979 aufgedeckt hat. Aber Péan ist auch ein glühender Nationalist, der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Schriftsteller, der immer wieder den Machenschaften hochgestellter Persönlichkeiten auf die Schliche zu kommen versucht, wirft ihnen auch gerne vor, dass sie »ihr Land nicht lieben«.

Geradezu fanatisch leugnet Pierre Péan überdies die französische Mitverantwortung für den Genozid in Ruanda im Jahr 1994. Frankreich hatte das damalige Regime aufgerüstet und noch während des Völkermords militärisch unterstützt, doch Péan behauptete in seinem 2006 erschienenen Buch »Noire fureur, blancs menteurs« (Schwarzer Furor, weiße Lügner), es gäbe bei den Tutsi traditionell eine »Kultur der Lüge«. Man dürfe also nicht alles glauben, was die Überlebenden des Genozids erzählten.
Kouchner hingegen war 1994 als Mitarbeiter einer humanitären Organisation zeitweise in Ruanda tätig, er weiß nur zu gut, was damals wirklich geschah. Überdies ist sein Vorgesetzter, Präsident Nicolas Sarkozy, stärker als seine Vorgänger an einem Ausgleich mit Ruandas derzeitigem Regime interessiert. Denn nur noch mit wenigen Regenten wie Bongo konnten die alten neokolonialen Beziehungen erhalten werden, auch viele Konservative haben eingesehen, dass die Afrika-Politik sich ändern muss, da eine harte Haltung und die Leugnung der Fakten den französischen Einfluss in Afrika weiter mindern könnten.
Doch für einige nationalistische Kritiker ist es weiter ein wichtiges Anliegen, die französische Mitverantwortung für den Genozid zu leugnen. Wohl vor allem aus diesem Grund hat Péan das Buch über Kouchner verfasst; und deshalb auch hat das Magazin Marianne, das Péans Ansichten über Ruanda teilt, den Vorabdruck veröffentlicht. Dabei hat das Wochenmagazin nur Passagen aus 20 der insgesamt 300 Buchseiten zitiert und alle Ruanda betreffenden Aussagen weggelassen. In Pierre Péans Buch aber ist dieser Aspekt zentral, allein drei Kapitel sind ihm gewidmet. Der Autor wirft Kouchner vor, Nestbeschmutzung zu betreiben und sich dem neuen, ebenso US-hörigen wie terroristischen Regime in Ruanda anzudienen.

Die angebliche mangelnde Vaterlandsliebe Kouchners sei auf die »kosmopolitische« Weltsicht des Ministers zurückzuführen, meint Péan. Kouchner befürworte »humanitäre Interventionen« ohne Beachtung der nationalen Souveränität, dies sei eine Auffassung, die auf die Existenz von Nationalstaaten keine Rücksichten nehme, ebenso wie die Politik der US-Regierung. Kritiker werfen Péan, der in seinem Buch auch an Kouchners jüdische Herkunft erinnert, deshalb vor, er bediene sich antisemitischer Stereotypen. Das Magazin Marianne reagierte darauf mit der Klage, man werde zum Opfer eines »ideologischen Terrorismus«.