Die Arbeitsbedingungen im Berliner Kino Babylon

Szenen vor der Leinwand

Ein miserables Betriebsklima und niedrige Löhne bemängeln die Mitarbeiter des Programmkinos Babylon in Berlin-Mitte, das vom Senat gefördert wird.

»Berlin ist unzweifelhaft eine Stadt der Kreativen, Kulturschaffenden und Talente«, wirbt die Senatskanzlei für Kulturelle Angelegenheiten. Folgerichtig investiert die arme Hauptstadt in prestigeträchtige Projekte. Auch das Kino Babylon in Mitte erhält Geld, mehr als 300000 Euro pro Jahr. Dafür zeigt es Filme abseits des Mainstreams, was nicht zuletzt ein sich als links definierendes Publikum anzieht.
Seit im Sommer 2008 ein ehemaliger Mitarbeiter gegen die aus seiner Sicht unbegründete Kündigung klagte, steht die Geschäftsführung des Unternehmers, der das Kino betreibt, in der Kritik. Der im November gegründete Betriebsrat bemängelt in einer Pressemitteilung »miserable Löhne, unbegründete Kündigungen und eine Atmosphäre, in der keiner, der seinen Job behalten will, es wagt, um Urlaub zu bitten«.

Kinobesucher und Veranstalter hätten bisher nur spärlich auf die Vorwürfe reagiert, sagt Andreas Heinze vom Betriebsrat des Babylon. Er und seine zwei Kollegen seien nach der Wahl »schnell ins Schussfeld der Geschäftsleitung« geraten. Seine Kollegin sei zur Arbeit in den Keller versetzt, sein eigener Arbeitsvertrag ohne Angabe von Gründen nicht verlängert worden. Das sei kein Zufall gewesen, glaubt Andreas Heinze. »Der Führungsstil ist absolut willkürlich«, kritisiert er weiter. Mitt­lerweile haben die Mitarbeiter ihre prekäre Lage öffentlich gemacht. Das sei nötig gewesen, da die Chefs auf alle internen Schreiben und Forderungen des Betriebsrats schlichtweg nicht reagiert hätten. »Die Geschäftsleitung sieht das jetzt aber so, als ob wir einen Krieg angefangen hätten. Es war uns klar, das ist das letzte Mittel und ein schweres Geschoss«, sagt Heinze. »Wir haben uns damit die Feindschaft eingehandelt.«
Gut 30 Mitarbeiter beschäftigt das Babylon, »die meisten ohne Vertrag«, sagt Heinze. Kartenab­reißer und Getränkeverkäufer verdienten als 400-Euro-Jobber zwischen 5,50 Euro und sechs Euro pro Stunde, Vorführer acht Euro brutto. »Davon bleiben dann um die 6,40 Euro übrig«, rechnet Andreas Heinze vor. Die Geschäftsführung kann daran nichts Verwerfliches ent­decken, die Löhne seien vielmehr branchenüblich, schreibt sie in einer Stellungnahme.
Schlimm genug, findet Lars Röhm von der ­anarchosyndikalistischen Freien Arbeiterinnen- und Arbeiterunion (FAU), die eine Betriebsgrup­pe im Kino gebildet hat. »Für uns als Gewerkschaft ist es nichts Neues, dass Beschäftigte des Kulturbereichs eher durch ›Dabeisein‹ als für ihre Arbeit entlohnt werden. Gerade eine Kulturmetropole wie Berlin verdankt ihren Status Festivals wie der Berlinale und erkauft sich dies nur allzu oft auf dem Rücken der Beschäftigten. Skandalös ist dabei, dass das Ganze auch noch durch die öffentliche Hand gefördert wird.«

Die FAU untersuchte schon vor fünf Jahren die Arbeitsbedingungen in Berliner Kinos. Und ­siehe da, das Babylon ist kein Einzelfall: Zehn Euro in der Stunde seien seltene Ausnahmen, die Regel sei ein Stundenlohn zwischen fünf und sechs Euro, Tendenz fallend. 50 bis 100 Prozent des Personals seien Studenten oder Schüler, bezahlter Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall »meist Fremdworte«, fand die FAU heraus. Die Chefs der Neue Babylon Berlin GmbH, Timothy Grossmann und Tobias Hackel, streiten die Vorwürfe vehement ab. »Die Geschäftsleitung des Babylon nimmt die Belange der Mitarbeiter ernst und übt keinerlei Druck auf die Arbeit des Betriebsrates aus«, heißt es in der Stellungnahme. Unbegründete Kündigungen habe es nicht gegeben, alle eingereichten Urlaubsanträge seien genehmigt und »ordnungsgemäß vergütet« worden. Die Betriebsleitung habe niemals recht­liche und menschliche Mindeststandards missachtet, und auch die konkreten Vorwürfe der Betriebsräte seien falsch, schreiben Grossmann und Hackel. So sei etwa der Vertrag von Andreas Heinze wegen »grober Fehler bei seiner Arbeit als Vorführer« nicht verlängert worden. Er habe während einer Vorführung Fußball geguckt, die Vorstellungen nicht ordentlich vorbereitet und sei einem Festivalorganisator »mit beiden Händen an den Hals gesprungen«, weil dieser ihn auf die falsche Reihenfolge der Kurzfilme hingewiesen und um den Abbruch der Vorstellung gebeten habe. Andreas Heinze, der mittlerweile wieder im Babylon arbeitet, zeigt sich geschockt über die Vorwürfe, »das stimmt so nicht«, sagt er.

Von der FAU-Betriebsgruppe, die eine eigene Pressemitteilung zu den Zuständen veröffentlichte, fordern die Chefs des Babylon eine Unterlassungserklärung. »Auf die Unterlassungserklärung haben wir uns nicht eingelassen«, sagt Lars Röhm von der FAU. Andreas Heinze ergänzt: »Die Geschäftsleitung bemängelt Äußerungen, die belegbar sind, wie die unsicheren Schichtpläne.« Dass dann am Freitag mitten im Berlinale-Glamour auch noch gut 50 Personen zu einer Protestkundgebung zum Babylon kamen, dürfte den Geschäftsführern ebenfalls nicht sonderlich ­geschmeckt haben. Die hatten es übrigens von Anfang an nicht leicht, wurde doch schon im Jahr 2005, als sie den Kinobetrieb übernahmen, behauptet, der damalige Kultursenator habe sie unbegründet bevorzugt. Von den früheren Beschäftigten hätten die neuen Betreiber niemanden übernommen, sagt Andreas Heinze.
Der Kultursenat hat angeboten, zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung zu vermitteln. »Die Stellungnahmen der Geschäftsführung waren für uns überzeugend«, sagt Torsten Wöhlert, der Sprecher des Kultursenators, »wir können keine Verstöße gegen Recht und Gesetz erkennen.« Die Geschäftsführer betonen, zu einem Gespräch ­bereit zu sein. Auch der Betriebsrat will eine innerbetriebliche Klärung, beharrt aber auf den Vorwürfen. »Wir denken uns so was doch nicht aus«, sagt Andreas Heinze. Das Vermittlungsangebot nehme man gerne an.
Machtlos ist der Senat nicht: Sollte die Geschäftsführung nachweislich gegen Recht und Gesetz verstoßen, könnte ihr die Förderung gekürzt oder entzogen werden. »Arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen sind aber kein Verstoß gegen Recht und Gesetz«, sagt Wöhlert.