Serie über Serien: »Ein Colt für alle Fälle«

Irgendwo macht es immer wumms

Serie über Serien. Jens Benicke ist zwar kein kleiner Junge mehr, er liebt »Ein Colt für alle Fälle« aber immer noch.

Mit Fernsehserien, die man in der Kindheit geliebt hat, ist das ja so eine Sache. Sieht man diese später, im, nun ja, »reiferen Alter« wieder, stellt sich häufig, neben nostalgischen Empfindungen, auch eine Gefühl von Ratlosigkeit, im schlimmsten Fall sogar von Scham ein. Wie konnte ich nur jemals so einen Schrott gut finden?
Zum Glück gibt es da aber auch einige Serien, deren Qualität seit den eigenen Kindheitstagen nichts eingebüßt hat. In dieser Reihe »Serie über Serien« wurden ja schon einige davon vorgestellt.
Schwieriger ist da schon so ein Fall wie »Ein Colt für alle Fälle«. In dieser typischen Achtziger-Jahre-Serie, die im amerikanischen Original »The Fall Guy« hieß, werden die Abenteuer des Hollywood-Stuntmans Colt Seavers (Lee Majors) erzählt. Nun sollte man meinen, dessen Job allein würde durchaus genug Stoff für ei­nige Dutzend Fernsehfolgen liefern, aber weit gefehlt. Denn da dieser Traumberuf aller kleinen Jungs offensichtlich nicht genug zum Leben einbringt und Colt deshalb notorisch pleite ist, muss er sich nebenbei noch als Kopfgeldjäger verdingen. Zu allem Überfluss hat er sich noch mit seinem schnöseligen und trotteligen Cousin Howie Munson (Douglas Barr) rumzuschlagen, der bei seinem großen Vorbild ebenfalls den Beruf des Stuntmans erlernen will. Komplettiert wird das Team durch die blonde Stuntfrau Jodie Banks (Heather Thomas), deren Aufgabe in der Serie aber meist auf das Tragen knapper Bikinis beschränkt ist.
Diese kurze Darstellung der Serienkonstel­lation macht schon deutlich, dass in ihr auch der »american way of life« verhandelt wird. ­Einerseits ist da die Traumfabrik Hollywood, die für die Hoffnungen vom großen Erfolg steht. Aber andererseits gibt es auch die Schicksale der Kautionsflüchtigen, die Suche nach ihnen in den runtergekommenen Kaschemmen der Großstädte und die Ödnis der amerikanischen Provinz. Erfahrbar wird dieses ausgedehnte Spek­trum der amerikanischen Gesellschaft durch die langen Fahrten, die die Hauptfigur in seinem geliebten Truck durch die Weiten des amerikanischen Kontinents unternimmt.
Ein typische Folge von »Ein Colt für alle Fälle« läuft meist folgendermaßen ab: Nachdem Colt am Set eines Hollywood-Films einen spektakulären Stunt abgedreht hat, tritt eine Kautions­agentin in Aktion. Diese überredet den zuerst widerwilligen Colt nach einem angeblich harmlosen Kautionsflüchtigen zu suchen, und schon beginnt die Jagd. Der scheinbar so ungefähr­liche Delinquent entpuppt sich nun jedes Mal als doch nicht so harmlos. Nach einigen spektakulären Autoverfolgungsjagden, Schlägereien und sonstigen Verwicklungen wird er aber von der Stuntcrew der amerikanischen Justiz zugeführt, und Colt kann sich in seiner Outdoor-Badewanne vor seinem Blockhaus entspannen.
Warum man als kleiner Junge die Serie liebte, ist klar: Explosionen, Verfolgungsjagden, ein cooler Held, muss ich noch mehr sagen?
Doch was die Serie auch heute noch sehenswert macht, ist die Ironie, mit der der vorhersehbare Handlungsverlauf der einzelnen Folgen immer wieder gebrochen wird. Mit vielen Anspielungen auf das Showbusiness und witzigen Gast- und Cameoauftritten von Schauspielern, Sängern und anderen Prominenten wird auch das arg machomäßige Image der Hauptfigur unterlaufen. Immer wieder werden dabei die Sphären von Film und scheinbarer (Serien‑) ­Realität vermischt. Ein glänzendes Beispiel dafür liefert die Folge »Unternehmen Kokosnuss« (»Licence to kill«), die auf Hawaii spielt und in der Colt und Howie auf der Flucht vor Auftragskillern und dem Marinegeheimdienst sich in Frauenuniformen auf einem Parkplatz verstecken. Plötzlich fährt ein roter Ferrari vor und der Magnum-Darsteller Tom Selleck (wer sonst könnte schließlich auf Hawaii ein solches Auto fahren) entsteigt dem Wagen und entdeckt die beiden. Da sich im Showbusiness ja grundsätzl­ich alle kennen, sind auch Colt und Tom alte Bekannte. Tom Selleck ist nun sichtlich irritiert über das Outfit der beiden und murmelt, man könne ja mal wieder zusammen drehen, natürlich erst sobald Colt sein Leben wieder im Griff habe. Colt stammelt daraufhin einige dürftige Erklärungsversuche, verschwindet und lässt einen verstört aussehenden Tom Selleck zurück.
Da man damals in Kindheitstagen die meisten dieser Anspielungen auf andere Filme oder Serien noch nicht verstanden hat, unter anderem auch, weil man noch nicht soviel fernsehen durfte, werden einem diese Querverweise erst beim späteren Wieder­sehen der Serie bewusst. Grund genug für ein ­Wiedersehen!