Die israelische Regierungsbildung

Israelisches Haus

Die rechten Parteien Likud und Israel Beitenu haben sich darauf geeinigt, zusammen Israel zu regieren, doch noch fehlen weitere Koalitionspartner für eine Mehrheit. Beide bieten Kadima an mitzuregieren, doch wahrscheinlicher ist es, dass sie sich weitere rechte und religiöse Parteien ins Boot holen.
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Die Weltöffentlichkeit scheint sich einig zu sein: Die Koalition zwischen Benjamin Netanjahus Likud und Avigdor Liebermans Israel Beitenu (»Unser Haus Israel«) ist eine Katastrophe, sie be­deutet das »Ende des Friedensprozesses«. Der Außenbeauftragte der EU, Javier Solana, drohte unverhohlen, die künftige EU-Politik gegenüber Israel würde sich »sehr, sehr« ändern. Von einer »rechtsextremen«, »rechtsradikalen« Regierung ist die Rede. Die Aufregung ist riesig. In Israel we­niger. Dort beschäftigte die Öffentlichkeit eher das Scheitern der Verhandlungen mit der Hamas über die Freilassung des entführten IDF-Soldaten Gilad Shalit. Die Enttäuschung ist riesig. Sie begleitet die wohl letzte größere politische Amtshandlung der gegenwärtigen Mitte-Links-Regierung.
Die sich abzeichnende Rechts-Regierung unter Netanjahu wird zwar von vielen Israelis ähnlich ablehnend betrachtet wie von den zahlreichen internationalen Kommentatoren, jedoch auch et­was gelassener: Die Israelis haben schon einmal einen Ministerpräsidenten Netanjahu überlebt und auch einen Minister Lieberman. Innenpolitisch unterscheiden sich die rechten von den linken Parteien in Israel wenig, und sowohl der Likud als auch Israel Beitenu sind klar säkular aus­gerichtet. Was links ist und was rechts, wird vor allem an den Positionen gegenüber den Palästinensern gemessen. Tatsächlich ist Lieberman ein antiarabischer Rassist, der vehement die eth­nische Trennung von Juden und Palästinensern fordert. Ein extremer Rassist ist er, der in seiner Jugend schon mal mit Fahrradketten Jagd auf Ara­ber gemacht haben soll und noch 2006 arabische Knesset-Abgeordneten als Landesverräter vor Gericht stellen und hinrichten lassen wollte. Er ist etwa genauso rassistisch wie die palästinensischen Führer, die über eine Zwei-Staaten-Lösung nur unter der Bedingung judenfreier palästinensischer Gebiete zu verhandeln bereit sind. Als »rechtsextrem« bezeichnet man diese für gewöhnlich jedoch nicht.
Lieberman als Außenminister, ja, das ist eklig. Aber bedeutet es das »Ende des Friedensprozesses«? Zunächst stellt sich die Frage: welcher Friedensprozess? Das, was seit zig Jahren als Frie­densprozess bezeichnet wird, hat vor allem die Aufrechterhaltung des Kriegszustands zwischen den beiden Gesellschaften bedeutet. Man kann es drehen und wenden wie man will: Es existiert kein »Prozess« im Sinne von Fortschritt. Die Süddeutsche Zeitung beklagte, eine Regierung unter Netanjahu würde »nicht das Reden zum Leitmotiv ihrer Beziehungen zu den Palästinensern machen«, stattdessen würde sie »Fakten schaffen«. Doch welchen Wert hat dieses Reden, das vor allem den Soundtrack für den anhaltenden Gewaltzustand bildet? Was beide Seiten brauchen, ist nicht gefällige Plauderei, sondern sind reale Fortschritte, sprich: Fakten. Liebermann steht nicht für Stillstand. Für die Trennung von Juden und Arabern ist er bereit, im Tausch für jüdische Siedlungen in der Westbank, Gebiete aus dem israelischen Kernland anzubieten, etwa das von arabischen und drusischen Israelis dominierte »Arabische Dreieck« in Galiläa. Netanjahu wiederum gilt zwar als Gegner eines Rückzugs aus der Westbank, dafür wird ihm eine relative Offenheit für eine Rückgabe des Golan an Syrien nachgesagt.
Wie auch immer: Am Ende hat sich noch jede israelische Regierung an ihre Abhängigkeit von den USA erinnert. Und so wird auch die künftige nicht in Totalkonfrontation zu Obama gehen.