Über al-Bashir und seinen Haftbefehl

Im Palast statt im Knast

Der sudanesische Präsident Bashir will be­wei­sen, dass der gegen ihn ausgestellte Haft­befehl bedeutungslos ist. Das könnte ihm gelingen.

Der sudanesische Präsident Omar al-Bashir verließ bis zum März sein Land nur selten. Wie jeder Putschist musste er befürchten, dass neidische Kon­kurrenten seine Abwesenheit nutzen könnten, zudem er hatte der Welt nicht allzuviel zu sa­gen. Er ist Islamist, doch wird die Sharia in seinem Land zu schlampig durchgesetzt, als dass er die Sittenstrengen begeistern könnte. Überdies kann Bashir mit Entertainern wie Muam­mar al-Gaddafi nicht konkurrieren. Am Wettbewerb populistischer Diktatoren um street credibility nahm der sudanesische Präsident daher gar nicht erst teil.
Doch seit der Internationale Strafgerichtshof (ICC) am 4. März einen Haftbefehl gegen Bashir ausstell­te, ist der Präsident fast ständig unterwegs. Er be­suchte Eritrea, Ägypten, Libyen und Katar, wo er sich am Sonntag zum Gipfeltreffen der Ara­bischen Liga einfand. Nicht der Fahndungsdruck treibt ihn an, sondern der Wunsch, zu beweisen, wie bedeu­tungslos der Haftbefehl gegen ihn ist. Das könnte ihm gelingen.
Eine »entschlossene Resolution, die die Hoffnungen der arabischen Straße erfüllt«, erwartete Bashirs Berater Mustafa Osman Ismail von der Arabischen Liga. Gefeiert wird Bashir nicht auf den real existierenden Straßen der arabischen Welt, nur im eigenen Land konnte das Regime einige tausend Jubelsudanesen aufbieten. Doch es gibt eine andere »arabische Straße«, ein überall auf der Welt beheimatetes »antiimperialistisches« Milieu, dem die Verteidigung der Bashirs dieser Welt am Herzen liegt.
Muammar al-Gaddafi glaubt, es sei »nicht fair, einen amtierenden Staatschef zu verhaften«. Der syrische Präsident Bashir al-Assad möchte lieber jene anklagen, die »Massaker und Gräueltaten in Palästina, im Irak und Libanon« begangen haben, und damit meint er sicher nicht seine Geheimdienstler und die von ihnen unterstützten terroristischen Gruppen. Den Staatschefs stellen sich Leute wie George Galloway an die Seite, ein britischer Abgeordneter der linkspopulistisch-islamistischen Partei Respect, der den Haft­befehl gegen Bashir als »absurd« bezeichnet. Sie alle betrachten das Vorgehen des ICC als neokoloniale Maßnahme.
Es gibt berechtigte Kritik am ICC (Jungle World 36/08). Ob ein Massenmord einfach nur ein Mas­senmord oder ein zu ahndendes Verbrechen gegen die Menschheit ist, entscheidet gemäß dem Römer Statut des Gerichtshofs der Ankläger, derzeit Luis Moreno-Ocampo, in »eigener Initiative«. Der Sicherheitsrat, das nicht demokratisch legitimierte Führungsgremium einer globalen Oli­garchie, kann ebenfalls ein Verfahren anordnen, aber auch eine nicht genehme Initiative des Anklägers unterbinden.
Der erste Haftbefehl wurde gegen den kongolesischen Warlord Thomas Lubanga erlassen, der zwei­te gegen Bashir. Ocampo mag taktisch kalku­lieren, doch de facto widmet sich der ICC den beiden derzeit schlimmsten humanitären Katastrophen. Im Kongo-Krieg starben vier bis fünf Millionen Menschen, in Darfur etwa 300 000. Neo­kolonial ist die Mentalität der Propagandisten der »arabischen Straße«. Sie nehmen die Perspek­tive der Tä­ter an. Der Konflikt in der westsudanesischen Provinz ist kein Kolonialkrieg im historischen Sin­ne, es geht jedoch um Kolonisierung. Vertreibung und Massenmord sollen die Be­siedlung der Region durch Bevölkerungsgruppen ermöglichen, die mit dem Regime Bashirs verbün­det sind.
Die Staaten der Arabischen Liga haben Bashir am Montag ihre »Solidarität« zugesichert. Dass auch die Afrikanische Union den Haftbefehl kritisierte, liegt nicht nur daran, dass in diesem Gremium ebenfalls Staatchefs sitzen, die selbst das Klicken der Handschellen fürchten müssen. Viele Afrikaner glauben, ihr Kontinent werde für politische Experimente benutzt. Obwohl zu er­warten war, dass Bashir auf den Haftbefehl mit einer Eskalationsstrategie reagieren würde, traf die »internationalen Gemeinschaft« keinerlei Vorbereitungen. Die gemeinsame Truppe der Afri­kanischen Union und der Uno in Darfur zählt nur 15 000 Soldaten und Polizisten. 26 000 sollten es eigentlich sein, doch die Einsatzfreude entspricht nicht ganz dem Eifer, mit dem Bashir gescholten wird.
Der sudanesische Präsident könnte daher von dem Haftbefehl sogar profitieren. Seine Getreuen, die ebenfalls Strafverfolgung fürchten müssen, wenn das Regime stürzt, dürften sich enger um ihn scharen. Da andererseits niemand gedenkt, den Haftbefehl zu vollstrecken, solange Bashir an der Macht ist, kann der sudanesische Präsident sich nun als erfolgreicher Widerstandskämpfer gegen das »Imperium« feiern lassen.