Kreuzehrlich

»Einmal Tchibo und zurück« heißt eine Geschich­te, die der Bochumer Wolfgang Welt in sei­nem vier­ten Roman »Doris hilft« einer Literaturredak­teurin verkauft. Der Titel ist exemplarisch für die Lakonik, die Wahrhaftigkeit und die gedämp­fte Verzweiflung in Welts Welt.
Der streng autobiographische Roman des ehe­maligen Popjournalisten, der in den achtziger Jah­ren für bekannte Musikmagazine wie Sounds und den Musikexpress schrieb, setzt ein, als er aus der Psychiatrie entlassen wird und Geier Sturz­flug mit ihrem unsäglichen Titel »Bruttosozialprodukt« Nummer eins in den Charts sind. Er endet in dem Jahr, als Roy Black sich aus dem Fens­ter stürzt und Welt erneut die Anstalt verlässt.
Dazwischen erleben wir einen Buddy-Holly-Fan auf der »ewigen Hatz nach dem weiblichen Wesen«, einen unter schizophrener Psychose leidenden Nachtwächter, der noch bei seinen El­tern wohnt und sich zwischen Radiohören, Masturbation, Schreibblockaden, Antidepressiva und ein paar Bierchen fragt, ob er bereits »durch sein schieres Leben Literatur erzeuge«.
Nur gut, dass er es wieder einmal runtergeschrieben hat, denn Welt ist ein souveräner, kreuz­ehrlicher Erzähler, der von seinen Wahnvorstellungen genauso unaufgeregt und scheinbar naiv zu berichten versteht wie über ein Zusammentreffen mit dem Dichter Erich Fried oder von seinem tristen Nachtwächterjob.
Ein Buch für Leute, die jeden Tag heißen Scheiß erleben, vor allem aber auch eines für Leute, die jeden Tag nur Scheiß erleben.

Wolfgang Welt: Doris hilft. Suhrkamp, Frankfurt/Main 2009. 200 Seiten, 8,50 Euro