Terrorvorwürfe gegen islamische Verbände

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Mehrere islamische Verbände und Funktio­näre stehen unter dem Verdacht, eine kriminelle Vereinigung gebildet und terror­is­tische Organisationen mit Spendengeldern versorgt zu haben. Das bringt auch den Bundesinnenminister und seine Islamkonferenz in Schwierigkeiten.

Der »Prävention islamistischer Bestrebungen« widmet sich der Gesprächskreis »Sicherheit und Islamismus« vor allem, einer von vier Arbeitskreisen der Deutschen Islamkonferenz, die Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ins Leben rief. Vo­rige Woche musste der Gesprächskreis auf Oguz Ücüncü verzichten. Denn gegen den Generalse­kretär der türkisch-islamischen Organisation Milli Görüs ermittelt die Münchener Staatsanwaltschaft.

14 Wohnungen, Büros und Moscheen, unter anderem in München, Köln, Hamm und Berlin, wurden vor vier Wochen durchsucht, zahlreiche Computer und Unterlagen beschlagnahmt. Begründet wurde diese konzertierte Aktion, die sich gegen verschiedene islamische Verbände und sieben ihrer Funktionäre richtete, mit dem Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung, die durch Veruntreuung öffentlicher Fördermittel, Geldwäsche, Steuerhinterziehung, ­Urkundenfälschung und Verstöße gegen das Kreditwesengesetz Geld für mehrere islamistische Organisationen im In- und Ausland gesammelt haben soll. Einem Bericht von Spiegel online zu­folge sollen dabei unter anderem mehrere hunderttausend Euro auf Konten von vermeintlich wohltätigen Einrichtungen in den palästinensischen Autonomiegebieten gelandet sein. Von dort aus sei das Geld dann vor allem an die Hamas weitergeleitet worden.
Im Zentrum der Ermittlungen steht neben dem 39jährigen Generalsekretär von Milli Görüs auch der Vorsitzende der Islamischen Gemeinschaft Deutschlands (IGD), Ibrahim al-Zayat (41). Beide Vereinigungen werden seit längerem vom Verfassungsschutz beobachtet. Al-Zayat, der Haupt­beschuldigte des Verfahrens, gilt als Kopf des politischen Islam in Deutschland. Er verwaltet als Generalbevollmächtigter der »Europäischen Moscheebau- und Unterstützungsgesellschaft« von Köln aus über 600 Moscheen in Eu­ropa und betreut die Immobilien von Milli Görüs. Mit seiner Firma »Spezial-Liegenschafts-Management« kauft al-Zayat Grundstücke für Moscheebauten und berät islamische Gemeinden in Baugenehmigungs­fragen sowie bei der Finanzierung der Bauvorhaben. Durch seine Heirat mit Sabiha al-Zayat-Erbakan, der Nichte des Gründers von Milli Görüs, Necmettin Erbakan, und Schwester des langjährigen Milli-Görüs-Vorsitzenden Mehmet Erbakan, besteht zudem eine familiäre Bindung zur Dynastie der Organisation. Obendrein ist al-Zayat in mehreren, teilweise offen antisemitischen Zusammenschlüssen tätig, etwa als westeuropäischer Repräsentant der »World Assembly of Muslim Youth«. Diese Gruppierung, die der saudi-ara­bischen Regierung nahesteht, bezeichnet »die Juden« als »die Feinde der Menschheit« und will muslimische Kinder lehren, »den Jihad der Liebe Allahs wegen auszuüben«.
Darüber hinaus wird al-Zayat immer wieder mit der antisemitischen Muslimbruderschaft in Verbindung gebracht. Die 1928 in Ägypten gegründete Bewegung, deren Ziel die Errichtung eines islamischen Gottesstaats ist, kann gewissermaßen als Vorläuferin aller islamistischen Vereinigungen bezeichnet werden. Aus ihr ging auch die palästinensische Hamas hervor.
Al-Zayat selbst bestreitet allerdings vehement, mit den Muslimbrüdern oder anderen islamis­tischen Organisationen etwas zu tun zu haben. Zwar bezeichnet er die Muslimbruderschaft als »die wichtigste islamische Reformbewegung im 20. Jahrhundert« und findet, sie setze sich »für die Befreiung der Frau, für die Lösung sozialer Probleme« ein und stehe für »eine an Raum und Zeit angepasste Interpretation des Korans«. Doch wer eine organisatorische Verflechtung al-Zayats mit den Muslimbrüdern behauptet, läuft Gefahr, juristisch belangt zu werden. Selbst als der in Kairo lebende oberste Anführer der Muslimbruderschaft, Mohammed Mahdi Akef, vor zwei Jahren in einem Interview sagte, al-Zayat sei der Chef ihrer deutschen Sektion, erwirkte dieser eine Gegendarstellung.
Dass die Glaubwürdigkeit von al-Zayats Dementis zumindest zweifelhaft ist, verrät ein Blick auf die Geschichte und Gegenwart seiner Orga­nisation, der IGD. Sie wurde 1958 mit Sitz in München gegründet und ist die älteste muslimische Vereinigung in Deutschland. Ihr erster Prä­sident war bis 1968 Said Ramadan – der Schwiegersohn des Gründers der Muslimbrüder, Hassan al-Banna. 1989 war die IGD als Gründungsmitglied an der Bildung der »Föderation Islam­ischer Organisationen in Europa« beteiligt, die sich in ihrem Programm ausdrücklich auf al-Banna bezieht. Dem bayerischen Verfassungsschutz gilt die IGD als »deutsche Zentrale des ägyptischen Zweigs der Muslimbruderschaft«, während der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz befindet: »Die Beziehungen der IGD reichen durch persönliche Kontakte von Funktionären und gemeinsame Projekte in den Bereich von islamisch-extremistischen Organisationen sowohl arabischstämmiger als auch türkischstämmiger Muslime sowie zu einer islamischen Hilfsorganisation, die im Verdacht steht, heimlich den islamistischen Terrorismus zu unterstützen.«

Auf ihrer – derzeit gesperrten – Homepage gab die IGD freimütig Auskunft über ihre Vorstellungen. Bemerkenswert sind dabei nicht zuletzt die Ausführungen zum Thema »Frauen im Islam«: Es sei Aufgabe des Mannes, die Familie zu versorgen, heißt es da; Frauen hätten – neben ihrer Aufgabe, Kinder zu gebären und aufzuziehen – vor allem die Pflicht, »ihren Mann zu beraten und zu unterstützen«. Außerdem dürften sie »keinen Angehörigen einer anderen Religion heiraten«. Die Mehrehe wird als Mittel zur »Gerechtigkeit und Gleichbehandlung aller Frauen« bezeichnet; durch sie könne »vor allem verwitweten oder geschiedenen Frauen eine Versorgung ermöglicht werden«. Unter Berufung auf den Koran billigt die IGD überdies körperliche Gewalt gegen Frauen. Im Falle »einer in größeren Schwierigkeiten steckenden Ehe« müsse der Ehemann einen Plan einhalten, der drei Schritte vorsieht: »Ermahnung, Trennung im Ehebett und Schlagen«.

Durch die Razzia im März und die Ermittlungen gegen al-Zayat und Ücüncü geraten nun nicht nur mehrere Islamverbände in Bedrängnis, sondern auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und seine Islamkonferenz. Denn sowohl die IGD als auch Milli Görüs sind dort vertreten. Während die IGD vom Zentralrat der Muslime, deren Mitglied sie ist, im Plenum der Konferenz repräsentiert wird, nimmt die Organisation Milli Görüs mittels des von ihr dominierten Islamrats teil. Die Soziologin und Islamkritikerin Necla Kelek forderte im Kölner Stadt-­Anzeiger denn auch die Auflösung der beiden Verbände – die sich vor zwei Jahren auf Initiative von al-Zayat gemeinsam mit dem Verband der ­islamischen Kulturzentren und dem deutschen Ableger des türkischen Amts für religiöse Angelegenheiten, der Ditib, zum Koordinierungsrat der Muslime (KRM) zusammengeschlossen haben – und ihren Ausschluss aus der Islamkonferenz; die Bundestagsabgeordnete Lale Akgün (SPD) verlangte sogar deren Abbruch.
Dass Oguz Ücüncü dem Gesprächskreis der Islamkonferenz am Donnerstag voriger Woche fernblieb, betrachtete Schäuble dagegen als »hinreichend deutliche Aussage des betroffenen Verbandes, dass die Islamkonferenz keinen Schaden nehmen soll«, wie er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagte. Für Juni hat die Kon­ferenz eine Bilanz ihres bisherigen Wirkens angekündigt.