Die Ausstellung: »The Porn Identity« in Wien

Penetrante Bilder

In der Ausstellung »The Porn Identity« in der Kunsthalle Wien wird versucht, Pornografie einen Überbau aus Kunst und Diskurs zu verpassen.

Dass der Porno wirklich alles durchdringt, merkt man spätestens dann, wenn er im Muse­um gelandet ist, wie jetzt mit der Ausstellung »The Porn Identity« in der Wiener Kunsthalle. Was auch bedeutet, dass sein »Erregungsfaktor«, um ein angemessen plattes Wortspiel zu bemühen, deut­lich gegen Null tendiert. »Pornografie erobert den Mainstream und boomt in den Nischen, findet sich im Alltag, im Pop und in der Kunst«, so Gerald Matt, Direktor der Kunst­halle, im Editorial des Ausstellungskataloges. Und jetzt, nachdem in Berlin im Herbst 2006 an der Volksbühne bereits ein Kongress unter dem Titel »Post Porn Politics« abgehalten worden ist, die Kunstdiskurszeitschrift Texte zur Kunst dem Thema eine ganze Ausgabe gewidmet hat, das Berliner »Porn Film Festival« etabliert worden ist und in queeren Zusammenhängen Abbildungen »alternativer« Pornografie Usus sind, findet sich das Thema eben auch im Museum.
Ursprünglich war die Ausstellung unter dem Titel »Bodypoliticx« 2007 von den Kura­toren Thomas Edlinger und Florian Waldvogel für das Museum Witte de With in Rotterdam konzipiert worden (wo sich angeblich hauptsächlich ältere Herren für das Thema interessierten). Für die Realisierung des Projekts in Wien wurde das Team um Angela Stief erweitert (immer gut, beim Sujet Porno eine Frau mit dabei zu haben) und der Umfang der Schau reduziert. So erstaunt es zunächst, dass sich die mit viel Tamtam angekündigte und beworbene Ausstellung auf einige wenige Räume im Erdgeschoss beschränkt und nicht wie der ebenfalls als Kassenschlager konzipierte »Summer of Love« 2006 durch die gesamten darüber gelegenen Hallen wuchert.
»The Porn Identity konfrontiert den Wildwuchs der Pornografie mit Filmen, Skulpturen und Installationen, die das sexuelle Begehren reflektieren«, heißt es im Ankündigungstext zur Mission der Schau. Während man durch die Räume wandert, beklemmt darauf bedacht, beim Betrachten expliziter Pornos auf kleinen Bildschirmen weder mit dem höchst konzentrierten 60jährigen Anzugträger noch mit der Gruppe dümmlich feixender Jungmänner zusammenzustoßen, drängt sich bald die Frage auf, was die grundlegende Idee gewesen sein mag, die zu einer solchen Zusammenstellung in einem Kunstkontext führen konnte. Soll es um die neuen oder gar nicht so neuen Intersektionen von Kunst und Pornografie gehen? Sol­len die Produktionsbedingungen von Pornografie beleuchtet und mit denen der Kunst parallelisiert werden? Soll es um die sozialen Kontexte von Pornografie und Kunst gehen?
Weder das Material selbst noch der Kontext geben darüber Auskunft, und auch von den hochtrabenden bis hanebüchenen Fragen, die im mit Titelbildern des Pornomagazins Hustler zugepflasterten Katalog in fetten Lettern abgedruckt werden, findet keine in irgendeiner Weise in der Ausstellung selbst einen Niederschlag. Zum Glück, möchte man fast sagen, wenn man nebulöses Geschwafel liest wie »Ist es Zufall, dass in heterosexuellen Pornofilmen die Penetration der Frau dargestellt wird? Ist dies ein Symbol für patriarchale Gesellschaftsstrukturen und Frauenunterdrückung? (…) Oder liegt es an der Biopolitik der politischen und religiösen Autoritäten?« Interessanterweise wurde auf die Frage, warum Frauen im Pornofilm immer so stereotyp bis übertrieben weiblich aussähen (»Ist es, um über ihr männliches Verhalten hinwegzutäuschen?«), die im Katalog der Rotterdamer Ausstellung gestellt wurde, verzichtet.
Die in der Ausstellung gezeigten Bilder konzentrieren sich zumeist auf die gute alte Penetration.
Die wenigen künstlerischen Auseinandersetzungen mit dem Gegenstand, die sich aus dem pornografischen Script lösen, gehören dann auch zu den interessanteren Objekten, zum Beispiel die Arbeit von Katrina Daschner und Dorit Margreiter. In einer step-by-step-artigen Video-Raum-Installation deutet Daschner den Lolita-Topos lesbisch um, besetzt alle Positionen des Nabokov-Romans mit Frauen und lässt ihre weiblichen Figuren sich explizit sex­uell äußern. In »10 104 Angelo View Drive«, einem Video von Dorit Margreiter, wird ein für Hollywood- und Pornofilm-Settings ­genutztes Haus in Los Angeles mit dem Wasser aus Pool und Brunnen langsam überflutet.
Andere Werke wie das Fahrradrad-Ready­made von Marcel Duchamp, die stilisierten Pferdeboxen von Tom Burr oder die latent sadomasochistisch-medizinische Skulptur von Tatiana Trouvé gehen im Strom der Besucher mehr oder weniger unter. Das Publikum eilt von Videoscreen zu Videoscreen, weil neben dem Fleisch der Ausstellung alles andere sekundär erscheint.
Damit bestimmen die 18 hängenden Bildschirmboxen mit Sexfilmen, die über den re­gulären Gebrauchsporno hinausweisen, und die am Ende der Ausstellung stehende »Rainbow-Wall« mit ihrer nach Farben geordneten Mas­se an kommerzieller Pornografie die Dramaturgie der Ausstellung. Gezeigt werden Film­arbeiten von Jean Genet, »Indie-Pornograf« Richard Kern, Queer-Filmer Bruce La Bruce und Transgender-Aktivist/in Tobaron Waxmann neben kommerzieller Ware wie dem postapokalyptischen Porno »Café Flesh« von 1982 oder dem Film »Real Dolls«, in dem der dicke, behaarte Ron Jeremy eine Sexpuppe fickt, die sich immer wieder in eine reale Frau verwandelt. Ärgerlich ist bei der Präsentation vor allem, dass bei keinem der Filme, auch nicht bei der inhaltlich interessanten Dokumentation »The Naked Feminist« (2003) von Louisa Achille, der Ton deutlich zu hören ist – was das von der Ausstellung vermeintlich konterkarierte Verdikt, bei Pornografie komme es doch sowie­so nur auf das an, was unmittelbar zu sehen sei, auf unglückliche Weise unterstreicht.
Auch wenn das Bemühen spürbar ist, alternative, queere Pornografie-Entwürfe wie jene des französischen Kollektivs Panik Qulture miteinzubeziehen, bleibt eine Version eines weiblichen, heterosexuellen Begehrens weit­gehend unsichtbar, und auch nicht-normierte (weibliche) Körper sind so gut wie nicht vorhanden. Die am Ende der Austellung zu findende riesige Videowand, über die Diedrich Diederichsen auf einer Diskussionsveranstaltung im Wiener Depot meinte, sie sei wohl nur deshalb aufgestellt, weil man damit vorauseilend dem Vorwurf habe begegnen wollen, es sei ja gar keine »richtige« Pornografie zu sehen, weist hier auch keine alternativen Herangehensweisen auf: Egal, ob Bioschwanz aus ­echtem Fleisch, Dildo oder Baseballschläger, es gilt in unermüdlicher Serialität: Kolben rein, Kolben raus. Über die Produktionsbedingungen von Pornografie und das »Dahinter« der Bildproduktion ist in dieser scheinbar mit großer Ratlosigkeit kuratierten Schau nichts zu erfahren.
Zumindest die drei dauergrinsenden Männer, die nach mir die Ausstellung verlassen, scheint das nicht zu jucken. Ins Gästebuch malen sie eine nackte Männerfigur mit erigiertem Riesenpenis, dazu als Überschrift: »Wir waren scharf!!!«

The Porn Identity. Kunsthalle Wien, Wien. Bis 1. Juni