Kritik an Grüner Gentechnik ist antihumanistisch

Obskure Allianzen gegen die Zukunft

Die Kritik an der Grünen Gentechnik speist sich aus einer fortschrittsfeindlichen Wald- und Wiesenromantik, die im Kern Antihumanismus ist.

Letzte Woche triumphierte eine obskure Allianz über das Anbauverbot der gentechnisch veränderten Maissorte MON 810: linke Globalisierungs- und Kapitalismusgegner, rechte Nationalisten, buntgemischte USA-Kritiker, dazu Verteidiger der deutschen Scholle, allerlei esoterisch-okkulte Fortschrittsmuffel und Stammtischspezialisten fast aller Parteien. Es ist an dieser Stelle müßig, sachliche Argumente zur Grünen Gentechik und ihrem erfolgreichen Einsatz in der weltweiten Agrar- und Lebensmittelwirtschaft einzuwerfen. Denn um Sachlichkeit oder Wissenschaftlichkeit geht es in diesem Diskurs schon lange nicht mehr. Was sich unter gesellschaftspolitischem Blick abspielt, scheint die viel bedeutendere Frage.

Seit Jahren werden auf dem Rücken der Biowissen­schaften alberne Schlachten um vermeintlich neue Leitbilder der Gesellschaft ausgefochten. Von Ideologie mag man gar nicht reden, denn für eine solche Bezeichnung bedürfte es auch politischer Visionen. Im vorliegenden Fall dominiert dagegen ein zielloser Nihilismus. Linke Biotech-Kritiker und grüne NGO, die vom maroden Angstzeitgeist profitieren, sind bis heute die Antwort auf die simple Frage schuldig, wie ihr aktuelles »Maschinenstürmen« eine bessere Zukunft für die Menschheit schaffen soll. Statt sich für technischen Fortschritt als Grundlage für mehr Freiheit und Wohlstand einzusetzen, verschanzt sich die deutsche Angstindustrie hinter Verbotsforderungen, die weit über die Biotech-Forschung hinausgehen, und hinter zusammengeschusterten so genannten Studien über alle möglichen Bedrohungspotenziale. Wo doch gerade linke Politik einst für emanzipatorischen Wandel und Fortschritt und gegen konservative und reaktionäre Verfechter des Status Quo aufbrach.
Die »moderne Linke« hat den Konservatismus der Nachkriegszeit rechts überholt. Sie erscheint reaktionär, wenn vorsintflutliche Agrar- und Gesellschaftssysteme als Segnungen deklariert und zugleich Verbesserungen der weltweiten Ernährungslage aufgrund effizienterer Technologien mutwillig diskreditiert werden. Die Aufklärung und die mit ihr einhergehende Wissenschaftsrevolution und Demokratieentwicklung beäugt man argwöhnisch so wie einst die Wald- und Wiesenfans der deutschen Romantik und späterer unerfreulicher Epochen der Geschichte. Mangels eigener Zukunftsvisionen ergötzen sich Teile der wohlsituierten »Linken« an Bildern der drohenden Apokalypse. Man schwelgt in der Menschenverachtung. Die immerzu gleiche Auffassung, die sich in vielen grünen und linken Positionen spiegelt (so auch in den Antigentechnikkampagnen) lautet: Der Mensch ist eine miese, zer­störerische Kreatur und gehört mitsamt Fortschritts- und Wissensdrang an enge Ketten gelegt.

Dass der Antihumanismus zum neuen Leitbild unseres Kulturkreises aufsteigen konnte, hat jedoch nichts mit inhärenter Dynamik links-grüner Strömungen zu tun. Wir erleben keinen Aufbruch zu neuen Ufern, sondern ernten vielmehr modrige Abfallprodukte des Niedergangs linker Alternativen. Entscheidend für diese Wende ist der Bankrott der bürgerlichen Parteien. Sie haben auch keinen Plan mehr, wie sie die Gesellschaft voranbringen und zusammenhalten können. Der Kalte Krieg, der über Jahrzehnte den ideologischen Kitt für die Geschlossenheit ihres Lagers bot (eingebunden war u.a. die Wertschätzung wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns), ist Geschichte. In das geistige Vakuum waberte der misanthropisch-grüne Zeitgeist. Die Politik konzentriert sich seither auf technokratisches Krisenmanagement und die Abwehr von Weltuntergängen.
Als Bindeglied zwischen Ökoängsten und Parlamentarismus fungiert die neu erfundene Verbraucherschutzpolitik. Sie adressiert nicht den mündigen Bürger bei der Werbung um politische Zukunftsprogrammatik. Lieber bemuttert und entmündigt sie zusehends verunsicherte Verbraucher, denen (wie bequem gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise!) auf den Bauch gepinselt wird, die Gattungsfrage entscheide sich vor dem Supermarktregal oder (um aufs Thema zurückzukommen) auf der »gentechnikfreien« bayerischen Ackerscholle. So erklärt sich die neu-deutsche Eintracht beim Boykott einer (weiteren) Zukunftstechnologie. Ilse Aigners CSU ging es um nichts anderes, als rechts-grünen Splittergruppen wie der ÖDP, die durchs Bayernland ziehen, vor der Europawahl den Schneid abzukaufen und sich gleichzeitig bei der rot-grünen Öko-Schickeria in den Großstädten zu profilieren. Solche bornierten Eiertänze dürften im »Superwahljahr« 2009 Standardprogramm werden. Umso dringender braucht es eine neue und ehrliche Debattenkultur und wirkliche Alternativen.

Der Autor ist Chefredakteur des Magazins »Novo« (novo-argumente.com). Soeben ist ein neues Buch von ihm erschienen: »Warum Angst vor Grüner Gentechnik? Wie Fortschritt in den Biowissenschaften verhindert wird«, Projekte-Verlag, Halle 2009, 28,50 Euro