Der antisemitische Komiker Dieudonné will zur Europawahl antreten

Du Verfemter!

Der französische Theatermacher Dieudonné möchte zur Europawahl antreten. Er sucht Mitstreiter, die seinen antisemitischen Antizionismus teilen.

Wenn nach der Wahl das neue Europa-Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommt, wird nicht wie bisher der Alterspräsident die Eröffnungsrede halten. Denn dies wäre die Aufgabe Jean-Marie Le Pens vom Front National (FN) gewesen, der im Juni 81 Jahre alt wird. Mit überwältigender Mehrheit stimmten die amtierenden Abgeordneten für eine entsprechende Veränderung der Geschäftsordnung.

Erst Ende März hatte Le Pen einen Skandal im Europa-Parlament hervorgerufen, als er zum wiederholten Mal sagte, die Frage der Existenz von Gaskammern in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern sei für ihn »ein Detail der Geschichte«. Mehrfach ist der Vorsitzende Chef des FN in der Vergangenheit bereits für solcherlei Auslassungen gerichtlich verurteilt worden. Ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen seiner jüngsten Aussage läuft.
Le Pen ist nicht der einzige einschlägig bekannte französische Rechtsextremist, gegen den derzeit wegen antisemitischer oder geschichtsrevisionistischer Äußerungen ermittelt wird. Auch dem Theatermacher Dieudonné M’bala M’bala – er ist unter seinem Vornamen, der auch sein Künstlername ist, bekannt – droht eine Strafe. Seit einigen Wochen prüft die Staatsanwaltschaft Paris, ob der Auftritt Dieudonnés am 26. Dezember vergangenen Jahres im Konzertsaal Le Zénith den Tatbestand der Holocaustleugnung erfüllt.
Damals ließ Dieudonné, der selbsternannte Volkstribun der »vom Establishment mundtot Gemachten«, einen anderen französischen Holocaustleugner, den 80jährigen Robert Faurisson, auftreten, und ein Assistent in KZ-Häftlingskluft überreichte diesem den »Preis der Verfemten« (»prix de l’infréquentabilité«). Die Staatsanwaltschaft ist der Auffassung, der Tatbestand der Holocaustleugnung könnte wegen unzweideutiger Anspielungen erfüllt sein. Vor wenigen Ta­gen wurde bekannt, dass ein Gerichtsverfahren in dieser Sache auf den 5. Mai angesetzt ist.

Unterdessen schmiedet Dieudonné Pläne. Er möchte mit einer eigenen Liste zur Europawahl am 7. Juni in der Hauptstadtregion Ile-de-France antreten, wie er Ende März ankündigte. Zwar ist der Name der Liste noch nicht bekannt, wohl aber einige seiner Mitstreiter. Denn Dieudonné lancierte nicht nur einen »Aufruf an alle Verfemten« (»appel à tous les infréquentables«), die, wie er selbst, angeblich Opfer einer »Gedankenpolizei« geworden seien, sondern nannte auch Namen.
So wird etwa der »rot-braune« frühere Linke Alain Soral auf der Liste stehen, der im Februar 2006 dem Front National beitrat war, die Partei aber Anfang Februar dieses Jahres wieder verlassen hat. Niemand anderes als Soral war es, der Jean-Marie Le Pen und Dieudonné in den vergangenen Jahren einander näher brachte. Im Zeichen eines angeblichen »republikanischen Na­tionalismus«, der bei Soral jedoch vor allem anti­semitischer Art ist, hatte der Schriftsteller von einer – wie Rechtsextreme sagen würden – »gemischtrassigen« nationalistischen Partei geträumt. Soral verließ den FN, weil nicht er als Spitzenkandidat für den Raum Paris zur Europawahl nominiert wurde, sondern Jean-Michel Dubois, ein Vertreter der mittelständischen Unternehmer in der rechtsextremen Partei. Soral titulierte Dubois auf einer Pressekonferenz als »Stotterer, Schwachkopf und Zionist«.
Weiterhin rief Dieudonné den schwarzen Rassisten und Antisemiten Kémi Séba, der mit bürgerlichem Namen Stellio Capochichi heißt, zur Kandidatur auf der Liste auf. Gegen Kémi Séba, der früher als Chef der inzwischen verbotenen Splittergruppe Tribu K auftrat und nunmehr ein neues ethno-differenzialistisch argumentierendes Grüppchen mit dem Namen »Bewegung der Verdammten des Imperialismus« (MDI) anführt, laufen zahlreiche Strafverfahren. Er lehnte es jedoch ab, Dieudonnés Liste zu unterstützen.
In einem kurzen Video, das unter anderem auf rechtsextremen Blogs gepostet wurde, erklärt Kémi Séba die Gründe dafür. Er schätze Dieudonné, sagt er dort, aber es gebe auch Kandidaten auf seiner Liste, denen er »nicht die Hand geben würde«. Ferner bemängelte Kémi Séba Dieudonnés Kritik am Kommunitarismus, die dieser auf einer Pressekonferenz im März vorgetragen hatte – wobei er sich freilich ausschließlich auf den »jüdischen Kommunitarismus« als angebliche Gefahr für die Republik bezog. Kémi Séba bekennt sich ausdrücklich zum Kommunitarismus. Das bedeutet für ihn, dass sich die schwarze Bevölkerung vorrangig auf sich selbst und ihre eigenen Interessen beziehen und von Universalismus, Antirassismus und »Rassenmischung« Abstand halten solle.
Dieudonné appellierte ebenfalls an Ginette Skandrani, die in den neunziger Jahren aus der grünen Partei ausgeschlossen worden war, weil sie den Holocaust angezweifelt hatte. Mit von der Partie soll, geht es nach Dieudonné, auch Thierry Meyssan sein. Der frühere antifaschistische Journalist, der während der neunziger Jah­re in der Initiative »Réseau Voltaire« tätig war und kritische Schriften über die extreme Rechte und konservative Lobbyorganisationen verfasst hatte, driftete nach dem 11. September 2001 in verwegene Verschwörungstheorien ab. Außerdem näherte er sich rechtsextremen Intellektuellen an, insbesondere dem Verschwörungstheoretiker Emmanuel Ratier.

Als inhaltliche Grundlage für die Liste, die bis Mitte Mai zusammengestellt sein muss, nannte Dieudonné auf seiner Pressekonferenz neben »dem Antikommunitarismus« auch »den Antizio­nismus«, der für ihn schon beinahe als Weltformel, auf jeden Fall aber als Hauptideologie dient. Es besteht keinerlei Zweifel daran, dass sein Antizionismus keinerlei Bezug zu jener Kritik an der israelischen Nationalideologie aufweist, wie sie etwa von Angehörigen der israelischen Linken oder von der jüdisch-arabischen Liste Chadasch geübt wird, sondern dass es sich ausschließlich um eine Chiffre für einen mit Paranoia unterlegten Antisemitismus handelt.
Systematisch setzt Dieudonné »Judentum« mit »finanziellen Interessen« besonders finsterer Art gleich und nennt in dieser Reihe auch »Sklavenhaltertum« und »Kolonialismus«. In seiner Antrittsrede auf der Pressekonferenz sprach Dieu­donné dementsprechend von »diesem zionistischen System«, das in Frankreich herrsche.