Serie über Serien: »Curb you Enthusiasm«

Inkorrektes Hosen-Zelt aus Stoff und Sorgen

Serie über Serien. In »Curb your Enthusiasm« hat Andreas Hartmann den genialen »Seinfeld«-Spin-off entdeckt

Curb Your Enthusiasm« ist eine Sitcom, ungefähr so wie »Twin Peaks« eine Mystery-Serie ist oder Dostojewskis »Schuld und Sühne« ein Kriminalroman. Man wird hier auf einem Niveau unterhalten, das für deutsche Fernsehverhältnisse so unvorstellbar hoch ist, dass es wohl kein Wunder ist, dass »Curb« in den USA zwar über mehrere Staffeln erfolgreich auf dem Bezahlsender HBO lief, sich hierzulande jedoch niemand für die Serie interessierte. »Curb« ist zu gut für das deutsche Fernsehen, man muss es wohl genau so schlicht sagen.
Das Konzept der Serie ist so simpel wie brillant. Larry David, Miterfinder und Co-Produzent der extrem erfolgreichen Sitcom »Seinfeld«, spielt sich mehr oder weniger selbst, auch sein Umfeld in der Wirklichkeit, seine direkten Freunde und seine Ehefrau sind fiktiv-reale Mischcharaktere. Das ergibt eine Art Reality-Fiction oder wie immer man das nennen mag. Larry David ist jedenfalls auch in »Curb« genau der Larry David, der »Seinfeld« mitproduziert hat, eine Mischung aus Woody Allen und Philip Roth, der schildert, wie er sein Leben nach dem großen Erfolg regelt. Bezeichnenderweise plant er, eine neue Sitcom auf die Beine zu stellen, die sich um »Seinfeld«-Darsteller drehen soll, die so sehr auf ihre »Seinfeld«-Rollen festgelegt sind, dass sie nicht mehr aus diesen herauskommen.
Larry David ist Neurotiker, doch die Umgebung, in der er sich bewegt, ist dann meistens noch weit neurotischer als er selbst. Was David auch anstellt, irgendwas läuft immer schrecklich schief. Was wohl auch daran liegt, dass unser Mann ein typisch jüdischer Ostküstenintellektueller ist, der aber nun mal nicht in New York lebt, sondern in Santa Monica bei Los Angeles. Ein Feingeist trifft hier also nicht auf ein ähnlich gelagertes, eher europäisch orientiertes Intellektuellen-Milieu, sondern auf dieses Kalifornien-Amerika der reinen Oberfläche, in dem sich David einerseits zwar auch wohl fühlt, andererseits aber auch wieder gar nicht. Diese Welt, in der er sich bewegt, besteht aus lauter Bullshit, aus Regeln und Codes, die andere einfach hinnehmen, die er aber andauernd in Frage stellen muss, was ihn permanent unglaublich komische Situationen durchleiden lässt.
Er kauft ein Geschenk, bekommt aber nicht sofort das Geschenkpapier dazu. Warum nur ist das so? Scheinbare Lappalien wachsen in »Curb« urplötzlich zu wahren Katastrophen an, und so grotesk dies auch meist erscheinen mag, unsere Sympathie gehört trotzdem eigentlich immer David, weil er sich mit all dem Unsinn anlegt, der einen selbst auch schon immer schier in den Wahnsinn getrieben hat. Larry David kämpft für uns alle, am Ende erscheint sogar ausgerechnet er als der einzig Vernünftige in einer verrückten Welt.
Ständig macht er sich Sorgen, denn er ist keinesfalls der Typ Mensch, dem es egal ist, was seine Umwelt über ihn denkt, und genau bei dem Versuch, alles richtig zu machen, landet er oft in peinlichen Schwierigkeiten. In der ersten Folge der ersten Staffel macht er sich Gedanken darüber, warum seine Cordhose beim Sitzen unter dem Bund eine Art Zelt bildet und was andere Leute darunter vermuten könnten. Seine Frau beruhigt ihn, dass jeder weiß, dass Hosen schon mal Falten werfen können, aber schon beim Kinoabend mit der besten Freundin der Ehefrau kommt es zu Missverständnissen, und am Ende steht eine Aussprache an, bei der er erklären muss, dass sich hier wirklich nur der Hosenstoff aufgebäumt hat.
Er macht einen politisch unkorrekten Witz, den plötzlich niemand als Witz versteht. Er will etwas richtig machen, und schon läuft wieder alles schief, genau dieses Problem kennt wohl jeder von uns. Wie David es auch angeht, überall lauern Fallen, in die er tappt, niemand scheint ihn wirklich zu verstehen, nicht einmal seine besten Freunde, die ihn ebenfalls regelmäßig auflaufen lassen, was dazu führt, dass er sich am Ende doch bei ihnen entschuldigen muss, und wenn es ganz schlecht läuft, auch noch bei den Eltern, weil die seinen äußerst harmlosen Holocaust-Witz nicht mochten.
Gastauftritte von Hugh Hefner, John McEnroe und vielen anderen Helden der Popkultur gibt es in dieser grandiosen Serie obendrein.