Die Probleme und Forderungen von Intersexuellen

Gratuliere, es ist ein Zwitter!

Warum nicht ein drittes Geschlecht offiziell anerkennen? Die Belange von Intersexuellen waren Thema im Hamburger Gesundheitsausschuss.

Als »geschlechtszuweisend« werden jene Operationen bezeichnet, bei denen aus den Genitalien von Neugeborenen, die nicht eindeutig als männlich oder weiblich klassifizierbar sind, meistens weibliche geformt werden. Wie mit den teilweise verheerenden Folgen dieser Eingriffe umgegangen werden kann, darüber wurde Mitte voriger Woche im Hamburger Rathaus diskutiert. Wissenschaftler und Intersexuelle waren zu einer öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss zusammengekommen.

Eine dringende medizinische Notwendigkeit für »geschlechtszuweisende« Eingriffe gebe es nie, erläuterte der Lübecker Medizinprofessor Olaf Hiort. Weil viele Eltern in Sorge um ihr Kind annehmen, dass es für die Operation im Säuglings­alter dennoch zumindest eine soziale Notwendigkeit gibt, setzen Ärzte trotzdem noch immer in vier von fünf Fällen das Skalpell an. Dies ergab eine aktuelle Studie der Universität Lübeck.
Früher wurden die Kinder häufig auch später nicht über die Gründe für ihre Operationsnarben aufgeklärt – die Theorie, sie würden sich auf diese Weise besser in die ihnen zugewiesene Geschlechtsrolle »einfügen«, gilt immerhin inzwischen als widerlegt. Lucie Veith vom Verein Intersexuelle Menschen berichtete allerdings von den Schwierigkeiten vieler Intersexueller, die heutzutage Genaueres über die vorgenommenen Eingriffe erfahren wollen. Offenbar fürchteten viele Krankenhäuser Schmerzensgeldprozesse. Oft heiße es, die Akten seien verschollen oder vernichtet. »Mir wird damit ein wichtiger Teil meines Lebens vorenthalten«, sagte Veith.

Neben den Forderungen nach einer besseren Schulung für Ärztinnen und Ärzte und einer unbürokratischen Entschädigung von Intersexu­ellen, die ohne ihre Einwilligung verstümmelt wurden, kam ein interessanter Vorschlag bereits vor der Anhörung zur Sprache: Die Bezeichnung »Zwitter« war in Deutschland einst sogar in amtlichen Dokumenten zu finden. Einigen In­tersexuellen schwebt Ähnliches für die Zukunft vor. Anders als heute stellte es im preußischen Recht des 19. Jahrhunderts nämlich kein Problem dar, ins Geburtenregister nicht »männlich« oder »weiblich«, sondern etwas Drittes eintragen zu lassen. Die Hamburger SPD-Politikerin Anja Domres etwa erwog, ob nicht das Personenstandsrecht wieder in dieser Weise geöffnet werden könnte. Das würde zwar die Situation verunsicherter Eltern nicht einfacher machen. Denn nicht die Ämter sind es, die Eltern und Ärzte dazu zwingen, die Kinder schmerzhaften Operationen zu unterziehen (die Behörden zwingen sie »nur« dazu, die Frage nach dem Geschlecht in bestimmter Wei­se zu beantworten). Eher sind es die vorherrschenden Vorstellungen von Geschlecht.
Ganz unbeeinflusst von rechtlichen Vorschriften sind diese aber vielleicht auch nicht, weshalb die offizielle Anerkennung eines »dritten Geschlechts« etwa auch zu den Forderungen des Vereins Intersexuelle Menschen gehört. Dem Anliegen von Queer- und Transgender-Gruppen, die behördliche Registrierung von Geschlechtern abzuschaffen, läuft das natürlich zuwider. Aber zumindest, so der Gedanke, braucht ein Kind, das ein anerkanntes Geschlecht hat, keines mehr auf dem OP-Tisch »zugewiesen« zu bekommen.