Straßenkinder in Kalkutta

Beten und browsen

Computerkurse, Hoffnung und drei warme Mahlzeiten täglich. Boris Bocheinski (Fotos) hat sich ein Kinderheim in Kalkutta angesehen und die potenziellen Slumdog Millionaires porträtiert. Heike Karen Runge (Text) stellt das Projekt »Homes of Hope« vor

Zu Kalkutta fallen einem die Straßenkinder, die Armut und Mutter Teresa ein. Günter Grass fiel dazu »ein Haufen Scheiße, wie Gott ihn fallen ließ und Kalkutta nannte«, ein. Grass’ Zeiten als Dritte-Welt-Bummler sind vorbei, Mutter Teresa lebt nicht mehr, und die indische Stadt versucht längst, ihr Image als Elendsmetropole loszuwerden, und kehrt ihre lange Tradition als Stadt der kulturellen Vielfalt heraus. Zum Standort Kalkutta gehören dann auch so überraschende Aspekte wie eine Independant-Filmszene, die sich als Antagonist zu der in Bombay angesiedelten Bollywood-Industrie versteht.
Auch wenn die Armut vielleicht nicht mehr ganz so sichtbar ist wie noch vor ein paar Jahrzehnten, gibt es sie, die vielen Straßenkinder, die kein funktionierendes Familienleben kennen, keine Schule besuchen, kein Dach über dem Kopf haben.
Für Kalkuttas Problemjugendliche wurde 1985 von einer indischen NGO das Ashalayam, nach dem Sanskrit-Wort für »Heime der Hoffnung«, gegründet, das verwaisten, verstoßenen und misshandelten Jungen und Mädchen Zuflucht und Perspektive bieten will. Getragen wird das Projekt, das mehrere Heime in Kalkutta und eins im Grenzgebiet zu Bangladesh unterhält, von den zum katholischen Don-Bosco-­Orden gehörenden Salesianern, die sich ganz im Sinne ihres italienischen Gründungsvaters weltweit für den vernachlässigten Nachwuchs engagieren, und zwar unabhängig von Herkunft und Religion.
Zusammen mit vier hauptamtlichen Mitarbeitern, die mit den Kindern wohnen, lernen und arbeiten, sowie einem Netzwerk aus rund 150 Helfern organisiert der Direktor des Projekts, George Chempakath­niat, das alltägliche Leben im Heim, aber auch eine Reihe von Informationsveranstaltungen, um die Straßenkinder zu erreichen.
Eine Hotline wurde geschaffen, wo Kinder kostenlos anrufen und Hilfe anfordern können. Mit mobilen Schulen und Kliniken vor Ort versucht man auch, an diejenigen heranzukommen, die weiterhin auf der Straße leben. Regelmäßig finden im Heim so genannte Melas statt, das ist eine Mischung aus Event und Tag der Offenen Tür, zu der rund 8o Kinder eingeladen werden.
Die Teilnehmer haben Gelegenheit, sich zu waschen, sie werden medizinisch betreut, es gibt Spiele, Diskussionsrunden und Aufklärung über Themen wie Drogen und Sexualität. Einerseits werden die Kinder in traditionellen Tätigkeiten wie der Getreide­aufbereitung unterrichtet, andererseits sollen sie zukunftsfähig gemacht werden. Besonders stolz ist man deshalb auf den vollklimatisierten Computer-Raum, wo sich die Heimjugend mit der Technik vertraut machen kann. Und gebetet wird mit den potenziellen Slumdog Millionaires im katholischen Heim natürlich auch.