Der »Anti-Islamisierungkongress« in Köln

Déjà-vu in Köln

Diesmal hat es der rechtsextreme Verein Pro Köln geschafft. Sein »Anti-Islamisierungskongress«, der vergangenes Jahr an den starken Protesten scheiterte, konnte am Wochenende stattfinden, und er war ein gewaltiger Flop. Nur wenige Anhänger kamen nach Köln, die so genannte Zivilgesellschaft »stellte sich quer«.

Schon lange haben die Räume des Standesamtes im Kölner Stadtteil Ehrenfeld kein Sonnenlicht mehr gesehen. In Ermangelung zünftiger deutscher Hochzeiten blieben die Läden seit Wochen verschlossen. Und auch von den Straßen scheint die europäische Hochkultur verbannt. Nur noch selten sieht man eine schwarz-rot-goldene Fahne hinter vertrocknetem Efeu. In diesem Stadtteil soll die seit Jahren umstrittene Großmoschee ent­stehen.

»Hat Pro Köln doch recht?« lautet der Titel eines Werbevideos, das der rechtsextreme Wählerverein vor einigen Wochen ins Netz stellte. Untertitel: »Der Anti-Islamisierungskongress – Was Medien und Politik verschweigen«. Wer in dem 13minütigen Film, in dem sich Pro Köln mit den Verfolgten aus der NS-Zeit vergleicht, keine Antwort gefunden hat, konnte sich am Wochenende beim »Anti-Islamisierungskongress 2009« ein eigenes Bild davon machen, wie es mit der »Islamkritik« in Köln bestellt ist.
Die drei Kundgebungen am Freitag in Leichlingen, Leverkusen und Dormagen waren der Auftakt für den dreitägigen Kongress der selbsternannten »Bürgerbewegung« Pro Köln. Am frühen Morgen ging es von Leverkusen aus zur Kund­gebung nach Leichlingen, noch eine erste Pressekonferenz in Köln, dann direkt in den Nieselregen auf dem Dormagener Marktplatz. Die ständigen Fahrten in überfüllten Sammeltaxis, die immergleichen Reden, das Dauergrinsen des Vereinsvorsitzenden Markus Beisicht und die Schmährufe der Gegendemonstranten gehörten zum Programm. An diesem Tag feierte Pro Köln gleich dreimal die »neue Internationale der Nationalen« und vor allem sich selbst, mehr als 70 Leute konnte sie allerdings nicht auf die Beine bringen.
In Dormagen sprach unter anderem Adriana Bolchini Präsidentin der italienischen »Beobachtungsstelle für italienisches und internationales Recht«. Gekonnt vermittelte sie den Zusammenhang zwischen der Ehrenfelder Großmoschee, »Ausländerkriminalität« und italienischem Rechts­populismus. Zum Abschluss ihrer Rede quoll Adriano Celentanos »Azzurro« aus den Boxen, dann war kein Halten mehr: »Wir sind das Volk!« schallte es in Adrialaune. Auch Daniel Schöppe, Spitzenkandidat der »Bürgerbewegung« Pro NRW für Dormagen, wusste, was dieses Volk zu hören wünscht: »Bei den Kommunalwahlen hier in Dor­magen gibt es keine Fünf-Prozent-Hürde. Das heißt, wir kommen auf jeden Fall ins Rathaus. Man kann uns nicht mehr aufhalten. Man kann uns nicht mehr verhindern, weil wir so erfolgreich sind!« Nicht aufzuhalten war jedenfalls einer der Gegendemonstranten, der bis zur Bühne gelangte und dort die überdimensionale Deutsch­land-Flagge entfernte.
Am Abend versammelten sich in Köln knapp 800 Menschen unter dem Motto: »Europa. Deutsch­land. Köln. Alles Scheiße!« vor dem Kölner Haupt­bahnhof. Anlass der antinationalen Demonstration war nicht nur der »Anti-Islamisierungskongress«, sondern auch die Erinnerung an den 8. Mai 1945. Nach 150 Metern wurde der Zug erstmals von der Polizei gestoppt. Die Transparente seien verknotet und würden zu hoch gehalten, die Teilnehmer vermummt, hieß es. Bereits im Vorfeld hatte der Einsatzleiter der Kölner Polizei, Die­ter Klinge, angekündigt, am gesamten Wochenende strikt gegen »gewaltbereite Demonstranten« vorzugehen. Die zahlenmäßig weit überlegenen Beamten blieben dennoch freundlich und zuvorkommend. Nach kurzem Zögern und anschließendem Schwenken der abgelegten Vermummung durfte die Demonstration dann auch weiterziehen. Die geplante Route konnte jedoch nicht eingehalten werden. Die Polizei ließ den Demons­trationszug nicht in die Nähe des Pro-Köln-Büros kommen, und die Veranstaltung musste vorzeitig abgebrochen werden. Klinge ist in Köln bekannt und umstritten. Mit seinen Warnungen vor dem »Kampf der Kulturen« und einer drohenden mus­limischen Machtübernahme ab dem Jahre 2035 sorgte er in der lokalen Presse für Schlagzeilen und gilt seither vielen als Freund der Pro-Kölner.

Am Samstagmorgen versammelten sich Pro- und Gegendemonstranten nach und nach am Bahnhof Deutz. Die Polizei stufte viele von ihnen offen­bar nicht als besonders bedrohlich ein, das Gelände füllte sich langsam mit Anhängern der Rechts­populisten sowie mit ihren Gegnern. Beide Gruppen waren am Ende mit knapp 200 Personen vertreten. Die Szenerie rund um den Barmer Platz, wo der Kongress stattfinden sollte, wurde immer absurder. Kahlrasierte Schlägertypen schunkelten gemeinsam mit kahl gewordenen Schlagertypen zu »O la Paloma Blanca«, im Hintergrund schrien sich Linksradikale und Vertreter der so ge­nannten Zivilgesellschaft gemeinsam die Seele aus dem Leib. Währendessen hatte die Polizei offenbar vor allem ein Problem: Wer soll hier vor wem geschützt werden? Die Versammlung vor den Störern, die Störer vor den Ordnern des niederländischen Vlaams Belang oder Filip Dewinter vor seinem aufdringlichen Gastgeber Markus Beisicht? Trotz der immer wieder aufkommenden Proteste konnte der Kongress jedoch seinen geplanten Verlauf nehmen.

Auch der Protest außerhalb des Barmer Platzes verlief ganz nach Plan. Pünktlich traf der Demonstrationszug des Bündnisses »Köln stellt sich quer« von der anderen Rheinseite in Deutz ein. Im Laufe des Vormittags vereinten sich vor dem Deutzer Bahnhof sämtliche Protestformen der Nation. Vertreten waren neben dem schwarzen Block der alternative Karnevalsverein, einige Bikerclubs, verschiedene Clowns und der Kölner DGB. Die Mehrzahl der Anwesenden vermochte die Situation offensichtlich bald richtig einzuschät­zen. Bereits am frühen Nachmittag verlagerten sich die Prioritäten unaufhaltsam vom antirassistischen Protest auf Bier und Musik. Andreas Kossiski, Vorsitzender des Kölner DGB, sprach ge­genüber der Jungle World von einem »großen Erfolg der gesamten Bündniskampagne«. Am Abend meldete die Polizei für beide Tage insgesamt zehn Festnahmen: zwei Rechte, sieben Linke sowie »Bürger ohne besondere politische Orientierung«. Dem Ermittlungsausschuss Köln zufolge sind am Samstag insgesamt 16 Festnahmen angezeigt worden. Am Protest beteiligten sich nach Polizeiangaben rund 2 000 Menschen.
Pro Köln sieht es anders. Mit »rund 1 000 Teilnehmern auf der großen öffentlichen Hauptkundgebung« sei der Anti-Islamisierungskon­gress ein »phänomenaler Erfolg für die Pro-Bewegung« gewesen, ließ der Verein am Sonntag auf seiner Internetseite verkünden. Am Montagmorgen war aus dem Kongress bereits ein »historischer Meilenstein in der Geschichte der Pro-Bewegung« geworden. Für die Kommunalwahl im August rech­ne man in Köln nun »mit einem echten politischen Erdbeben«.
Ob das als eine ernsthaft zu nehmende Drohung zu verstehen ist, ist zweifelhaft. Auch für den Kongress hatte Pro Köln mit Tausenden Teilnehmern gerechnet. Zum »mickrigen Treffen«, wie Oberbürgermeister Fritz Schramma die Veranstal­tung bezeichnete, waren nach Polizeiangaben nicht mehr als 200 Rechte gekommen.