LeserInnenworld

Jungle World 19/09: »Härter, lauter, rechter«
Kontraproduktiv
Mit einigem Kopfschütteln habe ich den Artikel gelesen. Es ist natürlich erfreulich, dass das Thema der Unterwanderungs- bzw. Umdeutungsversuche von bestehenden – originär nicht rechten – Subkulturen wie der Punk- und Hardcore-Szene durch organisierte Neonazis in einer breiteren Öffentlichkeit thematisiert wird. Unerfreulich wird es allerdings, wenn dies in einer undifferenzierten und in­haltlich extrem flachen Art und Weise geschieht. Es müssen Gegenstrategien entwickelt werden, allerdings setzt dies zunächst eine genaue Analyse der bestehenden Situation voraus. Insbesondere die Frage, warum bestimmte Subkulturen interessant für Neonazis zu sein scheinen und diese hier Anknüpfungspunkte für sich zu entdecken glauben, muss im Mittelpunkt stehen. Die vom Autor gelieferte Antwort auf diese Frage lautet: Weil die Hardcore-Szene immer ästhetische Anknüpfungspunkte bot und im Gegensatz zum US-Hip-Hop nie mi­grantisch geprägt war. Dies greift zu kurz. Abgesehen von der Tatsache, dass diese Behauptung einfach nicht stimmt (empfohlen sei die Beschäftigung mit den Besetzungslisten vieler alter und neuer Hardcore-Bands), sind die Ursachen mit Sicherheit vielschichtiger. Doch wenn man die Sozialdarwinisten-Combo Agnostic Front als »linke« Band bezeichnet, kann man nicht viel an fundierter Analyse erwarten.
Dieser Artikel ist kontraproduktiv für die Bemühungen von antifaschistischen und antirassistischen Strömungen in der Punk- und Hardcore-Szene, die sich aktiv gegen rechte Umdeutungsversuche wehren. Mit freundlichen Grüßen
C. Werner