Serie über Serien: »Baywatch«

Sex on the beach?

Serie über Serien. »Baywatch«: Das sind Scharen von Playmates in orange­farbenen Badeanzügen.

Bei einer Serie über Serien darf die wohl bekannteste Fernsehserie der abendländischen Geschichte nicht fehlen. Der 243 Folgen umfassende TV-Dauerbrenner »Baywatch«, 1989 ins Leben gerufen, wurde zwischenzeitlich in 144 Ländern ausgestrahlt und gilt als tatsächlich erfolgreich­ste Fernsehserie des 20. Jahr­hunderts. Zu diesem Ruhm gelangte das Planschvergnügen für die Wohnzimmer­unterhaltung allerdings erst, nachdem David »The Hoff« Hasselhoff 1991 die Produktion übernommen hatte. Er entwickelte ein geniales Marketingkonzept, mit dem er sein sensibles Gespür für den Zeitgeist der frühen Neunziger unter Beweis stellte. Die Zeiten der sexuellen Befreiung in den Sechzigern und Siebzigern waren längst vorbei, und die Achtziger hatten eigentlich nichts außer Neon­farben und Punk hervorgebracht – es wurde also Zeit, endlich die süßen Früchte der Achtundsechziger-Revolte zu kosten.
Zehn Jahre lang umsorgte Bademeister Mitch Buchannon, den Hasselhoff verkörperte, mit seinen ständig wechselnden Badehäschen die Strandgäste. Dies gelang unter anderem mit grandiosen Kunst­griffen wie einem Schauplatz­wechsel nach Hawaii, Einblicke in Mitchs nächtlichen Nebenjob als Detektiv und der finalen Sause in Spielfilmlänge in dem Reißer »Baywatch: Hochzeit auf Hawaii«.
»Baywatch« begeistert nicht etwa durch komplexe Handlungsstränge. Vielmehr liegt die eigentliche Unterhaltung gerade in der inhaltlichen Banalität. Darüber hinaus – gewollt oder ungewollt – überschatten Aussehen und Bekleidung der Darstellerinnen jedweden Anspruch auf inhaltlichen Tiefgang.
Was eignet sich zur Feier der Oberflächlichkeit besser, als ein paar knackige Playmates in knallenge orangefarbene Badeanzügchen zu stecken und in Zeitlupe am Strand entlanghüpfen zu lassen? Dieses erotische Spektakel hatte auf einen pubertierenden, prokrastinierenden Teenager – an dieser Stelle rede ich auch von mir – stets eine faszinierende, oft hypnotisierende Wirkung.
Dementsprechend sollte dieser Text eigentlich eine Ode an genau diese Rettungsschwimmerinnen in den knappen Badeanzügen sein. Eine einzige Folge »Baywatch«, erneut gesehen, rief allerdings eher Ratlosigkeit bei mir hervor. Die Erkenntnis reifte: Ich habe nicht nur meine Jugend mit stumpfsinniger Serien­unter­haltung am Frühnachmittag verschwendet, worunter vor allem meine heutigen Französisch­kennt­nisse leiden, sondern weitaus mehr aufs Spiel gesetzt. Heute weiß ich, dass David Hasselhoff eine bessere Zukunft zerstört hat. Für mich und überhaupt. Denn »Baywatch« ist mehr als eine banale Serie, sie ist die Keimzelle eines Körperkults, der heute in alle Bereiche des Alltags hineinwirkt. Darstellerinnen wie Pamela Anderson, Carmen Electra, Erika Elaniak oder Donna D’Errico sorgten schließlich nicht nur für hohe Einschaltquoten, sondern auch für komplex­beladene Zuschauerinnen.
Das Schönheitsideal, das Pam und die anderen verkörperten – perfekte California-Girls-­Bodys –, wurde durch den bewusst dargestellten optischen Kontrast zu anderen Figuren in der Serie verstärkt. Die Idealisierung der Bademeisterbande gelang noch besser in der Gegenüberstellung von hässlichen, alten oder behinderten Menschen in den Nebenrollen. Statt »Some people stand in the darkness/afraid to step into the light«, so wie es in den ersten Textzeilen des »Baywatch«-Titelliedes heißt, sollte die Botschaft der Bademeister besser lauten: »Bleib in der dunklen Umkleide, wenn du hässlich bist«.
David Hasselhoff selbst ist dabei der große Guru einer sakralen Körperinszenierung, der seine Anhänger auch mit Selbsthilferatgebern wie »Bodywatch« und seiner Biographie »Making Waves« folterte. Für einen Bademeister hat er es dann doch ziemlich weit gebracht.