Obama, der Iran und die arabischen Regierungen

Warten auf die Bombe

Barack Obama will die Beziehungen zum Iran verbessern. Die arabischen Regierungen hingegen fürchten die wachsende Macht der Ayatollahs.

Eigentlich müssten sie sich doch freuen, die arabischen Regierungschefs in Ägypten und Jordanien, dass nun im Weißen Haus ein Präsident regiert, der erklärtermaßen die Schaffung eines palästinensischen Staates bis 2012 zu einem der wichtigsten Ziele seiner Nahost-Politik erklärt hat. Barack Obama nervt zudem auch keinen der arabischen Potentaten mit Forderungen nach mehr Demokratie und erklärt, er wolle auch mit Staaten wie dem Iran und Syrien verhandeln. Kur­zum, die Zeiten von regime changes und Initiativen, die auf eine Veränderung der politischen Lage in der Region zielten, sind erst einmal vorbei.
Doch in den arabischen Metropolen wächst die Sorge. So sind es nicht nur israelische Kommentatoren wie Caroline Glick von der Jerusalem Post, die dieser Tage feststellen, dass ausgerechnet arabische Führer den neuen US-Präsidenten eindringlich vor Zugeständnissen an den Iran warnen. Der saudische König Abdullah soll sogar so weit gegangen sein, Obamas Initiative zu kritisieren, da das wirkliche Problem der Iran und sein Nuklearprogramm sei.
Wer dieser Tage einen Blick in die ägyptische Presse wirft, dürfte erstaunt sein, welche Töne da gegen den Iran und seine Verbündeten in der Region, allen voran die Hizbollah und die Hamas, angeschlagen werden. Die ägyptische Zeitung al-Jumhurriyet bezeichnete Hassan Nasrallah, den Generalsekretär der Hizbollah, gar als einen »Affen-Sheikh«, Terroristen und ideologischen Ver­bündeten von al-Qaida.

Nicht weil man plötzlich Israel mag, sondern weil man mit dem jüdischen Staat ähnliche Existenzängste teilt, warnen Politiker aus Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien und den Golfstaaten die US-Regierung vor einer zu nachgiebigen Politik gegenüber dem Iran. Als der israelische Präsident Shimon Peres vergangene Woche Obama ausdrücklich aufforderte, alles zu tun, um das iranische Atomprogramm zu stoppen, bevor es zu spät sei, sprach er durchaus auch im Interesse vie­ler arabischer Machthaber.
Das allerdings scheint die US-Regierung nicht weiter zu stören. Erst wenige Tage zuvor hatte Rahm Emanuel, Stabschef des US-Präsidenten, auf dem jährlichen Treffen der einflussreichen pro­israelischen Gruppe AIPAC erklärt, dass die diplomatischen Versuche, den Iran von seinem Nuklearprogramm abzuhalten, vom Fortschritt in den israelisch-palästinensischen Friedensgesprächen abhängen würden. Der Sicherheitsberater James Jones drohte, man werde Israel künftig »härter anfassen«, als dies unter der Regierung Bushs ge­schehen sei.
Damit unternimmt die US-Regierung offiziell eine Kehrtwende in ihrer Nahost-Politik, vor der viele Republikaner vor der Wahl Obamas gewarnt hatten. Nicht mehr der Iran, sondern Israel steht erneut im außenpolitischen Fokus, während von Reformen oder gar einer Demokratisierung der arabischen Welt oder des Iran keine Rede mehr ist. Gerade dies aber war eine der Haupt­strategien der Bush-Doktrin aus dem Jahre 2002: Ohne eine grundlegende Veränderung der Politik und Ökonomie im Nahen Osten könne der Terrorismus langfristig nicht bekämpft werden. Diese Doktrin war auch eine Reaktion auf die gescheiterte Politik der amerikanischen Vorgängerregierungen. Gerade die Demokraten unter William Clinton hatten schließlich schon alles versucht, um den israelisch-palästinensischen Konflikt beizulegen, und waren grandios gescheitert.

Indem die US-Regierung aber das iranische Nu­klearprogramm offiziell mit der Schaffung eines palästinensischen Staates verknüpft, von dem augenblicklich niemand auch nur in Ansätzen weiß, wie er aussehen und regiert werden sollte, überlässt man dem Iran die Initiative. Denn mittels seiner Verbündeten Hamas und Hizbollah kann das iranische Regime jederzeit an Israels Grenzen für Unruhe und Angriffe sorgen. Deshalb warnen israelische Medien bereits vor einem Ausverkauf ihres Landes an die Islamisten. Der Re­publikaner Newt Gingrich erklärte kürzlich, Obama suche eine Konfrontation mit Israel, um in der arabischen und islamischen Welt Sympathien zu gewinnen.
Doch gerade jene so genannten moderaten ara­bischen Länder, also Ägypten, Jordanien und die Golfstaaten, die bislang recht enge Verbündete der USA waren, verfolgen diesen außenpolitischen Schwenk mit großem Unwohlsein. Die weit­reichenden Angebote, die die USA dem Iran machen, scheinen ihnen weit bedrohlicher zu sein als der vermeintliche Erzfeind Israel.
Schon während des Gaza-Kriegs hatte Ägypten die Hamas weitgehend isoliert, und Außenminister Ahmed Aboul Gheit hatte mehrmals erklärt, dieser Krieg diene nur dem Iran, der die Region destabilisieren und von seinem Atomprogramm ablenken wolle. Anfang April deckte der ägyptische Geheimdienst dann ein aktives Netz der Hiz­bollah auf, das nach Angaben der Behörden Anschläge auf israelische Touristen plante. 49 Menschen wurden festgenommen, darunter auch ein Mitglied der Fatah.
Überdies versucht der Iran, mit Hilfe der Hizbol­lah seinen Einfluss in Ägypten zu vergrößern, das spätestens seit Beginn dieses Jahres als arabischer Hauptfeind gilt. Weil Ägypten sich offen gegen die Hamas wandte, wurde von iranischen Studenten sogar ein Kopfgeld auf Präsident Hosni Mubarak ausgesetzt. Während die Hamas sich längst dem Iran zugewandt hat und ihre Beziehun­gen zu den traditionellen Unterstützern, etwa Saudi-Arabien, sich deshalb merklich verschlechtert haben, scheint die ägyptische Muslimbruderschaft über eine engere Kooperation mit dem Iran zu diskutieren. Die bedeutendste Organisation des sunnitischen Islamismus galt bislang nicht als proiranisch. Doch ihr Anführer Muham­mad Mahdi Akef sagte Ende Januar, dass seine Organisation »Khomeinis Ideen, insbesondere be­züglich der Palästina-Frage«, teile und der Iran auch das Recht auf ein militärisches Atomprogramm habe.

Für die ägyptische Regierung ist diese Entwicklung äußerst bedrohlich, denn sollten die Hizbollah und die Muslimbruderschaft mit iranischer Unterstützung enger zusammenarbeiten, könnte dies die Fortexistenz des korrupten und ineffizienten Regimes gefährden. Abgewirtschaftet wie sie sind, bieten die arabischen Länder, die im­merhin vor Jahrzehnten selbst einen Anspruch auf Hegemonie in der Region angemeldet haben, wenig Perspektive für ihre Bevölkerungen. Sie befinden sich in der Defensive, einerseits sind sie erleichtert, dass die USA ihre Forderungen nach Demokratisierung fallen gelassen haben, anderer­seits sind sie ohne weitreichende Reformideen. Inzwischen fürchtet vor allem Ägypten um seine traditionelle Hegemonie. Nur hat die so genannte arabische Welt, die inzwischen so gespalten ist, dass kaum noch ein Treffen der Arabischen Liga möglich ist – Syrien und Qatar gelten als enge Alliierte des Iran –, kaum Konzepte anzubieten. Derzeit arbeitet man an einem neuen Friedensplan mit Israel, der, so heißt es, gewisse Zugeständnisse in der Flüchtlingsfrage vorsieht, sich ansonsten aber kaum von den Vorgängerinitiativen unterscheidet.
Wie allerdings ein palästinensischer Staat am Ende aussehen oder funktionieren soll, über diese Frage schweigt sich auch die US-Regierung aus. Dagegen wächst nicht nur in Israel, sondern auch in den arabischen Staaten die Sorge, dass die US-Regierung sich trotz anders lautenden Erklärungen de facto mit der iranischen Bombe längst abgefunden hat.