Die Stimmung an der Wall Street wird besser

Haste mal ’ne Billion?

Die Stimmung an der Wall Street wird wieder besser. Doch das neue Geschäftsmodell der Finanzbranche beruht allein auf Staatsbürgschaften.

Es gab eine kurze, einige Monate währende Periode, in der es peinlich war, ein Banker oder auch nur mit einem solchen Subjekt befreundet zu sein. Darunter litten nicht zuletzt die Frauen, die eine einträgliche Beziehung zu einem »Finance Guy« pflegten. Auf der Webseite Dating A Banker Anonymous (Daba) tauschen sie seit dem Herbst 2008 ihre Erfahrungen aus. Zunächst erschienen dort eher pessimistische Geschichten, doch mitt­lerweile wächst die Spendierfreude wieder, und das von einem Anonymous Finance Guy beigesteuerte »Warning Level«, anfangs zumeist rot oder oange, ist nun immer häufiger grün. Diese Farbe signalisiert den Daba-Girls, dass sie mit einem teuren Geschenk oder einer Einladung in ein exquisites Restaurant rechnen können.
Über die ökonomische Lage sagen diese Geschichten ebensowenig aus wie die Börsennachrichten oder eine Rede des Finanzministers. Eines aber steht außer Frage: Die Stimmung an der Wall Street wird wieder besser. Arianna Huffington spricht in der Huffington Post sogar von einer »neuen Finanzeuphorie« in Washington und New York: »Ich war erstaunt, wie viele Insider der Wall Street und der Politik die Champagnerkorken knallen lassen.«
Erstaunlich ist jedoch weniger die Freude der Banker. Niemals zuvor sind sie mit so viel Geld überschüttet worden. Der Gesamtbetrag ist schwer zu schätzen, dass die US-Regierung in diesem Jahr allein zur Stützung des Immobilienmarkts für 1,25 Billionen Dollar so genannte Wertpapiere erwarb, gibt jedoch einen Anhaltspunkt für das Ausmaß der Subventionen.
Erstaunlich ist vielmehr, dass Banker, die selbst in ihrem Kerngeschäft, der Profitmaximierung, erbärmlich versagt haben, noch immer als Experten gelten und faktisch die Finanzpolitik bestimmen. Experten sind diese Leute vor allem im Schnorren. Zwar hat sich die US-Regierung, anders als die Bundesregierung, durch Verstaatlichungen und den Erwerb von Aktien Einfluss auf die Branche gesichert. Doch die staatskapitalistische Intervention begünstigt bislang fast nur die Finanzinstitute. Für eine Regulierung des Kapitalmarkts gibt es hingegen keine konkreten Pläne, ebensowenig für Maßnahmen, die eine Kreditvergabe an Industrie und Konsumenten sicherstellen könnten.
Es mag dahingestellt bleiben, ob Reformen nur versprochen werden, um die Akzeptanz der Subventionen zu sichern oder ob die Politiker sie tatsächlich wollen, sich aber immer wieder dem Druck der um ihre Unentbehrlichkeit für das Gedeihen des Kapitalismus wissenden Banker beugen. Der real existierende Rettungsplan scheint jedenfalls, nicht nur in den USA, sehr einfach zu sein.
Für eine gewisse Zeit will man sich mit einer staatlichen Lizenz zur Bilanzfälschung behelfen. Die »Giftpapiere« müssen derzeit nicht mit ihrem Marktpreis verbucht werden, ansonsten wären die Verluste immens und weit mehr Banken pleite. Der Öffentlichkeit wird suggeriert, dass die unverkäuflichen »Wertpapiere«, für die der Staat bürgt, doch noch etwas wert sind bzw. es bald wieder sein werden. Die Bereitstellung immenser Geldbeträge soll dafür sorgen, dass diese gewagte Prophezeiung sich erfüllt.
Die Finanzkrise soll so gelöst werden, wie sie entstanden ist. Man glaubt fest an die wundersame Steigerung des Werts dubioser Papiere. Vor dem September 2008 stützte sich dieser Glaube auf mathematische Modelle und den Konsens der Wirtschaftsesoteriker. Nun beruht er darauf, dass der Staat für die Verluste aufkommt. Das ist eine realere Grundlage als das vorhergehende Geschäftsmodell, doch weiter blickende Ökonomen bleiben besorgt. Unbezahlbare Konsumentenkredite und Firmenpleiten könnten schnell dafür sorgen, dass viele weitere Wertpapiere zu Giftpapieren werden. Überdies kann sich die Profit­schöpfung nicht dauerhaft allein auf Staatsbürgschaften stützen, die einen Marktwert nur simulieren. Auch der Anonymous Finance Guy warnt seine Daba-Girls, dass die Krise »schneller zurückkommen kann, als das Wetter in New York schlecht wird. Also nutzt eure Chance jetzt.«