BND und Medien

Keine Fliegenfänger für den BND

Zum »Berliner Spargelessen« hatte der Deutsche Fachjournalisten-Verband in der vergangenen Woche einen ganz besonderen Redner geladen: Ernst Uhrlau, der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, hielt einen Vortrag zum Thema »BND und Medien – Wettbewerber auf dem Nachrichtenmarkt«. Die Geheimdienstexperten der Jungle World speisten mit im Ballsaal II des Berliner Hotels Adlon und machten sich heimlich Notizen.

Ein älterer Herr tritt ans Mikrofon und grüßt. Als er beginnt zu reden, braucht es nicht viel Feinsinn, um zu bemerken, dass man es bei Herrn Prof. Dr. Siegfried Quandt mit dem Präsidenten des Deutschen Fachjournalisten-Verbands zu tun hat. Denn er sagt fortwährend lustige Quatschworte wie »Nutzerorientierung«, »Zielgruppen« oder »Mediennutzertypologie«. Der Mann spricht also wie die meisten Journalisten heutzutage, d. h. wie ein von Betriebswirtschaftlern programmierter und ferngesteuerter Sprechautomat. Einige Sätze widmet er auch der Wirtschaftskrise, die in besonderem Maße »uns Journalisten« treffe, und zwar »auch als Kleinanleger«. Bevor Quandt fertig ist, kündigt er allerdings noch den, wie er ihn nennt, »Star-Referenten« des Tages an: »Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes ist hier und das ist gut.« Besonders schön sei dies auch, da in den vergangenen Jahren ja »Problemchen und Wahrnehmungsprobleme« – womit Quandt Lappalien wie die Bespitzelung von Journalisten meinen muss – das Verhältnis zwischen dem BND und den Medien belastet hätten.

Dann tritt Ernst Uhrlau an das Rednerpult, zwischen der Vorspeise (»Tatar vom Rauchlachs mit Frühlingssalaten, Schnittlauch-Crème-Fraiche und Limetten-Touille«) und dem Hauptgang (»500 g frischer Spargel, Schwarzwälder Schinken, Parmaschinken, Kochschinken, neue Kartoffeln mit zerlassener Butter und Sauce Hollandaise«). Bei Uhrlau handelt es sich ebenfalls um einen freundlichen, wenn auch etwas verwirrt wirkenden älteren Herrn. Während seines Vortrags fallen sonderbare Sätze. Mal klingen sie buddhistisch: »Wir können über alles reden, müssen aber nicht alles sagen.« Mal stolz: »Wenn Sie BND im Internet googeln, ist das Ergebnis für ein mittelständisches Unternehmen von 6 500 Leuten ganz respektabel.« Mal ein wenig bescheiden: »Wir sind an der Modellierung der Nachrichten nachhaltig beteiligt, aber sind nicht die ersten, die unterwegs sind.« Mal resignativ: »Wir können nun auch nicht die ganze Zeit vorm Schirm sitzen.« Diese Kette freier Assoziationen, dieser stream of consciousness, der Uhrlau entfährt, ist amüsant, aber auch ein wenig beunruhigend, denn schließlich trägt der Mann hierzulande eine mindestens eine ebenso große Verantwortung, wie sie Erich Mielke sel. in der DDR hatte. Täglich aufs Neue muss seine Behörde (Uhrlaus, nicht Mielkes) uns schützen vor bösen Menschen, die aus unserer Demokratie einen schurkischen Unrechtsstaat machen wollen.
Da wundert es zunächst, dass er die wichtige Arbeit seines Geheimdienstes mit der von profanen Journalisten vergleicht und auch noch von deren Diensten profitieren möchte. »Wie nutze ich Journalisten als Instrument?« fragt er etwa jovial in den voll besetzten Saal hinein, und viele der anwesenden Journalisten sehen ihn schweigend und voller Ehrfurcht an. Das sei jedoch ein »Nicht-Thema«, korrigiert er sich sofort wieder. »Es geht nicht um Nutzung, Journalisten werden nicht als Fliegenfänger benutzt.« Der BND verfolge aber, »wo Medien interessante Zugänge haben«. Beide, Journalisten wie Geheimdienstler, hätten nämlich »ähnliche Interessen«, müssten »im gleichen Teich fischen« und »zielen auf die Bedarfsträger, d.h. die Politik«, es bestünden also »Ergänzungsverhältnisse«. So weit, so klar: Politiker haben den Bedarf, Dinge zu erfahren. Die erfahren sie von investigativ arbeitenden Journalisten (Der Spiegel, Wallraff, Franz Josef Wagner) oder Geheimdiensten (BND, Verfassungsschutz).

Uhrlau ist in seinem Element, kommt langsam richtig in Fahrt: »Relevante Informationen zu beschaffen und auszuwerten, exklusiv, präzise, schnell«, darum gehe es im Geschäft der Geheimdienste und Journalisten. »Beide setzen auf Informanten und Netzwerke.« Der »Ansatz der Informationsbeschaffung« sei bei der Presse und den Geheimdiensten »derselbe in der Wahrnehmung dessen, was verfügbar ist auf gleicher Ebene«, aber anders, »was den Einsatz von Technik angeht«. Der BND habe nämlich »das Privileg der Exklusivinformation« und dürfe seine Informationen mithilfe von ganz viel Technik beschaffen, was den Journalisten nicht gestattet sei. Diese sollten vielmehr stillhalten und erst »am Tage nach der Maßnahme« etwas berichten.
Wenn sie denn überhaupt etwas erfahren. Für Ernst Uhrlau gilt nämlich ein ganz eigener Grundsatz: »Transparenz bedeutet für mich nicht Durchsichtigkeit.« Und am Ende spricht der Mann noch einen seiner schönsten Sätze, eine geradezu poetische Senzenz, aus der gewissermaßen das Wesen und der Geist seiner Arbeit erstrahlt wie ein neonfarbener Regenbogen: »Der Analyst schweigt und ist vergnügt und geht damit nicht auf den Markt.«