Stil und Strategien der Autonomen Nationalisten

Generation Black Block

Seit mehr als fünf Jahren gibt es die Autonomen Nationalisten (AN). Handelt es sich lediglich um »new style, same old shit«, wie es in einem Antifa-Slogan heißt? Kleiden sich manche deutsche Nazis nur anders als früher, oder haben die AN eine tat­sächlich funktionierende und deshalb gefährliche Strategie entwickelt? Verschiedene Antifa-Gruppen aus ganz Deutschland geben Antworten.

Wenn in Deutschland Trends aufkommen, dann in Berlin. Das gilt offenbar auch für Nazis. »Berlin ist die Geburtsstadt der Autonomen Nationalisten, wie wir sie heute kennen«, sagt die Berliner Antifa-Gruppe North-East Antifascists. Im Jahr 2001 trat erstmals eine Nazigruppe unter dem Namen Autonome Nationalisten Berlin auf, »ein Sammelbecken, das lose Jugendcliquen einband«, wie die Berliner Antifaschisten berichten. »Gruppen wie die ›Berliner Alternative Südost‹ oder die ›KS Tor‹ haben das ganze später auf ein politisches und organisatorisches Level gehoben, das über das Schmieren von Parolen hinausging.«
Ende des Jahres 2003 war schließlich ein erster »schwarzer Block« auf einer Demonstration von Nazis in Berlin zu sehen. Mittlerweile ist der »Black Block« bei Aufmärschen der Freien Kameradschaften fast so alltäglich wie es früher die Nazis mit Glatze und Springerstiefel waren. So geben sich die Autonomen Nationalisten revolutionär, jugendlich, gewalttätig und maskulin. Sie finden sich im gesamten Bundesgebiet – organisiert in unabhängigen Kleingruppen.
Das Auftreten der AN hat sich in den einzelnen Regionen unterschiedlich auf die örtlichen Szenen ausgewirkt. Im südwestsächsischen Zwickau hätte man annehmen können, dass es vor dem öffentlichkeitswirksamen Auftreten der AN »gar keine Nazis gab«, sagt die Gruppe »Analyse Transfer Recherche Zwickau«. Kerstin Wiedemann von der Antifaschistischen Union Dortmund hält die AN für »deutlich attraktiver für Personen aus höheren Bildungsschichten, aus deren Kreisen sie sich nun – wenn auch nur vereinzelt – ebenfalls rekrutieren«. Im westsächsischen Chemnitz habe »mit dem Aufkommen der AN« nach Aussage einer Antifa-Gruppe sogar »ein Generationswech­sel bei den Nazis stattgefunden«. In der Stadt seien darüber hinaus zunehmend Aufkleber und Graffiti mit rechtsextremem Inhalt zu finden. Die Gewalt habe jedoch nicht zugenommen, da sich die Nazis in dieser Region seit jeher aus dem Umfeld der Hooligans rekrutierten, weshalb sie ohnehin über ein hohes Gewaltpotenzial verfügten, so die Antifa Chemnitz.
»Auftauchen, Aktion machen, verschwinden« sei die Stärke der AN, sagen die North-East Antifascists. Allerdings liege die Blütezeit der AN in Berlin bereits drei Jahre zurück. Ihr »Militanzgebaren« habe darüber hinaus »zwei komplette Generationen von AN-Aktivisten« direkt ins Gefängnis geführt. Ulli Friedmann von der Autonomen Antifa Neukölln sieht es als größtes Problem, dass AN »durch ihre eher spontanen Aktionen und die lockere Organisationsstruktur schwieriger einzuschätzen sind«, gewalttätige Na­zis habe es in dem Berliner Stadtteil aber schon vor dem Auftreten der AN gegeben.
Was die vertretenen Personen angehe, gebe es nichts Neues, sagt die Gruppe A2k2 aus dem west­lichen Ruhrgebiet, wo die AN besonders offensiv in Erscheinung treten. Zwar seien es vor allem Jugendliche, bei den Kadern handele es sich aller­dings »um die alten Nazis, die neu verpackt sind«. »Erst bei der NPD-Jugendorganisation JN, dann bei den ›Freien Kräften‹« und nun eben »Autonomer Nationalist«, beschreibt die Gruppe beispielsweise den Werdegang des aus Duisburg stammenden Kaders Steffen Pohl.
Neben ihrer unverhohlenen Gewaltbereitschaft und ihrer Lust an »Action« gehört es zum Konzept der AN, sich den Anschein einer Subkultur zu geben und Einflüsse aus Jugendkulturen aufzunehmen. Damit machen die AN »Lifestyle, Freizeit­wert und politische Botschaften zu einem für Jugendliche attraktiven Angebot«, sagt Kerstin Wie­demann. Im sächsischen Zwickau seien die AN beispielsweise in der Hardcore-Szene anzutreffen, hat die Gruppe Analyse Transfer Recherche Zwi­ckau beobachtet. Einige Nazis aus der Stadt spielen in den NS-Hardcore-Bands Eternal Bleeding und Moshpit, viele ihrer Anhänger besuchen auch Konzerte von nicht rechtsextremen, unpolitischen Hardcore-Bands. Sie würden wegen ihres szenetypischen Auftretens entweder nicht erkannt oder oft auch »einfach ignoriert«, sagt die Gruppe.
Mit dieser Strategie haben sich die Nazis nicht nur politisch, sondern auch sozial vielerorts verankert. Die Schwelle, zu den AN zu stoßen, ist recht niedrig, aus »Kumpels« werden »Kameraden«. Es besteht ein gewisser, rechtsextremer Grund­konsens, wichtiger sind jedoch die »Action« und ein selbstbewusstes Auftreten. Nach Einschätzung der North-East Antifascists ist zudem die Fülle der subkulturellen Angebote entscheidend für den Erfolg der AN, die neben dem politischen Aktivismus auch einen »Lifestyle« anbieten wollen. Mehr als fünf Jahre nach dem Auftreten des ersten »Schwarzen Blocks« auf einer Demonstration von Nazis gibt es inzwischen junge Rechtsextreme, die vollständig von den AN politisiert wurden.
Die Autonomen Nationalisten geraten jedoch in zahlreiche Widersprüche. Sie verfügten über »keine theoretisch fundierte Grundlage für ihre politische Arbeit« und definierten sich vorrangig »über gemeinsame Aktionen gegen tatsächliche oder vermeintliche politische Gegnerinnen und Gegner«, sagt Ulli Friedmann von der Autonomen Antifa Neukölln. Die Fähigkeit, sich in Subkulturen zu integrieren, ist einerseits eine Stär­ke der AN, diese Offenheit zersetzt aber zugleich ihre Szene. Die AN »mussten lernen, dass die Über­nahmen ›linker‹ Ausdrucksformen, Styles und Moden sowie das offensive Streben nach neuen Mitstreitern teilweise von einem Aufweichen ideologischer Kernaussagen begleitet wurde«, be­schreibt die antifaschistische Zeitung Lotta aus Nordrhein-Westfalen diese Tendenz in ihrer aktuellen Ausgabe. Dies hatte den »Ausstieg mehrerer langjähriger Aktivisten, unter anderem aus Dortmund« zur Folge, »die sich anschließend zum Teil öffentlich von der Szene distanzierten«. Zirkel wie die »Aktionsgruppe Essen« betonen deshalb mittlerweile, dass es »nur einen wahren Nationalen Sozialismus geben« könne, die AG Ruhr-Mitte fordert die Rückbesinnung auf völkische Werte.