Zu wenig gelitten

Das könnte witzig werden, eine Mischung aus Florian Illies und Henryk M.Broder: »Unter Linken« will eine persönliche Abrechnung des Spiegel-Redakteurs Jan Fleischhauer mit jenem Milieu sein, das immer jammert, in Deutschland keinen Einfluss zu haben, sich aber doch flächendeckend durchgesetzt hat. Jedenfalls in Kreisen, in denen der Autor verkehrt, die ton­angebenden Kreise, wie er sie nennt. Fleischhauer (Jg. 1962) stammt aus einem linken Eltern­haus, ging zur Schule, als eine Junge-Union-Mitgliedschaft extrem uncool und den Garant für männliche Jungfernschaft bis weit nach dem Abi bedeutete und kam zum Spiegel, wo sich Schlaubergerei von links nicht als wirklich karrierehinderlich erwies.
Was der inzwischen zum Soft-Konservativen mutierte Autor gegen die Linksintelligenz vorbringt, sind so unterschiedliche Dinge wie ihre Israel-Feindschaft, ihr in Weltverbesserungsrhetorik verpackter Karrierismus oder die Bigot­terie, mit der sie multikulturelle Problemviertel zu lebendigen Kiezen schönredet, den eigenen Nachwuchs aber in Ghetto-Schulen der Reichen steckt. »Unter Linken« liest sich gut runter, und dem Autor gelingen in puncto Ideo­logiekritik auch einige Treffer. Dass er sogar Wolfgang Schäu­bles Islamkonferenz dem Linksmilieu zuschlägt, ist geschenkt; nicht aber, dass dem Buch die wirklich ätzende Polemik gegen eine Welt aus RAF-Versteherei, Orangensaft, frisch gepresst, und Antikapitalismus fehlt. Vermutlich hat der Autor unter Linken einfach nicht genug gelitten.

Jan Fleischhauer: Unter Linken. Rowohlt, Reinbek 2009, 350 S., 16,90 Euro