Die Erziehung von Mädchen und Frauen im Nationalsozialismus

Die Reichsgustl nordet auf

»Muttertum«, »artgemäße Körperschulung« und »fremdrassiges Mustergut«. Was es früher nicht alles gab! Über die Erziehung von Mädchen und Frauen im Nationalsozialismus und die Reichsreferentin Auguste Reber-Gruber.

Mit einer gesunden Frauengene­ration ist dann das Großziel des nationalsozialistischen Staates, die Aufartung des Vol­kes, zu erreichen. Der Erfolg der Rassenbewegung liegt vor­nehmlich bei der deutschen Frau. Rassen- und Erbgesundheitspflege in die weibliche Erziehung einzugliedern, ist eine besonders hohe Aufgabe, der wir uns widmen werden.« So beschrieb Auguste Reber-Gruber im Sommer 1934 das Ziel der Erziehung von Schülerinnen. Als »Reichs­referentin für weibliche Erziehung« im Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB), einer Mas­senorganisation mit etwa 300 000 Mitgliedern, unterstanden ihr alle Bereiche, die mit der Erzie­hung und Bildung von Mädchen und Frauen im »Dritten Reich« zu tun hatten.
Die promovierte Historikerin und Lehrerin gab die Zeitschrift NS-Mädchenerziehung heraus und gehörte dem Stab der Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink an, sie war Mitglied einer Schulreformkommission und bekleidete seit 1937 den Rang einer BDM-Gauführerin, der zweithöchsten Stufe in der Hierarchie des Bundes Deutscher Mädel. Sie arbeitete als Ministerial­rätin im Reichserziehungsministerium in Berlin sowie als Professorin in der Lehrerbildungsanstalt in München-Pasing. Wie der so genannte Rassenpapst Hans F.K. Günther (1891–1968) propagierte sie die Lehre von der »nordischen Rasse« und fungierte als Mitherausgeberin von dessen Zeitschrift Rasse. Die »Reichsgustl«, so ihr Spitzname, war neben Scholtz-Klink, der BDM-Führerin Trude Mohr und deren Nachfolgerin Jutta Rüdiger eine der vier prominentesten weib­lichen Funktionäre des Nationalsozialismus.
Dennoch wird sie in der Literatur meist nur beiläufig erwähnt. Arbeiten über Frauen im Nationalsozialismus konzentrieren sich meist auf die NS-Frauenschaft und das Deutsche Frauenwerk, sparen aber den NSLB aus, obwohl dessen Anteil an weiblichen Mitgliedern beträchtlich war. In der Forschung wird zwar häufig betont, dass den Nazis eine besondere Erziehung von Mäd­chen wichtig war, Angaben zu den entsprechenden Funktionärinnen und Funktionären fehlen jedoch fast immer.
Die US-amerikanische Historikerin Claudia Koonz (1987) betrachtet Reber-Gruber als Überzeugungstäterin und nennt sie eine »kompetente Bürokratin mit den Instinkten eines Straßenkämpfers«, liefert aber falsche Daten, angefangen bei einem verkehrten Todesjahr. Moni­ka Meister (1996) charakterisiert sie in einem kleinen Porträt als »Persönlichkeit von irritieren­der Widersprüchlichkeit«. Sie sei einerseits eine »fanatische Erfüllungsgehilfin der frauenverach­tenden Nazi-Ideologie« gewesen, andererseits eine »unerschrockene Kämpferin gegen Diskriminierung, Dequalifizierung und Verdrängung der Lehrerinnen durch Parteifunktionäre und männliche Kollegen«. Allerdings engagierte sich Reber-Gruber in der Regel für Gesinnungsgenossinnen oder versuchte, Freunden und Verbün­deten diverse Ämter und Posten zu verschaffen. Sie denunzierte politisch missliebige Frauen und verfügte den Ausschluss jüdischer Kolleginnen aus dem Bayerischen Lehrerinnenverband.
Mit der ideologischen Arbeit der Nazi-Funktionärin setzen sich weder Koonz noch Meister auseinander, was bezeichnend ist. Die Annahme der frühen feministischen Forschung in Westdeutschland, Frauen seien nur Opfer des Nationalsozialismus gewesen, hat sich seit dem »Historikerinnenstreit« der frühen neunziger Jahre als falsch erwiesen. Inzwischen gibt es etliche Darstellungen über den Alltag von Frauen im »Dritten Reich«, wie SS-Helferinnen oder Gestapo-Sekretärinnen, sowie über Figuren wie die Flugkapitänin Hannah Reitsch, die Regisseurin Leni Riefenstahl, Emmy Göring oder Eva Braun. Zu Scholtz-Klink sind gleich mehrere Biographien erschienen.
Die Ideologiearbeit von Frauen ist kaum untersucht. Es gibt nur wenige Publikationen dazu, etwa Leonie Wagners Buch »National­sozia­lis­ti­sche Frauenansichten« (1996), in dem sie die Überzeugungen der führenden alten Kämpferin­nen analysiert – Ansichten, die mitunter jenen mancher Ökofeministinnen und Esoterikerinnen erschreckend ähneln. Reber-Gruber gehörte allerdings nicht zur Riege der frühen Nazi-Führe­rinnen. So blieb ihr Wirken unbeachtet, auch wenn sie mit ihren Anordnungen, Denkschriften und Stellungnahmen zu schulpolitischen Fragen sowie mit ihren Reden und Schriften das Leben von Hunderttausenden von Frauen beeinflusste.
Sie indoktrinierte Lehrerinnen und beeinflusste Unterrichtsziele im Sinn des Antisemitis­mus, der Rassenlehre und der Eugenik mit dem Ziel der »Aufnordung« der Herrenrasse. Sie propagierte im Dienst der »rassisch homogenen deutschen Volksgemeinschaft« ein Frauenbild, in dem Frauen vor allem als Mütter begriffen und deren Aufgaben gleichzeitig ideologisch auf­gewertet wurden. Die Lehrerin auf dem Lande sollte soziale, kulturelle und politische Funktionen über die Schule hinaus übernehmen, sie sollte »Volkserzieherin« werden, die faschistische Gegenspielerin zum Dorfpfarrer.
Die Karriere Reber-Grubers basierte auf dem Arbeitskräftebedarf einer hoch entwickelten kapitalistischen Gesellschaft, zumal im Kriegszustand. So räsonierte Josef Goebbels, der Frau gemäße Platz sei zwar in der Familie, um »ihrem Land und Volk Kinder zu schenken«, es wäre jedoch aberwitzig, die Frauen aus dem öffentlichen Leben und Beruf drängen zu wollen. Der NS-Ideologie zum Trotz stieg die Zahl der berufs­tätigen Frauen schon in den Jahren bis 1939. Von Beginn an benötigte das Regime weibliches Personal – Ärztinnen, Lehrerinnen, Pflegerinnen, Fürsorgerinnen, Bürokräfte –, um seine Men­schenzuchtphantasien zu verwirklichen und die Geburtenrate der »arischen« Frauen zu steigern. Diesem Ziel dienten Gesundheitsbehörden, Hauswirtschaftskurse oder die Unterweisung in Hygiene und Säuglingspflege. Damit verknüpft war das zentrale Interesse der NS-Schulpolitik, eine separate Mädchenerziehung zu etablieren, orientiert an Hitlers Diktum, deren Ziel habe »un­verrückbar die kommende Mutter« zu sein. Während des Kriegs mobilisierte die faschistische Führung die weibliche Reservearmee für Produktion und Verwaltung.

Werdegang einer Überzeugungstäterin
Geboren wurde Auguste Reber-Gruber 1892 in München. Der Vater war Maler und evangelisch, die Mutter Hausfrau und katholisch. Nach der Volksschule besuchte Reber-Gruber ein Lehrerinnenseminar, während des Ersten Weltkriegs arbeitete sie als Hilfslehrerin und leitete provisorisch eine Schule. Im April 1919 wurde sie Volks­schullehrerin in München. Gleichzeitig war sie seit Oktober 1913 an der Philosophischen Fakul­tät der Ludwig-Maximilians-Universität immatrikuliert. Sie holte 1921 das Abitur nach und pro­movierte 1923 in mittlerer und neuerer sowie bayrischer Geschichte »cum laude«, also durchschnittlich. 1926 wechselte sie als Lehrerin an die städtische Fortbildungsschule für Mädchen.
Bereits 1919 trat sie dem Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund bei, einer militanten anti­se­mitischen Massenorganisation, die in München, insbesondere an der Universität, eine ihrer Hochburgen hatte. Später führende Nazis wie Reinhard Heydrich oder Julius Streicher gehörten dem Bund an, der für viele eine politische Schule darstellte und für den eine anti-jüdische Hetze charakteristisch war, die »von den Nazis kaum überboten« worden sei, schreibt der Historiker Uwe Loham. Als die Regierung den Verband 1922 verbot, nach dem Fememord an Außenminister Walther Rathenau, gehörten ihm rund 150 000 Personen an. Die Mitglieder waren überwiegend Lehrer, Beamte, Ärzte und Angestellte. Trotz frau­enfeindlicher Ideologie war der Anteil der Frauen hoch. Reber-Gruber berichtete, dass »in den völ­kischen Verbänden der ersten Nachkriegs­jahre mehr Frauen als Männer« aktiv gewesen seien.
Die Lehrerin Auguste Gruber heiratete 1928 den Musiker Otto Reber, einen gebürtigen Schweizer und alten Kämpfer der ­NSDAP und SA, Mitglied von Alfred Rosenbergs Kampfbund für deutsche Kultur sowie der radikal antikirchlichen Nordischen Glaubensbewegung. Am 1. Mai 1932 trat Auguste Reber-Gruber der ­NSDAP bei, im Dezember der NS-Frauenschaft.

NS-Schulpolitik und NS-Lehrerbund
Viele Lehrer tendierten schon in den zwanziger Jahren zum Faschismus. Etwa 13 000 Erzieher waren vor dem 30. Januar 1933 in der ­NSDAP or­ganisiert, in den folgenden Wochen traten über 70 000 ein. Der Lehrer Hans Schemm (1891–1935) organisierte Kollegen im NS-Lehrerbund (NSLB). »Dorthin, wo die Fanatikerorganisation der Welt­anschauung ist, gehören wir; dort steht der NSLB«, erklärte er.
Nach der Machtübergabe an die ­NSDAP entlie­ßen die Schulbehörden etwa 3 000 Lehrer, die als Sozialdemokraten, Kommunisten oder Juden galten. Die Drangsalierung jüdischer Schüler und die Selektion von »lebensunwerten« Kindern auf Sonderschulen nahm ihren Anfang. Der preußische Kultusminister Bernhard Rust, der Mitte 1934 das Amt des Reichserziehungsministers übernahm, führte »Rassenkunde« und »Ras­senhygiene« an den Schulen ein. Die Relativitätstheorie verschwand ebenso aus den Lehr­büchern wie die Beiträge anderer Wissenschaftler jüdischer Herkunft, gemäß der Parole des Physik-Nobelpreisträgers Johannes Stark: »Keine Judenpropaganda in einem deutschen Lehrbuch.« Turnen und Sport, geisteswissenschaftliche Fächer und Biologie wurden auf Kosten naturwissenschaftlich-mathematischer Fächer und Fremdsprachen, die als ideologisch weniger nützlich angesehen wurden, aufgewertet. Die Faschisten beendeten fortschrittliche Schulversuche wie den des Sozialisten Kurt Löwenstein in Berlin, während die Jena-Plan-Schule des Reformpädagogen Peter Petersen fortbestand und die Waldorfschulen erst nach und nach bis 1941 aufgelöst wurden.
Ab 1936 stand die Schule unter dem Primat der Kriegsvorbereitung. Bereits Mitte der dreißiger Jahre mangelte es an Lehrern und Facharbeitern, Reichsminister Rust sollte überall Berufsschulen einrichten. 1938 klagte der NSLB – ebenso wie An­gehörige des Kapitals –, das Bildungsniveau sei gesunken.
Während des Krieges konzentrierte sich der NSLB auf Durchhalteparolen an der »Heimatfront«, bis der Leiter der Parteikanzlei, Martin Bor­mann, im März 1943 verfügte, dass der Verband »stillgelegt« werde. Übrig blieb ein Funktionärs­apparat in der Zentrale in Bayreuth, der die Kinderlandverschickung organisierte.

Die Selbstgleichschaltung der Lehrer
In einer ersten Phase der Gleichschaltung übernahmen Nazis die Führung der Lehrer- und Lehrerinnenverbände mit der Absicht, diese zugunsten des NSLB aufzulösen. Hinter den Kulissen war man sich über die Stellung von Frauen im NSLB uneinig. Der Vorstand des Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenvereins (ADLV), der mit dem konservativen Bund Deutscher Frauenvereine (BDF), dem größten Frauenverband, eng ver­flochten war, forderte eine »besondere Frauenfachschaft unter eigener Leitung« und beauftrag­te die Nationalsozialistin Hedwig Förster, dies bei Schemm, inzwischen bayerischer Kultusminister, durchzusetzen.
Reber-Gruber avancierte im Juni 1933 zur Vor­sitzenden des Bayerischen Lehrerinnenvereins und ordnete an: »Juden, Freimaurer und für die neue Staatsgewalt untragbare Mitglieder sind von der Mitgliedschaft ausgeschlossen.« Sie arbeitete die Richtlinien für die Eingliederung der Frauen mit aus. Lehrerinnen sollten alle Fragen der weiblichen Erziehung bearbeiten, in allen Abteilungen des NSLB eigene Organisationen un­ter weiblicher Leitung bilden und in der Hierarchie auf allen Stufen vertreten sein, allerdings jeweils männlichen Vorgesetzten unterstehen. Reber-Gruber akzeptierte das und sorgte dafür, dass sich der Reichsverband Deutscher Volksschullehrerinnen und der Bayerische Lehrerinnenverein zugunsten des NSLB auflösten. Schemm belohnte ihre Loya­lität: Sie wurde zur Studienrätin befördert, übernahm im NSLB die Leitung des Sachgebiets für weibliche Erziehung und erhielt den Titel »Reichsreferentin«.
Im April 1935 wechselte sie in das Reichserzie­hungsministerium nach Berlin und war dort zuständig für die Mädchenerziehung, speziell die Berufsbildung. Im Oktober wurde sie zur Regierungsrätin befördert. Anfang 1936 bewarb sie sich um eine Professur an der Lehrerbildungsanstalt in Pasing, wobei sie ihre Kontakte zu Adolf Wagner nutzte, dem ­NSDAP-Gauleiter Mün­chen-Oberbayern und Nachfolger des tödlich verunglückten Schemm als Kultusminister. Sie wollte zurück nach Bayern und klagte, dass die Arbeit im Ministerium ihr die Betätigung in den NS-Formationen unmöglich mache. Zum 1. September 1936 wurde Reber-Gruber kommissarisch an die Lehrerbildungsanstalt berufen. Trotz ihrer Verbindungen dauerte es zwei Jahre, ehe Hitler sie zur ordentlichen Professorin ernannte. In Pasing hielt sie Vorlesungen unter den Titeln »Kultur und Stellung der deutschen Frau in der Geschichte« oder »Frau und Mädchen in der Bewegung« (gemeint war die ­NSDAP).

Erziehungsziel Rassebewusstsein
Die konservative Mehrheit der deutschen Frauen­bewegung unterstellte eine naturbedingte Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau. Die Frau galt als gefühlvolles, intuitiv handelndes, mütterliches Wesen, die der »Volksgemeinschaft« als Gebärerin, Nährerin und Erzieherin zu dienen habe. Die vom Lehrerinnenverband ADLV vertre­tene Meinung, Mädchenbildung habe sich an der Mutterrolle zu orientieren und Lehrerinnen übten eine erweiterte Mutterfunktion aus, deckte sich mit jener der NS-Frauen. Dennoch wandten sich der ADLV und der BDF anfangs gegen den Na­tionalsozialismus, weil sie zu Recht fürchteten, dass Frauen den gerade erst erkämpften Zu­gang zu höherer Bildung und bestimmten akademischen Berufen wieder verlieren könnten. Nach der Reichstagswahl vom März 1933, bei der die Wähler eine Regierungskoalition aus ­NSDAP und Deutschnationalen bestätigten, passte sich der BDF unter Führung Gertrud Bäumers an. »Ich glau­be an schöpferische Kräfte des Nationalsozialismus«, verkündete Bäumer und stellte die deutsche Frauenbewegung und das Frauenwahl­recht als Produkte der besonderen Qualitäten der »germanischen Rasse« dar.
Auch was Rassismus und Antisemitismus an­geht, gab es Schnittmengen zwischen Nazi-Frauen und ihren konservativen Schwestern. Der Unterschied lag darin, dass die Faschistinnen ihre Ideologie militant in die Tat umsetzten. Elke Vorwerck propagierte im »Nationalsozialistischen Frauenbuch« von 1934, oberstes Ziel der Ehe im nationalsozialistischen Staat habe die maximale Anzahl »erbgesunder« deutscher Kinder zu sein, die »rassische Auslese« und »rassische Aufartung unseres Volkes«. Lydia Gott­schews­ki, zeitweise Führerin der NS-Frauenschaft, verlangte, die »ewigen Kräfte des nordischen Blutes von neuem zu wecken«. In der Hetz- und Boykottkampagne im Frühjahr 1933 spielte die NS-Frauenschaft eine zentrale Rolle. »Keinen Groschen mehr an ein jüdisches Geschäft, keinen jüdischen Arzt, keinen jüdischen Rechtsanwalt für die deutsche Frau oder deutsche Familie«, lautete die Parole. Der Frauenverband suggerierte einen Entscheidungskampf: »Wir führen ihn bis zur Vernichtung des Judentums.«
Die größte Leistung der Frau liege in ihrem »Mut­tertum«, darum beinhalte Mädchenbildung alles, was das Mädchen »befähigt, den äußeren Rahmen für Ehe und Muttertum zu schaffen«, pro­klamierte Reber-Gruber. Hauptziel der Erziehung sei »eine gesunde und charakterfeste Frau, die opferbereit ihren Hausfrauen- und Mut­terberuf in der deutschen Volksgemeinschaft erfüllen kann und soll«. Es müsse zu »Wehrbereitschaft und Führertum, Rassenbewusstsein, Härte des Willens, Charakterstärke und Lebensbejahung« erzogen werden.
Bereits nachdem sie den Vorsitz des Bayerischen Lehrerinnenvereins übernommen hatte, gab Reber-Gruber vor, anstelle der Idee der Gleich­heit sei zu lehren, dass die »nordische Rasse« die wertvollste der Menschheit sei. Alle großen Kulturen basierten auf Reinrassigkeit zumindest der Führungsschicht und seien durch die »Ver­mischung« mit »vorderasiatischen-dionysischen Menschen« zugrunde gegangen. Darum müssten sich die Deutschen des gemeinsamen, wertvollen »nordischen Rassenanteils« bewusst werden. Oberstes Ziel sei die »Reinhaltung« und »Aufnordung« der »Rasse«. Rassenkunde und Rassenhygiene müssten darum im Unterricht eingeführt werden.
Das Regime wollte die Sexualität kontrollieren. Mit der Stilisierung der »arischen Frau« zur Hüterin der »reinen Rasse« ging das Verbot des Verkehrs mit Juden und anderen »Fremdrassigen« einher. Gleichzeitig wurde auch das Verhält­nis zwischen den »Ariern« entsexualisiert. »Der männlichste Mann, die weiblichste Frau, verkör­pert im Soldatentum und Muttertum, sind die Pole, zwischen denen Lebenswille und Schöpfer­kräfte erzeugt werden«, schrieb Reber-Gruber. Eine Frau hingegen, die »ihre Art und Haltung ver­gisst, die also intellektuell und erotisch wird«, sei eine »Erscheinung des völkischen Abstiegs«.
Behandelte Reber-Gruber eine strukturelle Frage, etwa die hauswirtschaftliche Berufsschule für Mädchen, ging es ihr um »die Erneuerung unserer Rasse und unserer Kultur«, die nur »vom Boden, vom Bauerntum« ausgehen könne. Äußerte sie sich über Handarbeiten, forderte sie, die Wahl der Muster solle »nicht fremdrassigem Mustergut entnommen sein«. Plädierte sie für mehr Sportunterricht, für Unterweisung in Gesundheitsvorsorge und Hygiene, hatte sie die Geburtenrate »nordischer« Frauen im Blick: Weil »gesunde Mütter (…) dem Volk gesunde Kinder schenken«, wolle der Führer eine »weibliche Leibeserziehung«, die zur »artgemäßen Körperschulung« führe, »damit aus Körperschulung die zutiefst mit Blut und Boden verwurzelte Kör­per­kul­tur erwache«. Schrieb Reber-Gruber über »Brauchtum«, »Volkskunst« und Trachten als Un­terrichtsinhalte, hoffte sie, dass die Schülerinnen dadurch einen »Blutstrom« der Ahnen spür­ten, so dass »in uns ferner die Sehnsucht erwachse, zu jener einfachen klaren Lebenshaltung zurückzukehren«.
In einer solchen Idealisierung der Vergangenheit drückte sich eine Unsicherheit aus, die die Industrialisierung in Deutschland in den bürgerlichen Schichten ausgelöst hatte und die in der völkischen und der Lebensreform-Bewegung prägnant zum Ausdruck kam. So meinte Reber-Gruber, erst wenn sich diese Sehnsucht nach dem einfachen Leben der Ahnen einstelle, »werden wir anfangen, tapfer und ohne Zugeständnis das Fremde, Unechte, Prahlerische von uns abzutun, der Vernichtung zu überantworten«.
Besonders stark war ihr Affekt gegen das urbane Leben, das im völkischen Weltbild als bedroh­lich und »jüdisch-zersetzend« konnotiert ist. Die Städte seien zu groß, zu kalt, zu unnatürlich. Man müsse stattdessen die »Einheit von Mensch-Natur, oder wie wir sie heute geprägt haben, von Blut und Boden herstellen«, verlang­te Reber-Gruber. Besonders das »Großstadtmädel« müsse wieder mit der »Scholle«, mit Haus­wirtschaft, Gartenbau und Kleintierzucht vertraut gemacht werden, um eine andere Gesinnung zu erlangen und den Geburtenrückgang aufzuhalten. Es gelte, das »widervölkische Denken« des 19. Jahrhunderts, das ein »verstädtertes Denken« gewesen sei, »durch die Selbstverständlichkeit einer rassischen Haltung« zu ersetzen.

Antisemitismus und nordische Gottgläubigkeit
Reber-Gruber beklagte einen »Geschäftsgeist des Judentums« als Ursache eines Verfalls deutscher Kultur und beschwor 1943, während in deutschen Konzentrationslagern Millionen von Juden ermordet wurden, in völliger Verkehrung der Realität eine »unvorstellbare jüdische Rachsucht«, die »Krieg gegen Frauen und Kinder« führe. Über den Kriegseintritt der USA 1941 schrieb sie: »Das Weltjudentum setzt seine letzten Kräfte ein gegen den Aufbruch völkischen Lebenswillens und völkischer Lebensordnung.« Ihren Ansatz einer »weiblichen Seelenkunde«, den sie mit den angeblich angeborenen Instink­ten und Intuitionen der »nordischen Frau« und deren Mütterlichkeit begründete, grenzte Reber-Gruber scharf ab gegen »jüdisch oder jüdisch orientierte Arbeiten, die aber sämtlich an der Oberfläche bleiben, sich nur mit äußeren Bewusstseinstatsachen beschäftigen«.
Als Erbe der »nordischen Rasse« feierte sie Blut und Boden, Bauern- und Brauchtum, Intuition und Instinkt sowie »artgemäßen« Glauben, Helden- und Kämpfertum, im Gegensatz zu verderb­lichen und jüdischen Machinationen der Großstadt, des Intellektualismus und des Liberalismus, von Demokratie und Frauenemanzipation. Ihr Antisemitismus war nicht bloß Rhetorik. Die hohe Nazi-Funktionärin sammelte Material über Gertrud Bäumer, über missliebige Psychologen und die Montessori-Pädagogik, die sie als jüdisch attackierte.
Der Kern des modernen Antisemitismus ist die fixe Idee von der heimlichen Weltherrschaft der Juden. Als eines der Werkzeuge dieser Herrschaft gilt Völkischen der »artfremde« jüdisch-christliche Glaube, den die katholische Kirche einst den Germanen aufgezwungen habe. Reber-Gruber trat aus der evangelischen Kirche aus, bezeichnete sich jedoch als gottgläubig und pro­pagierte »artgemäße« Glaubensvorstellungen, die sie dem Christentum als einer angeblich grund­sätzlich fremden Weltanschauung entgegensetzte.
Sie denunzierte tatsächliche oder vermeintliche Anhänger und Spione der Kirche und zog gegen kirchliche Einrichtungen zu Felde. Weihnachten wollte sie aus dem christlichen Kontext lösen und stellte das Fest als uralte germanische Tradition dar. Um einen »Lichterbaum« geschart feierten die Deutschen den »Mythos von der Wiedergeburt des Lichtes, das sieghaft Tod und Erstarrung überwindet«.

Kriegsvorbereitung und Durchhalteparolen
1936 erschien eine von Reber-Gruber herausgegebene Reihe mit dem Titel »Das Heimatheer der deutschen Frauen im Weltkrieg« als »Lesestoff für den Deutsch- und Geschichtsunterricht«, vorwiegend für Mädchenschulen. Das erste Heft, »Heimatnot und Heimathilfe«, stellte die ehema­lige Schulrektorin und Liberale Margareta Schicke­danz zusammen, die Juden als Raffer und Schie­ber im Ersten Weltkrieg diffamierte. Das zweite Heft trug den Titel »Frauenhilfe hinter der Front und hinter dem Stacheldraht« und sollte der »geis­tigen Kriegsvorbereitung für Mädchen« dienen.
Das Jahr 1942 eröffnete Reber-Gruber in ihrer Zeitschrift NS-Mädchenerziehung mit einem »Bekenntnis zu Kampf und Opfer«. Die Siege der Wehr­macht in Narvik und Kreta feierte sie als »Sym­bol und Wirklichkeit stolzesten Heldentums«. Gefragt sei eine »heldische Gesinnung«, denn »hart ist die Zeit, für Schwächlinge, Spießer, Geschäftemacher ist der Raum sehr eng geworden«. Als Reber-Gruber für Oktober 1942 zu einer Tagung zum Thema weibliche Erziehung einlud, waren weite Teile Europas der deutschen Ter­rorherrschaft ausgeliefert. Entsprechend ging es um die »europäischen Führungsaufgaben des deutschen Volkes« und die »Erziehung der deut­schen Jugend zum Führervolk«.
Die letzten Hefte der NS-Mädchenerziehung spiegeln die deutschen Niederlagen wider. Zu »Weih­nachten im fünften Kriegsjahr« (1943) schrieb Reber-Gruber, Stalingrad sei ein Mahnmal. Ange­sichts der Erfolge der Alliierten werde »das heldi­sche Dennoch … zum Glauben einer Nation«. Im Frühjahr 1943 verfasste sie den Leitartikel einer Nummer der NS-Schulungsbriefe, in dem sie sich unter dem Motto »Vorwärts zum Sieg« an alle weib­lichen Funktionäre wandte. In den Beiträgen wird die Arbeit der deutschen Frauen an der Hei­matfront gepriesen, überdies wird behaup­tet, in den USA würden Frauen systematisch ent­wür­digt. »Die Amerikanerin altert früh, wird oft sogar sehr hässlich«, schrieb Reber-Gruber und verwies auf die Präsidentengattin Eleanor Roosevelt.

Lobby für arische Akademikerinnen
Die ­NSDAP hatte 1921 beschlossen, keine Frauen in politischen Führungspositionen zuzulassen. Bei der ersten Frauentagung auf dem ­NSDAP-Parteitag in Weimar 1926 formulierte Elsbeth Zan­der als Führerin des Deutschen Frauenordens, einem Vorläufer der NS-Frauenschaft, bereits die Kernpunkte faschistischer Frauenpolitik, die den Vorstellungen des Chefideologen Alfred Rosenberg ähnelten und auf der Prämisse einer grundlegenden Geschlechterdifferenz basierten, der Ideologie vom Gesetz der Polarität und der »verbindenden Ganzheit« von Mann und Weib, von Gleichwertigkeit und gemeinsamem Kampf, gleichem Ziel, aber verschiedenen Aufgaben. Hitler schmeichelte seinen Anhängerinnen, indem er erklärte, weiblicher Instinkt und »weibliche Treue« hätten die Nazi-Bewegung nach dem miss­lungenen Putsch von 1923 gerettet, als der männ­liche Verstand verzagte.
Gleichwohl erschienen profilierte Nazi-Frauen aus der »Kampfzeit« der männlichen NS-Führung als bedrohlich, weder Elsbeth Zander noch Lydia Gottschewski machten nach 1933 Karriere, auch die Gruppe um Pia Sophie Rogge-Börner scheiterte, die in einer Denkschrift für Hitler Führungs­positionen für eine weibliche Elite im Namen eines »natürlichen Aristokratismus« forderte.
Erfolgreich waren bis dato weitgehend unbekannte Frauen wie Scholtz-Klink und Reber-Gruber, die sich unterordneten. Die Lehrerinnen des NSLB unterwarfen sich, weil »politische Führung allein in den Händen des männlichen Deutschen liegt«, wie Reber-Gruber erklärte. Ihre private Korrespondenz mit der befreundeten BDM-Führerin Trude Mohr zeigt, dass beide sich der Diskriminierung bewusst waren. Letztlich stünden alle Nazi-Frauen zusammen, weil sie »ge­fühlsmäßig« die Notwendigkeit geschlossener Arbeit sähen, meinte Mohr. »Die Männer sehen doch meistens nur ihr Amt, ihre Organisation und last but not least ihre Karriere.« Gemäß dem Motto »Wenn das der Führer wüsste« waren beide davon überzeugt, dass es gegen nationalsozialistische Prinzipien verstoße, wenn Frauen von Führungspositionen ferngehalten werden. Offenbar glaubten sie, Hitler habe davon keine Ahnung.
Was das Frauenstudium betraf, waren die Frauen aus dem NSLB so nachgiebig wie jene aus dem BDF. Sie verlangten lediglich, die Universität müsse solchen Frauen offen stehen, die sich für »frauengemäße Berufe« wie Lehrerin und Ärz­tin, die sich mit dem »einfühlsamen, geduldigen Wesen der Frau« vertrügen, besonders eigne­ten. Dass Jüdinnen von der Universität ver­bannt wurden, billigten die Nazi-Frauen. Innenminister Wilhelm Frick ordnete eine Frauenquote von zehn Prozent an, die allerdings 1936 aufgehoben wurde, weil die Zahl aller Studienanfänger stark gesunken war. Die Zahl der Studentinnen schrump­fte von 18,8 Pro­zent (1932) auf 12,5 (1936). 1944 hatten die Studentinnen kriegsbedingt einen Anteil von über 49 Prozent, Frauen sollten nun auch Naturwissenschaften studieren.
Obwohl selbst eine kinderlose, berufstätige Akademikerin, teilte Reber-Gruber das traditionelle, konservative Frauenbild und befürwortete die stereotypen Zuschreibungen männlicher und weiblicher Eigenschaften und Rollen, ergänzt um Ideen, die schon alte Kämpferinnen vom Schlage Gottschewskis und Zanders propagiert hatten. Die Frau galt ihr als aus dem »Urgrund des Mütterlichen« schöpfendes, instinktiv-intuitives Wesen, das sich näher am Leben und der Natur befand, und als rassische »Hüterin des Blu­tes«. Gleichwertig und doch seelisch verschieden seien Mann und Frau, was Reber-Gruber als »Gesetz der Polarität zwischen den Geschlechtern« verklärte. Statt einer als liberalistisch diffamierten Gleichberechtigung propagierte sie eine »Kameradschaft« zwischen Mann und Frau.
Die Frauenbewegung wie auch Frauen diskriminierende Zustände deklarierte Reber-Gruber wie Rogge-Börner als Auswüchse des verhassten demokratischen Systems. Beide forderten eine nach dem »Führerprinzip« und biologistischen Vorstellungen wie Begabung und Auslese gestaffelte Beteiligung einer weiblichen Elite an öffentlichen Einrichtungen, wobei Reber-Gruber öffentlich nie so weit ging, den Anspruch der Män­ner auf die politische Führung infrage zu stellen. Solche Ansprüche suchte sie mit dem Verweis auf eine angeblich hohe Stellung von Frauen bei den alten Germanen zu legitimieren. Der grundlegende Antisemitismus kommt darin zum Ausdruck, dass diese Nazi-Frauen behaupteten, das »kameradschaftliche« Geschlechterverhältnis der germanischen Vorzeit sei nur durch »jüdische Einflüsse« zerstört worden.
Indem Reber-Gruber die »Arierin« als Kulturträgerin und Wächterin der »Rassenreinheit« beschwor und betonte, dass weibliche Eigenschaf­ten für bestimmte Berufe wichtig seien, eröffnete sie Spielräume – allerdings strikt im Rahmen des faschistischen Systems. Sie pochte auf »gediegenes Wissen« für Mädchen und Frauen, soweit dieses für den als natürlich und »artgemäß« betrachteten Beruf der Hausfrau und Mutter notwendig schien oder für den Fall, dass einer Frau »der natürliche Beruf versagt bleibt«. Die Frau müsse auch in Mathematik, Naturwissenschaften und Volkswirtschaftslehre Bescheid wissen, um ihr Heim zu einer »Pflegestätte deut­scher Kultur« machen und die Kinder zu »rassischer Gesinnung« erziehen zu können. Deswegen seien separate Grund- und Volksschulen, Berufs­schulen und Oberschulen für Mädchen notwendig. Die Koedukation wollte sie komplett abschaffen.
Meist vergebens protestierte Reber-Gruber ge­gen die schlechtere Bezahlung von Lehrerinnen, gegen die Entlassung verheirateter Kolleginnen oder den Erlass, dass Frauen keine leitenden Positionen in Ministerien und Behörden mehr bekommen sollten. Als Schulleiterinnen in Bayern abgesetzt wurden, schrieb sie: »Nach den letzten Ereignissen vergeht mir schon jede Freude an der Arbeit. Unsere alten Gegnerinnen werden triumphieren, dass man die Parteigenossinnen so behandelt.«
Die NS-Herrschaft stellte in dieser Hinsicht allerdings keinen Bruch dar, sondern steht für Kontinuität. Niedrigere Gehälter für Lehrerinnen waren auch in der Weimarer Republik üblich. Der Philologenverband unterstützte wie die ­NSDAP eine Kampagne gegen Doppelverdiener, die sich gegen berufstätige Ehefrauen richtete. Deutschnationale, Zentrum, SPD und ­NSDAP stimmten im Mai 1932 einem Gesetz zu, wonach verheiratete Beamtinnen zuerst entlassen werden konnten. Sowohl nach dem Ersten wie nach dem Zweiten Weltkrieg und nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 wurde die Forderung erhoben, Frauen sollten zu Heim und Herd zurückkehren.
Dagegen sprach der Arbeitskräftemangel im Zuge von Kriegsvorbereitung und Krieg. Selbst die Reber-Gruber verhasste Gertrud Bäumer wurde 1941 wieder als Regierungsrätin ins Ministerium berufen, aus dem sie 1933 trotz heftiger Proteste entlassen worden war. Einer Bekannten schrieb die »Reichsgustl«, man werde in den nächsten Jahrzehnten von Millionen von Frauen verlangen müssen, dass sie Hausfrauen, Mütter und berufstätig seien, auch als Lehrerinnen, sonst müssten die Schulen geschlossen werden. Das seien »eiserne Notwendigkeiten«, wenngleich »kein erstrebenswerter Zustand«. Alle Mäd­chen müssten in einem Beruf eingesetzt werden können, die Schule müsste dazu die Grundlage vermitteln, forderte Reber-Gruber.

Weibliche Seelenkunde
Reber-Gruber unterstellte wie andere führende Nationalsozialistinnen eine besondere, intuitive weibliche Geistigkeit, die über den angeblich männlich-analytischen Verstand hinausgehe. Die Frau habe »infolge ihrer natürlichen Anlage, ihrer größeren Ehrfurcht vor dem Leben, die Fähigkeit zu jener inneren Hingabe, die das Wesen der Dinge tiefer erschließt, ihren wahren Wert und Gehalt erschaut durch liebevolles Versenken«. Diese nicht rationale, angeblich spezifisch weibliche Erkenntnisfähigkeit wurde abge­leitet aus einer größeren Nähe zur Natur, die wiederum im Potenzial von Schwangerschaft und Gebärfähigkeit begründet sei.
Implizit stellte Reber-Gruber diese »weibliche Erkenntnisfähigkeit« über die »männliche« Wissenschaft, die sie bezichtigte, einen kulturellen Niedergang nicht aufgehalten zu haben. Sie bemühte die germanische Vorzeit, um ihre Ansichten zu legitimieren: »Dieses ahnende, mit dem eigenen Sein zutiefst verwurzelte Erkenntnisvermögen der Frau wurde von unseren Vorfahren verstanden und bestärkt durch die Wertung, die es erfuhr. Ich bin überzeugt, dass das Zurückwandern zu den verschütteten Quellen unseres Deutschtums, die Verankerung der Begriffe Rasse, Blut und Boden im völkischen Leben, ganz von selbst die Frau aus ihrer vorübergehenden Zurückstellung holen wird.«
Diese Überlegungen verdichtete sie zum Postulat einer »weiblichen Seelenkunde«. Eine deutsche Psychologie müsse sich an der »Ganzheit« Mensch orientieren und »Rassenseelenkun­de« als »deutsche Wissenschaft« begründen. Daraus wiederum sollte eine Geschlechterpsychologie entwickelt werden. Auf der Grundlage einer solchen rassistisch fundierten »weiblichen Seelenkunde« sowie dem »Polaritätsgesetz« zwischen Mann und Frau solle eine »eigenständige und eigenwüchsige Mädchen- und Frauenbildung« begründet werden, »im Sinne des vom Führer gegebenen Erziehungszieles der Frau«.

Die Gnade der weiblichen Geburt
Im Dezember 1941 bat Reber-Gruber das Kultus­ministerium um einen Lehrauftrag für »weibliche Erziehung« an der Ludwig-Maximilians-Uni­versität, weil die Pasinger Hochschule in eine Lehrerbildungsanstalt exklusiv für Männer um­gewandelt werden solle, wie sie schrieb. Die Universität lehnte aus formalen wie sachlichen Gründen ab. Sie sei zwar eine »begeisterte Nationalsozialistin« und »warmherzige Erzieherpersönlichkeit«, aber keine Wissenschaftlerin. Der Führer des NSLB, Fritz Wächtler, erreichte, dass Reber-Gruber in Pasing als Dozentin bleiben konnte. Auch ihre Funktion im NSLB behielt sie bis Kriegsende, wobei ihre Tätigkeit wegen der faktischen Auflösung des Verbandes allmäh­lich zum Erliegen kam.
Das bayerische Kultusministerium entließ Reber-Gruber als Dozentin im Oktober 1945 auf Weisung der US-Militärregierung. Bereits im Juni war die Nationalsozialistin von den US-Behörden verhaftet und interniert worden. Sie starb im Januar 1946 nach einer Gallenoperation im Lazarett Garmisch. Die Hauptkammer München leitete 1949 posthum ein Entnazifizie­rungsverfahren ein, weil Verwandte und eine Freundin Reber-Grubers um das Erbe stritten, stellte das Verfahren jedoch nach einigen Wochen ein und verzichtete darauf, das Vermögen der Nazi-Funktionärin einzuziehen. Die Kammer verniedlichte ihre Betätigung im NS und tat so, als habe sie bloß zugunsten einer unpolitischen weiblichen Erziehung wirken wollen. Es wurde das Bild einer »von der NS-Idee zwar überzeugten, aber politisch nicht gefährlichen Idealistin« gezeichnet, die als »minder belastet« einzustufen gewesen wäre.
Auch die meisten männlichen Nazis wurden so verharmlost. Doch darüber hinaus profitierten Frauen von den Rollenklischees, die Arbeit von Hunderttausenden von NS-Funktionärinnen wurde entpolitisiert. Die Vorstellung von der »Gna­de der weiblichen Geburt«, die die Schweizer Forscherin Karin Windaus-Walser den deutschen Kolleginnen 1988 spöttisch vorhielt, gab es bereits in der Zeit der so genannten Entnazifizierung, die faktisch die Reintegration der Nazi-Täterinnen in die entstehende Bundesrepublik bedeutete.