Wie der Staat in Brandenburg gegen rechtsextreme Gewalt vorgeht

Die Staatsantifa schlägt zu

Brandenburg ist das einzige ostdeutsche Bundesland, in dem die rechtsextreme Gewalt im Jahr 2008 abgenommen hat. Die Behörden setzen auf eine »Politik der harten Hand«, deren autoritäre Formen auch in der Antifa kaum zu Kritik führen.

Mitte Mai hatte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) keine allzu guten Nachrichten zu verkünden: Während der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts hob er vor allem hervor, dass die Zahl rechtsextremer Gewalttaten im Jahr 2008 erheblich zugenommen hatte. Auffällig war dabei: Brandenburg ist das einzige ostdeutsche Bundesland, in dem die Zahl rechts­extremer Gewalttaten 2008 zurückgegangen ist. Ausgerechnet Brandenburg – das Land, in dem der erste rassistische Mord nach dem Fall der Mauer geschah und in dem wegen gewalttätigen Übergriffen und barbarischen Morden etliche Regionen zu No-Go-Areas für Migranten oder Linke wurden.

Bei aller Vorsicht, mit der die Aussagekraft von polizeilichen Statistiken betrachtet werden muss, scheinen die Zahlen tatsächlich eine Entwicklung widerzuspiegeln. Auch die vom Ver­ein »Opferperspektive« erhobenen Zahlen bestätigen das. Ihr Rückgang darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass Nazis in Brandenburg immer noch viele Gewalttaten begehen. Die »Opferperspektive« zählte im Jahr 2008 104 Angriffe mit 174 Geschädigten, die Attacken richteten sich zu etwa je einem Drittel gegen Antifaschisten, An­gehörige nicht rechtsextremer Subkulturen und vermeintliche oder tatsächliche Migranten. Die am schwersten wiegende Tat war der von Angehörigen der rechtsextremen Szene begangene Mord an einem Obdachlosen im nordbrandenburgischen Templin.
Die Landesregierung und die Justiz des Landes verweisen stolz darauf, dass ihr hartes Vorgehen den Rückgang der Gewalt bewirkt habe. »Von der Polizei bis zu den Gerichten« werde »schnell reagiert«, sagte der Brandenburger Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg kürzlich im Deutschlandfunk. Und tatsächlich bekommen militante Nazis in Brandenburg einen hohen, polizeilichen und juristischen Verfolgungsdruck zu spüren.
Zwar wurden die rechtsextremen Gewalttaten nach dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung auch in Brandenburg bagatellisiert und ihre Opfer wurden von den Behörden ignoriert. Doch schon vor dem »Antifa-Sommer« des Jahres 2000 und dem »Aufstand der Anständigen« setzte sich in der Landesregierung, Justiz und Poli­zeiführung die Erkenntnis durch, dass die Taten der Nazis einen Angriff auf das staatliche Gewaltmonopol und ein Hindernis für die ökonomische Entwicklung des Landes darstellten. ­Infolgedessen wandten die Behörden zunehmend eine »Politik der harten Hand« an, die vor allem auf die organisierte, militante rechtsextreme Szene abzielte.
Organisationen, die nicht wie die NPD und die DVU unter das Parteienprivileg fallen, werden vom Innenministerium verboten und zerschlagen. Gewalttätige Nazigruppen riskieren, als terroristische bzw. kriminelle Vereinigungen verfolgt zu werden. Nach öffentlichkeitswirksamen Propagandaaktionen, wie z.B. der Verbreitung eines Flugblatts der NPD gegen die Verlegung eines Asylbewerberheimes in Potsdam im März, leiten die Behörden sehr schnell Ermittlungsverfahren z.B. wegen Volksverhetzung ein. Dabei wird gerade in dem Potsdamer Fall deutlich, dass der Auslöser für die Maßnahme nicht der Inhalt des Flugblatts, sondern dessen Verfasser war. Denn die politischen Aussagen der NPD unterschieden sich in diesem Fall nur geringfügig von der Rhetorik von der »Überfremdung«, die auch demokratische Parteien oder Bürgerinitiativen bisweilen vorbringen. Auch wenn derartige Ermittlungsverfahren später ohne Ergebnis eingestellt werden, so erfüllen sie doch ihren Zweck: Die Propaganda der vom Verfassungsschutz beobachteten Rechtsextremen ist in der Öffentlichkeit mit einem kriminellen Verdacht behaftet. Nebenbei dürften die Polizei und der Verfassungsschutz während solcher Ermittlungen auch Erkenntnis­se über die Szene gewinnen. Und auf der wichtigen symbolischen Ebene haben staatliche Stellen Stärke und Handlungsbereitschaft demonstriert.

Die Brandenburger Landesregierung versucht zudem, die Möglichkeiten der Strafverfolgung von Nazis mit Gesetzesänderungen zu sichern und zu vergrößern. Seit dem Jahr 2000 strebt sie eine Verschärfung des Strafgesetzbuches dahingehend an, dass für so genannte Hass- oder Vorurteilsverbrechen zukünftig zwingend Haftstrafen anstelle von Geld- oder Bewährungsstrafen verhängt werden. Im vergangenen Jahr gelang es ihr, dafür eine Mehrheit im Bundesrat zu finden, so dass ein entsprechender Gesetzesvorschlag mittlerweile dem Bundestag vorliegt.
Kritik an diesem staatlichen Vorgehen wird kaum geübt. Das ist durchaus nachvollziehbar: Eine solche Kritik könnte als Solidarisierung mit den Rechtsextremen missverstanden werden. Außerdem erleichtert schon die Verurteilung einzelner, besonders umtriebiger Nazis zu Haftstrafen das Leben ihrer möglichen Opfer. Zugleich wird der offizielle Kampf gegen Nazis aber im höheren, nationalen Auftrag geführt. So bekannte Generalstaatsanwalt Rautenberg kürzlich im Spiegel: »Für mich persönlich ist die strafrechtliche Bekämpfung des Rechtsextremismus keine normale Berufserfüllung, sondern gerade­zu eine patriotische Pflicht.« Im historisch ge­läuterten und sich deshalb zum demokratischen, schwarz-rot-goldenen Jubelnationalismus bemüßigt fühlenden Deutschland gilt der Nazi derzeit als Nestbeschmutzer.
In Antifa-Kreisen finden diese Tatsachen jedoch größtenteils keinen Eingang in die Überlegungen und die Kritik. Seitdem die Behauptung, die Nazis und der Staat seien doch nur Komplizen, im offenen Widerspruch zur Wirklichkeit steht und an vielen Orten in Brandenburg so genannte runde Tische gegen den Rechtsextremismus eingerichtet wurden, mangelt es an der Kritik an der deutschen Gesellschaft, einer Kritik, wie sie in den neunziger Jahren ausgehend vom Stichwort vom »rechten Konsens« entwickelt wurde – und damit auch an der Kritik am autoritären Staat, der mit seinen Mitteln eben auch gegen Nazis vorgeht, wenn es die Lage erfordert.

Beispielhaft dafür steht die von Brandenburger und Berliner Antifa-Gruppen gemeinsam mit der Linksjugend Solid und der DGB-Jugend betriebene Kampagne »Keine Stimme den Nazis« anlässlich der Kommunalwahlen im vergangenen Jahr. Unter der Überschrift »NPD: Betrüger, Schläger, Kriminelle« machte die Kampagnenzeitung insbesondere darauf aufmerksam, dass keine andere Partei so viele vorbestrafte Mitglieder habe wie die NPD. Nicht die nationalsozialistische Ideologie erschien als kritikwürdig, sondern der Gesetzesbruch. Das von Generalstaatsanwalt Rautenberg propagierte Bündnis gegen den Rechtsextremismus, das »vom stramm konservativen bis hin zum autonomen Spektrum« reichen soll, funktioniert nicht nur in diesem Fall perfekt.