Besessene Protestanten

»Ich habe Angst, ich weiß nicht, was wir nun tun sollen«, sagte Sorin Ciurar. Er gehört zu den 115 in Belfast lebenden Rumänen, die am Mittwoch vergangener Woche gezwungen waren, vor Angriffen aus ihren Häusern zu fliehen. Rechtsextremisten u.a. aus der britischen Organisation Combat 18 warfen Steine und schlugen Fenster ein. Viele Rumänen fanden Broschüren mit Auszügen aus Hitlers »Mein Kampf« in ihren Briefkästen. Die rumänischen Familien wurden, begleitet von Polizisten und freiwilligen Helfern, zunächst in einer Kirche untergebracht, später zogen sie in das Sportzentrum O-Zone um. Die Angriffe sind Teil einer rassistischen Kampagne, deren Ursache Eamonn McCann, Kommentator der Tageszeitung Guardian, »in der Besessenheit der protestantischen Arbeiterklasse für ihre Identität und Interessen« sieht. Mit dem Friedensprozess und dem Einzug der irisch-republikanischen Partei Sinn Féin in die Regierung verloren die Protestanten an Einfluss und Ansehen. McCann zufolge sind »speziell die Jugendlichen die Verlierer der Veränderungen in Nordirland«. Gegen mehrere Tatverdächtige im Alter zwischen 15 und 21 Jahren wird in dieser Woche vor Gericht verhandelt. Für die These, dass die rechten Protestanten sich neue Feinde gesucht haben, spricht auch die Statistik. Seit dem Beginn des Friedensprozesses im Jahr 1996 ist die Zahl der rassistischen Übergriffe um 450 Prozent gestiegen.
Nur 14 der 115 Rumänen wollen in Belfast bleiben. Rechtlich ab­gesichert sind sie in Nordirland nicht, denn die britischen Gesetze zum Schutz von Minderheiten haben hier keine Gültigkeit. Während Malcolm Morgan, der Pastor der Kirche, in der die Rumänen Zuflucht fanden, noch hoffte, er könne ihnen die »andere, warmherzige Seite Nordirlands zeigen«, wurden in der Nacht zum Dienstag sieben Fensterscheiben seiner Kirche ein­ge­wor­fen.   ln