Streit um das Schanzenfest in Hamburg

Kein Krawall ohne Anmeldung

In Hamburg tobt ein Streit um das Schanzenfest. Nach den heftigen Auseinandersetzungen im vorigen Jahr verlangte der Innensenator nach Verantwortlichen.

Das alljährliche Stadtteilstraßenfest im Hamburger Schanzenviertel wird gemeinhin als »traditionell« bezeichnet. »Traditionell« ist seit dem Jahr 1988 der nichtkommerzielle Charakter der Veranstaltung mit Flohmarkt-, Essen- und Getränkeständen sowie dem Bühnenprogramm am Tage. Seit 2003 sind aber auch die Auseinandersetzungen zwischen Festbesuchern und der Polizei am Abend »traditionell«, die mit jedem Jahr an Heftigkeit zugenommen haben. Vorläufiger Höhepunkt waren stundenlange Auseinandersetzungen im September vergangenen Jahres, bei denen zahlreiche Polizisten verletzt wurden.

Für Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) war das zu viel der Tradition. Er teilte bereits im vergangenen Jahr mit, unter seiner Verantwortung werde es in Zukunft kein unangemeldetes Schanzenfest mehr geben, zumal für den stramm konservativen Innenpolitiker die Bekämpfung so genannter rechtsfreier Räume zu seinen dringendsten politischen Anliegen zählt. Entsprechend obsessiv hat Ahlhaus gleich mehrfach und ungefragt in den vergangenen Monaten wieder und wieder verkündet, ohne einen rechts­staatlichen Rahmen werde es kein Fest geben kön­nen. Doch Ahlhaus begeht damit den Fehler aller innenpolitischen Populisten: Je mehr er auf Recht und Ordnung pocht, umso größer ist die Lust seiner politischen Gegenspieler, Anarchie und Chaos zu organisieren.
Tatsächlich plant die Szene bereits seit Ende vorigen Jahres das nächste unangemeldete Schan­zenfest, das mittlerweile für den 4. Juli vorgesehen ist. Je näher der Termin rückt, desto bizarrer wird das Bündnis für ein unangemeldetes Fest im Schanzenviertel. Sowohl die schwarz-grüne Bür­gerschaftskoalition als auch der ebenfalls schwarz-grüne Bezirk bestehen nicht mehr auf einer Anmeldung. Ein erster vom zuständigen Bezirk initiierter »Runder Tisch« musste wegen heftiger Proteste abgebrochen werden. Beim zweiten Versuch fand sich keine Gruppe aus dem Stadtteil, die sich für eine Anmeldung zur Verfügung stellen wollte.

Inzwischen möchten die zuständigen Behörden eine »qualifizierte« Duldung ohne Anmeldung. Das klingt merkwürdig, entspricht aber dem Zustand der vergangenen Jahre. Diese Lösung dürfte im Wesentlichen der Erkenntnis entspringen, dass eine Verhinderung des Fests erst recht zu ganztägigen Krawallen statt der auf den Abend beschränkten Auseinandersetzungen führen könnte. Und selbst eine auf Biegen und Brechen erzwungene Anmeldung könnte wiederum keine Konfrontationen nach der Veranstaltung verhindern.
Wie dem Innensenator geht es auch den Veran­staltern ums Prinzip. Da seit gut einem Jahr die Gentrifizierung zu einem merklichen Wandel im Gewerbe des Schanzenviertels geführt hat und der Bau von Eigentumswohnungen boomt, ist das Schanzenfest eines der letzten Relikte des längst nicht mehr alternativen Stadtteils. Aber dank der verbalen Kraftmeiereien des Hamburger Innensenators scheint das Fest so politisch wie schon lange nicht mehr zu werden. Mit den Aufrufen zur Teilnahme an dem Fest sind die vorbereitenden Gruppen jedenfalls mehr als zufrieden. Und was den abendlichen Teil angeht, ist offensichtlich auf Innensenator Ahlhaus Verlass.