Zitatenschatz

18. Mai 1664: »Heute begann ich damit, Buttermilch und Molke zu trinken – ich hoffe, das tut mir gut.« 19. Mai 1664: »Ziemlich ordentlicher Stuhlgang, was ich der Molke zuschreibe, desglei­chen mehrere gute Fürze.« Wir lesen mit wachsendem Vergnügen die Tagebucheinträge eines Menschen, der offenbar nicht uneitel und mit liebevoller Akribie und erkennbarer Freude an der Sache am Werk ist. Und zwar ganz unabhängig davon, ob er uns von seiner Verdauung erzählt, uns über seine Ehestreitigkeiten und zahlreichen Affären unterrichtet oder von den politischen Geschehnissen seiner Epoche berichtet. Die gewaltige Komik dieses Werkes resultiert aus der Tatsache, dass tiefgründige Erörterungen, die mit mildem Pathos und der erns­ten Würde des wohlhabenden Bürgersmanns und Staatsbeamten vorgetragen werden, sich un­vermittelt neben Alltagsbanalitäten, Klatschgeschichten oder Passagen von rührender, stiller Heiterkeit finden. 31. Juli: »Stelle fest, dass ich jetzt mehr als 1 000 Pfund besitze, das erste Mal, dass ich diese Grenze überschritten habe. Ich danke Gott dafür und bete, dass er mir Kraft gibt, noch mehr zu verdienen.« Beinahe zehn Jahre lang führte der Mann sein Tagebuch, von 1660 bis 1669. Und es gibt darin Hunderte von Stellen, die man zitieren möchte. Samuel Pepys, der im 17. Jahrhundert lebte und als Finanzbuchhalter im königlich-britischen Flottenamt tätig war, hat, freilich ohne dies zu beabsichtigen – oder besser: gerade weil er dies nicht im Sinn hat­te –, Weltlitera­tur geschaffen. Und wir dürfen sie heute lesen.

Samuel Pepys: Tagebuch aus dem London des 17. Jahr­hunderts. Reclam-Verlag, Stuttgart 2009. 480 Seiten, 24,90 Euro