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Wer knietief im Dispo steht, kennt das Prinzip: Erst leiht man sich vom Mitbewohner Geld, dann vom Kollegen, um den Mitbewohner auszuzahlen, dann von der Freundin oder vom Freund, um den Kollegen auszuzahlen – und das geht dann immer so weiter, bis niemand mehr da ist, der noch etwas rausrückt. Dann gibt es riesigen Ärger, es drohen einsame Abende.
Auch Bernard »Bernie« Madoff, ein ehemaliger Rettungsschwimmer, Gartenbewässerungsanlageninstallateur, später dann beachtetes Mitglied der New Yorker High Society und finanzstarker Wohltäter, hatte dieses Prinzip schon früh für sich entdeckt und perfektioniert. Der 71jährige hat mit der Schneeballmethode, bei der jeder neue Anleger mit seinem Geld dafür sorgt, dass sein Vorgänger einen Gewinn erhält, 65 Milliarden Dollar von insgesamt 4 800 Anlegern verzockt und muss nun für 150 Jahre ins Gefängnis. Damit wird das »Monster der Wall Street«, wie er in amerikanischen Medien mittlerweile genannt wird, in die Geschichte eingehen. Nicht einmal Enron, einer der ehemals größten Energiekonzerne Amerikas, kann da mithalten. Dessen Management verursachte durch Bilanzfälschungen und Veruntreuung von Geldern einen Schaden von 60 Milliarden Dollar – Bernie Madoff legte da nochmals fünf Milliarden drauf.
Die Menge des ihm anvertrauten Kapitals beweist nicht nur, dass Madoff kein schlechtes Gewissen und exzellente schauspielerische Fähigkeiten hatte, sondern wie unbefangen seine Gläubiger an ihre Rendite glaubten. Denn keiner wusste, wie Madoff an Geld kam, jeder begnügte sich damit zu wissen, dass Geld kam. Neben berühmten Privatanlegern wie Steven Spielberg, John Malkovich und Larry King gaben auch angesehene Banken wie die niederländische Fortis oder das französische Kreditinstitut BNP Paribas dem netten Herren ihr Geld, damit es sich auf wundersame Weise vermehre. Aber am schlimmsten traf es Stiftungen, gemeinnützige Organisation, Universitäten und, wie immer, private Kleinanleger. Allesamt vertrauten sie Madoff. Für ihn, den Zahlenjongleur, bedeutet das Urteil theoretisch: 150 Jahre mal 365 Tage gleich 54 750 einsame Abende in der Gefängniszelle. Aber der 71jährige weiß ja, dass nicht alle Rechnungen aufgehen müssen.