Lateinamerikanische Solidarität mit Ahmadinejad

Glückwunsch, Ahmadinejad!

Die Staaten der von Venezuela geführten Wirtschaftsallianz Alba solidarisieren sich mit Ahmadinejad. Gegen die USA ist jeder Bündnispartner willkommen.

»Die Achse des Bösen ist größer geworden«, ironisierte der bolivianische Präsident Evo Morales das bekannte Wort des ehemaligen US-Präsidenten. Auf dem sechsten Treffen der Alba im venezolanischen Carabobo traten am Mittwoch vergan­gener Woche mit den Karibikstaaten St. Vincent-Grenada und Antigua-Barbuda sowie Ecua­dor drei weitere Staaten der »Bolivarianischen Allianz für die Völker unseres Amerika« bei. George W. Bush, so erklärte Morales seine Aussage, hätte das Bündnis Alba, das vom venezolanischen Präsiden­ten Hugo Chávez gegründet worden war, als Teil der Achse des Bösen bezeichnet. Allerdings hatte Bush lediglich den Iran, den Irak unter Saddam Hussein und Nordkorea zur »Achse des Bösen« gezählt.
Tatsächlich haben die nun neun Länder, die der Alba angehören, recht wenig mit den Staaten gemein, die Bush zur »Achse des Bösen« zählte. Doch mit einem dieser Länder, dem Iran, bestehen seit einiger Zeit enge Verbindungen. Hugo Chávez besuchte häufig seinen iranischen Amtskollegen Mahmoud Ahmadinejad und handelte Verträge zur technologischen Kooperation aus. Iranische und venezolanische Ingenieure kooperieren beim Bau von Ölanlagen und von Traktoren, ein reger Technologietransfer wird gepflegt. In erster Linie war es ein realpolitisches Bündnis, das vor allem auf der gemeinsamen Feindseligkeit gegenüber den USA basierte. Ob nun Ahmadinejad oder Mou­savi im Iran regiert, hätte den Alba-Staaten eigent­lich egal sein können.

Doch nun, am Ende des sechsten Gipfels der Alba, solidarisierte sich die Allianz eindeutiger als je zuvor mit der Regierung Ahmadinejads. Chávez war einer der ersten ausländischen Staatschefs, die Ahmadinejad zu seinem umstrittenen Wahlsieg gratulierten. In der Abschlusserklärung des Gipfeltreffens verurteilte die Allianz die »verleum­derische Kampagne gegen dieses Bruderland«, die von den westlichen Medien ausgehe, erklärte ihre »Unterstützung der Islamischen Revolution im Iran, der Institutionen der Islamischen Republik des Iran und der Regierung des Präsidenten Ahmadinejad« und wies »die ausländische Einmischung in innere Angelegenheiten zurück«.
Dass friedliche Demonstrationen in iranischen Großstädten gewaltsam von den Milizen auseinandergetrieben und viele Menschen getötet, verhaftet und gefoltert wurden, war den sich als links verstehenden Staatschefs offenbar egal. Die Proteste führte Hugo Chávez ohnehin auf die »Einmischung« der »imperialistischen Länder« zurück. »Die Leute auf der Straße, die demonstrie­ren, haben Heckenschützen, und dahinter stecken die CIA und die Europäische Union«, erklärte er am Rande des Gipfels.
Innere Konflikte im Iran streiten die bolivarianos in ihren Medien einfach ab. Da der Iran mit der Alba verbündet ist, muss es sich um eine Regierung im Interesse des Volkes handeln, also müssen auch die Proteste von außen, von den USA, in das Land getragen worden sein. In verschwörungsideologischer Manier führen die Autoren der bolivarianischen Internetplattform Aporrea die Proteste im Iran auf die Aktivität von US-Geheim­diensten zurück. Pedro Carreño schrieb am 17. Ju­ni auf dieser Seite, westliche Medien würden das Ausmaß der Proteste übertreiben. Er rückt die »grüne Welle« Mousavis in die Nähe der Orangenen Revolution in der Ukraine und anderer Protestbewegungen, und hinter all diesen Phänome­nen, so unterschiedlich sie auch sein mögen, sieht er eine Ursache: »Wie man sehen kann, richtet das nordamerikanische Imperium, das eine lange Erfahrung darin hat, legitime Regierungen, die nicht mit seinen wirtschaftlichen Ideen korrespondieren, zu stürzen, nun seine Batterien auf den Iran, um seine Taktiken des sanften Putsches in Gang zu setzen.«

Dass die USA insbesondere in Lateinamerika schon sehr oft Putschisten unterstützten, um ihre Interessen zu verfolgen, ist nicht von der Hand zu weisen. Woran Carreño die Unterstützung der USA für die Protestierenden im Iran erkennt, verschweigt er. Auch in etlichen anderen Artikeln von Vordenkern der »bolivarianischen Revolution« ist davon die Rede, dass die Proteste von den USA finanziert würden. Als Quellen dienen oftmals Aussagen von iranischen Diplomaten und Handelsattachés. Die Idee, dass die iranische Bevölkerung selbst ein Interesse haben könnte, ge­gen Ahmadinejad auf die Straße zu gehen, kommt den Analytikern von Aporrea offenbar nicht in den Sinn. Solche Aussagen zeigen, wie stark das verschwörungsideologische Denken unter vielen An­hängern der bolivarianischen Revolution verbreitet ist. Die Regierung Ahmadinejads ist gut, weil sie mit Venezuela verbündet ist. Richtet sich eine Protestbewegung gegen sie, müssen die USA dahinter stecken.
Doch nun anzunehmen, dass die Anhänger des »Bolivarianismus« auch Befürworter des islamistischen Regimes im Iran sind, wäre auch falsch. Vor allem zeigen solche Aussagen die Ahnungslosigkeit und Ignoranz vieler überzeugter Anhänger des Bolivarianismus. Dass freie Gewerk­schaften im Iran verboten sind, Oppositionelle gefoltert werden und Homosexualität mit dem Tode bestraft werden kann, ist den meisten bolivarianos nicht bekannt. Diesbezügliche Medienberichte werden entweder nicht wahrgenommen, als »westliche Propaganda« abgetan oder mit dem Verweis auf »kulturelle Differenzen« weggewischt. Man kann jedoch davon ausgehen, dass die meisten linken Basisaktivisten, sollten sie einmal tatsächlich in den Iran reisen, ziemlich schnell von der vermeintlichen »Bruderrevolution«, wie Chávez einmal die »islamische Revolution« nannte, enttäuscht sein würden.

Doch geht es vor allem darum, einen »Block gegen den Imperialismus« aufzubauen. Da ist man nicht pingelig in der Wahl der Bündnispartner, auch in Lateinamerika werden reaktionäre Tendenzen ignoriert. In Nicaragua sind viele linke Ba­sisaktivisten enttäuscht über Daniel Ortegas Politikstil und sein Verbot von Abtreibungen, selbst solchen, die auf der Grundlage einer medizinischen Indikation vorgenommen werden. Das ist aber den meisten bolivarianos egal, es geht eben um die Einigkeit im Kampf gegen die USA.
Doch auch die Regierung Brasiliens, das der Alba nicht beigetreten ist, erkennt das Wahlergebnis im Iran an. Man möchte die Beziehungen zum Iran nicht verschlechtern und den Eindruck vermeiden, eindeutig auf der Seite der USA zu stehen. Präsident Luis Inácio Lula da Silva verglich die Protestierenden sogar mit enttäuschten Fußballfans. Das Außenministerium teilte jedoch mit, dies sei nur Lulas persönliche Einschätzung, man wolle sich in innere Angelegenheiten nicht einmischen.
Chávez hat da weniger Bedenken, wenn es darum geht, einen antiimperialistischen Block aufzubauen. Er bietet auch ausländischen Politikern gerne seine Hilfe an. Als am Sonntag in Honduras das Militär gegen den Präsidenten Manuel Ze­laya putschte, sagte Chávez ihm die Unterstützung Venezuelas zu. »Wir werden diesen Putsch brechen, von außen und von innen«, kündigte er an. Das wäre eine »Einmischung in innere Angelegenheiten«, doch setzt Chávez für sich selbst offenbar andere Maßstäbe als für die USA.