Die Mittelkürzungen für Frauenhäuser

Hort des Antifeminismus

Nach Ansicht des Soziologen Gerhard Amendt sind Frauenhäuser überflüssig. Die Mittelkürzungen der vergangenen Jahre legen nahe, dass diese Ansicht auch bei den Behörden weit verbreitet ist.

Als der Soziologe Gerhard Amendt unlängst in der Welt forderte, Frauenhäuser abzuschaffen, diese »Horte des Männerhasses«, blieben empörte Reaktionen schlichtweg aus. Amendt bezeichnete Frauenhäuser als Orte, an denen nicht professionell ausgebildete, »radikalfeministische« Mitarbeiterinnen nichts anderes tun würden als die Frauen, die dort Zuflucht suchen, ideologisch zu zermürben und ihnen einzutrichtern, dass die Welt aus gewalttätigen Männern und gewaltlosen Frauen bestehe.

Seine Erkenntnisse stützt der 70 jährige auf die unter seiner Leitung erstellte »Scheidungsväter-Studie«. Danach gaben 30 Prozent der befragten Männer an, es sei zu »Handgreiflichkeiten« in der Scheidungsphase gekommen. In 60 Prozent der Fälle habe die Partnerin mit der Gewalt begonnen, heißt es im Abschlussbericht. Amendt schildert zwar nicht, wie man sich das genau vorzustellen hat, gibt aber eindeutige Hinweise darauf in seiner Forderung nach der dringend nötigen Erforschung der »psychodynamischen Aspekte«, wie die Handgreiflichkeiten »aus der Sicht des Mannes sich entwickelten und wie er sie interpretiert; zum Beispiel als Ausdruck eigener Hilflosigkeit, als Verführung oder Demütigung durch die Partnerin etc.« Im Klartext: Wenn die Frau provoziert, verführt oder demütigt, kann einem Mann schon mal die Hand ausrutschen.
Der Deutsche Frauenrat reagierte entsetzt auf den Artikel: »Die meisten Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern würden niemals die abenteuerliche Behauptung aufstellen, Frauen seien sozu­sagen von Natur aus friedfertig und zu keiner Gewalttat fähig. Ein Realitätsverlust solchen Ausmaßes bleibt vielmehr dem Autor überlassen.« Die Tatsache, dass auch Frauen Gewalt anwenden, »kann kein Grund dafür sein, Frauen, die Opfer männlicher Gewalt werden, die bewährte Zufluchtsstätte Frauenhaus zu verwehren«.

Die Existenz dieser Zufluchtsstätten ist allerdings keineswegs gesichert. Seit Jahren beklagen Frauenverbände, dass ihnen finanzielle Mittel und Stellen gestrichen werden, was dazu führt, dass viele Plätze wegfallen oder ganze Häuser geschlossen werden müssen. So verringerte die Regierung in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2005 die Zuschüsse für alle 62 vom Land geförderten Frauenhäuser um 30 Prozent. Im Jahr 2004 strich die hessische Regierung, treffenderweise unter dem Namen »Operation Sichere Zukunft«, acht von 32 Frauenhäusern die Landesgelder komplett. In Hamburg wollte der Senat im selben Jahr 44 Frauenhausplätze streichen, von denen aber 31 durch Proteste gerettet werden konnten. In Thüringen wurden wegen ausbleibender Landesmittel zehn von 24 Frauenhäusern geschlossen, rechnet die Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser (Zif) vor.
Rund 20 000 Frauen und ebenso viele Kinder suchen jährlich Schutz in den gut 360 deutschen Frauenhäusern. Nach Angaben des Vereins Frauenhauskoordinierung (FHK), dem gut 260 der Einrichtungen angehören, welche die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas, das Diakonische Werk, der Paritätische Wohlfahrtsverband, der Sozialdienst katholischer Frauen oder freie Träger betreiben, werden 60 Prozent der Frauen von der Polizei oder professionellen Diensten in die Häuser vermittelt. Die »Handgreiflichkeiten«, von denen Amendt spricht, »erfüllen in der Regel die Merkmale von Straftatbeständen«, heißt es in einem Offenen Brief an den Soziologen. So sei das Frauenhaus ein Ort, der den Frauen und Kindern »in einer lebensbedrohlichen Situation Schutz und Sicherheit gewähren kann«. Die Tat­sache, dass statistisch gesehen jede vierte Frau in Deutschland im eigenen Haushalt gedemütigt, geprügelt, vergewaltigt wird (oder gleich alles zusammen) , tut Amendt sichtlich genervt als die »4.-Frau-Chiffre« ab, die immer wieder angeführt werde.
Schwierigkeiten ergeben sich nicht nur wegen Kürzungen bei den – je nach Bundesland oder Kommune höchst unterschiedlich ausgestalteten – Zuschüssen. Problematisch für die Frauenhäuser und die schutzsuchenden Frauen ist auch das so genannte Tagessatzmodell, nach dem jedes Land entscheidet, wie viel ein Platz pro Frau oder Kind am Tag kostet. Die Höhe der Sätze reicht von 1,06 Euro in Thüringen bis 102 Euro in Bayern.
Hat eine Frau einen Arbeitsplatz oder Vermögen, muss sie den Tagessatz selbst bezahlen. Ist das nicht der Fall, müssen als »erwerbsfähig« geltende Frauen eine Eingliederungshilfe für Arbeitssuchende beantragen. Bis 2005 erhielten hilfsbedürftige Frauen Leistungen nach dem Sozialhilfegesetz. Jetzt, da ein Aufenthalt im Frauenhaus offensichtlich als Wiedereingliederungsmaßnahme in den Arbeitsmarkt gewertet wird, werden Erwerbsfähigkeit und Hilfsbedürftigkeit der Frau überprüft. Frauenhausmitarbeiterinnen berichteten den Vereinen FHK und Zif, das bürokratische Verfahren habe »einen regelrechten Abschreckungseffekt«.

Die Devise lautet also Schutz gegen Rechnung. »Dies ist ein verheerendes Signal für misshandelte Frauen und bei einem Ausbruchsversuch nach zum Teil jahrelangen Misshandlungen oft der Anlass, doch in der Misshandlungsbeziehung zu verbleiben«, heißt es bei Zif und FHK. Viele Frauen fallen aus der Übernahmeregelung nach den Sozialgesetzbüchern II und XII oder dem Asylbewerberleistungsgesetz heraus, etwa Auszubildende, Studentinnen und Frauen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus. »Diesen Frauen wird die Zuflucht praktisch verwehrt«, resümiert die FHK. Die drohende Verschuldung stelle ein Risiko für die betroffenen Frauen, aber auch für die Frauenhäuser dar. Da es lange dauert, bis solche Anträge bewilligt werden, bleiben sie häufig gerade dann auf den Kosten sitzen, wenn Frauen nur für kurze Zeit bleiben. »Die Konsequenz ist, dass die Häuser entweder ein Minus machen oder hilfsbedürftige Frauen ablehnen«, sagte Nicola Leiska-Stephan vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge bei einer Anhörung des Familienausschusses im Bundestag Ende vorigen Jahres – der ersten zur Finanzierung von Frauenhäuser, seit es sie gibt.

Fakt ist also, dass es bis heute nicht gelungen ist, ein »Schutz- und Unterstützungsnetz aufzubauen, welches allen betroffenen Frauen und mitbetroffenen Kindern bundesweit in allen Regionen gleichwertig offen steht und das Zuflucht suchende Frauen und Kinder nicht belastet und nicht zusätzlich gefährdet«, wie FHK und Zif dem Familienausschuss berichteten. Diese Tatsache ist schon bis zu den Vereinten Nationen durchgedrungen. Der Ausschuss zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau forderte die deutsche Regierung in diesem Jahr nachdrücklich dazu auf, die finanzielle Situation von schutzsuchenden Frauen zu verbessern. Auch nach der Empfehlung des Europa-Rats, die einen Schutzplatz pro 7 500 Einwohner vorsieht, müsste Deutschland die Anzahl der Plätze für Frauen und Kinder ­sogar noch um 4 000 auf 11 000 erhöhen.
Doch Regierung und Bundestag verfallen deswegen nicht gerade in Aktionismus. Zwar nahm der Bundestag im Mai einen Antrag von CDU/CSU und SPD zur Finanzierung von Frauenhäusern an. Der sieht außer umfangreichen Überprüfungen, ob ein bundesweit einheitliches Finanzierungsmodell möglich ist, und der Aufforderung, in dem im nächsten Jahr fälligen »Bericht zur Gleichstellung von Frauen und Männern« einen Schwerpunkt auf das Thema Frauenhäuser zu legen, nichts Wesentliches vor.
Derweil bleiben die Einrichtungen vielerorts überfüllt, wie gegenwärtig die sechs Hamburger Frauenhäuser. »Wir machen derzeit Notaufnahmen«, sagt Oya Cüre vom Verein Frauen helfen Frauen, »fünf Frauen und drei Kinder suchen derzeit einen Platz. Sie müssen in andere Bundesländer ausweichen.«