Ratten statt Schweine

»Ich habe zweimal im Jahr Schweine verkauft«, sagt Magdi Mosaad. »Diese Einnahmen kann ich nicht ersetzen.« Etwa 400 000 Menschen leben in Kairo davon, Müll einzusammeln und zu verwerten. Die christlich-koptischen Zabaleen fütterten mit dem organischen Abfall die Schweine und verkauften die gemästeten Tiere. Bis die Regierung im Mai entschied, alle Schweine schlachten zu lassen, angeblich um die Verbreitung der Schweinegrippe zu unterbinden. Weder der Widerspruch der Experten, die diese Maßnahme für überflüssig hielten, noch Warnungen vor den sozialen Folgen für eine der ärms­ten Bevölkerungsgruppen des Landes konnten die Massenschlachtung verhindern.
Weniger als drei Monate später haben sich alle damals geäußerten Befürchtungen bestätigt. Die von der Regierung gezahlte Entschädigung entsprach nur einem Bruchteil des Werts der Tiere, die Dauereinnahmen kann sie ohnehin nicht ersetzen. Viele Zabaleen können es sich nun nicht mehr leisten, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Der Arzt Atif Salih, Leiter einer Klinik im Armenviertel Manshiet Nasser, muss vermehrt Fälle von Mangelernährung behandeln. Überdies fallen weiterhin täglich etwa 4 000 Tonnen organischer Abfall an, der nun nicht mehr verwertet wird. Hungrige Ratten nehmen sich seiner an. »Wir haben definitiv eine Rattenplage«, berichtet Atif Salih. »Es kommen regelmäßig Patienten mit Rattenbissen in meine Klinik.«
Dass bis zum Mai 85 Prozent des Mülls in Kairo verwertet wurde, war zuweilen Anlass für eine Romantisierung der Zabaleen. Doch romantisch ist es nicht, wenn Kinder Müll sortieren müssen und sich dabei häufig mit Hepatitis infizieren. Während diverse NGO sich um eine Verbesserung der Arbeitsverhältnisse bemühen, hat die Regierung mit einer wissenschaftlich unbegründeten und religiösen Ressentiments folgenden Entscheidung die Lebens­bedingungen der Zabaleen weiter verschlechtert.   js