Foucault im Mist

Wenn es um die schlechten Bedingungen der Nutztierhaltung geht, konzentriert sich die öffentliche Debatte seit Jahrzehnten auf die Haltung von Geflügel. So spricht man beispielsweise von »Hühner-KZs«, um die Verhältnisse auf den Geflügelfarmen anzuprangern. Ein Kuhstall dagegen ist bis heute ein Kuhstall, hier also scheint die Welt noch einigermaßen in Ordung zu sein. Umso interessanter ist das Material, das der österreichische Künstler und Kunsthistoriker Bernhard Kathan in seinem Buch »Schöne neue Kuhstallwelt« zusammengetragen hat. Zwar ist die Gewalt in den vollautomatisierten Rinder­ställen eine andere als die auf den Geflügelfarmen; sie ist weitgehend unsichtbar und liefert auch keine spektakulären Medienbilder; aber sie existiert, jedenfalls dann, wenn man einen strukturellen Gewalt-Begriff zugrundelegt und Herdenmanagement, Melksysteme, Schleusentechnik, Futterautomaten und Elek­trozäune mit den Augen eines Huxley oder Foucault betrachtet.
Bernhard Kathan geht so weit zu sagen, dass der Kuhstall von heute das kulturelle Herr­schafts­modell für effizientes Herdenmanagement abgibt, wie es dann auf die Abläufe in Krankenhäu­sern, Altenheimen und Universitäten übertragen wird. Ohne die Erfahrungswerte aus der modernen Rinderhaltung sei die heutige Reproduktionsmedizin nicht möglich. Man kann diese These ein wenig zu steil und den Doku-Essay dennoch großartig finden. Hier wird die ansonsten gerne um sich selbst kreisende Kontrollgesellschafts-Debatte durch sehr genau beobachtetes und recherchiertes Material bereichert.

Bernhard Kathan: Schöne neue Kuhstallwelt. Martin-Schmitz-Verlag, Berlin 2009, 270 S., 19,80 Euro