Die NPD will wieder in den sächsischen Landtag

Die sächsische Gemütlichkeit hat kein Problem mit der NPD

Die NPD ist auch in Sachsen nicht auf dem Weg, eine brave, gemäßigte Partei zu werden, auch nicht nach fünf Jahren im Landtag. Sollte sie erneut ins Parlament einziehen, könnte sie zudem staatliche Gelder für Stiftungen und Bildungswerke beantragen. Ihre dauerhafte Etablierung wäre dann kaum noch aufzuhalten.

»Die NPD ist keine politische Gefahr für dieses Land«, meint der ehemalige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) zur Rolle der NPD in Sachsen. Drei Wochen vor der Landtagswahl mahnte er zu Gelassenheit: »Unser Problem mit der NPD ist, dass wir die NPD als eine Gefahr empfinden, selbst wenn sie eine Splitterpartei ist.« So sehen das die der CDU nahestehenden Politikwissenschaftler Eckhard Jesse von der TU Chemnitz und Werner Patzelt von der TU Dresden auch. Die derzeit von der sächsischen CDU propagierte Richtlinie einer gleichmäßigen Distanzie­rung von NPD und Linkspartei ist maßgeblich von ihnen inspiriert. Regional kommt es mittlerweile sogar schon zu Kooperationen zwischen Union und NPD, in Wurzen wurde ein Bürgermeis­ter der CDU mit Stimmen der NPD ins Amt gewählt.
Nach dem Rücktritt des als Rivale Biedenkopfs geltenden Georg Milbradt im Zuge des Zusammenbruchs der sächsischen Landesbank hat seit Mai 2008 Biedenkopfs politischer Erbe Stanislav Tillich das Amt des Ministerpräsidenten inne. Im Wahlkampf wird er als »der Sachse« präsentiert und vermittelt lässigen Lokalpatriotismus. »Mit kluger Kraft«, »Keine Faxen – Für Sachsen« und »Arbeitsplätze schafft man nicht mit links« sind die Slogans, mit denen die CDU ihren Plakatwahlkampf bestreitet, allerdings hauptsächlich in den größeren Städten.

In einigen Landstrichen Sachsens hingegen ist die NPD die einzige Partei, die in den Straßen präsent ist. 80 000 Plakate hat die Partei nach eigenen Angaben in diesem Wahlkampf hergestellt, mehr als Linkspartei und SPD zusammen. Viele Dörfer in den Kreisen Mittel- und Nordsachsens sind komplett mit NPD-Plakaten behangen. Auch die Bundesstraße 6 zwischen Wurzen, Oschatz und Riesa wurde kilometerweit an jedem Mast von der NPD plakatiert.
In Nordsachsen agiert der »Freie Nationalist« Maik Scheffler als Wahlkampfleiter der NPD. Die Recherchewebseite »Blick nach Rechts« zitierte im Dezember 2008 eine Pressemitteilung der NPD, Scheffler solle »parteifreie und parteigebundene Nationalisten im Regierungsbezirk Leipzig politisch vernetzen und vereint in den Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlkampf führen«. Bei der Landtagswahl kandidiert Scheffler direkt, bei der Bundestagswahl steht er auf Platz fünf der sächsischen Landesliste der NPD.
Trotz der Konflikte mit ihnen versucht die NPD derzeit, im Spektrum der »Freien Kräfte« Parteimitglieder zu werben. Die NPD Nordsachsen präsentiert Scheffler als »Mitarbeiter der Fraktion der NPD im Sächsischen Landtag und Vater von vier Kindern, Publizist des ›Freien Netzes Mitteldeutschland‹«. Scheffler ist einer der Begründer jenes »Freien Netzes«, eines Zusammenschlusses »Nationaler Sozialisten« aus Thüringen und Sachsen. Derzeit ist die Internetpräsenz des »Freien Netzes« allerdings abgeschaltet, wahrscheinlich aus Wahlkampfgründen, damit nicht zu viel Kritik aus den Reihen der »Freien Kräfte« der Stim­menwerbung der NPD schadet. Die Verständigung zwischen »Freien Kräften« und der Landtags­fraktion der NPD verlaufe »momentan absolut auf Augenhöhe«, war in einem Bericht auf der rech­ten Internetplattform »Altermedia« zu lesen.

Die zumindest regionale Dominanz im Straßenwahlkampf zeigt die Fähigkeit der NPD, genügend Anhänger für einen sechswöchigen Dauereinsatz als nächtliche Klebekolonnen zu mobilisieren. Dieser regionalen Stärke haben die diversen Krisen und Skandale der NPD-Fraktion in den vergangenen fünf Jahren keinen Abbruch getan, im Gegenteil. Einen solchen Protest wie vor fünf Jahren gegen Hartz IV kann die NPD sich derzeit zwar nicht zunutze machen, aber das Stammwählerpotenzial der Partei wird inzwischen auf vier bis sechs Prozent geschätzt. Hilfe beim Wahlkampf verspricht sich die sächsische NPD aus Meck­lenburg-Vorpommern. Der dortige Fraktions­vorsitzende im Landtag, Udo Pastörs, reist durch Sachsen und hält Ansprachen.
Bei seinem Auftritt zum Wahlkampfauftakt in Ostsachsen brüllte Pastörs den versammelten Bierzeltbesuchern rassistische Parolen über Flücht­linge »mit dem Attribut, sich als Zecke im Fleisch gütig zu laben«, entgegen. Seit seiner antisemitischen Brandrede am Aschermittwoch in Saarbrücken scheint Pastörs bei der NPD als Redner hoch im Kurs zu stehen. In einer einstündigen Mischung aus Schreirede, säuselnden Passagen und dann erneut unvermittelt eintretenden Schreiattacken hatte Pastörs in Saarbrücken die Menge angeheizt. Vor laufenden Kameras der ARD brüllte er Sätze über den kommenden Untergang des »Finanzgebäu­de(s) dieser Judenrepublik«, gegen die »Speichellecker des US-Imperialismus«, den »kapitalistisch-judaistischen Geist« und türkische »Samenkanonen« – unterbrochen von »Jawoll«-Gegröle und frenetischem Jubel des Publikums. Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken ermittelt gegen Pastörs wegen Volksverhetzung.

Pastörs’ aktive Rolle im sächsischen Wahlkampf unterstreicht, dass der Flügel, der sich in den NPD-internen Auseinandersetzungen gegen den Bundesparteivorsitzenden Udo Voigt gebildet hat, keinesfalls als gemäßigt zu betrachten ist. Der sächsische Abgeordnete Jürgen W. Gansel hatte auf dem vorigen NPD-Bundesparteitag erklärt, er wolle alles daran setzen, dass der NPD-Landesverband Sachsen am 30. August durch den erstma­ligen Wiedereinzug einer NPD-Fraktion in einen Landtag Parteigeschichte schreibt. Mit einem Wie­dereinzug in Dresden wäre die politische Arbeit nicht nur durch den Bezug von Diäten und Fraktionsgeldern abgesichert, auch Zuschüsse für Stiftungen und Bildungswerke aus dem Landeshaushalt könnte die NPD dann erhalten. Das im April 2005 gegründete, der NPD nahestehende »Bildungswerk für Heimat und nationale Identität« bekäme dann Geld aus dem sächsischen Haushalt.
Die aktuelle Einschätzung der sächsischen NPD als vergleichsweise gemäßigtem Landesverband zeigt an, wie wenig die Ansichten der Partei zu »raumorientierter Volkswirtschaft« und »Monopolkapitalismus« auf Kritik stoßen. Erst die offen rassistischen Wahlplakate gegen »Poleninvasion« und »kriminelle Ausländer« sorgen für das übliche Entsetzen. Mit ihrer Mischung aus Nationalsozialismus, Rassismus und Antisemitismus und ihrem Kampf für die kleinen Sparkassen und gegen die Großbanken knüpft die NPD auch an die Heimattümelei der anderen Parteien an.
»Es liegt ein Gau in Deutschlands Grenzen, zwar klein, doch unvergleichlich schön«, so liest man in einem bereits während der Zeit Biedenkopfs als Ministerpräsident von der sächsischen Staatskanzlei publizierten Hymnenliederbuch mit dem Titel »Wie lieb’ ich dich, mein Sachsenland. Echte Sachsenlieder und solche, die es werden könnten.« Darin finden sich Schmankerl wie diese: »Das Land regiert ein edler Greis, sein Tutorhaupt ist silberweiß.« »Die Weisheit führt das Regiment im schönen Sachsenland«, denn hier »vermählt mit der Faust sich der Geist«. Sächsische Gemütlichkeit soll herrschen, trotz Krisen, Zusammenbrüchen und auch trotz rassistischer Hetzjagden, Morde und Nazimassenaufmärsche. Ob nun mit oder ohne NPD im Landtag: »Die sächsische Gemütlichkeit kennt jedermann im Reich: Der Sachse schimpft nicht gleich droff los und bleibt sich egal gleich.«