Wahlen im Internet

WWW wie wählen

Ohne Internet gewinnt man keine Wahlen mehr, heißt es. Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien möchte am liebsten auch gleich die Wahlen im Internet abhalten.

Ohne den »virtuellen Obama« wäre es dem echten Obama wohl nicht gelungen, Präsident der USA zu werden. Lange bevor Barack Obama offiziell ins Amt gewählt wurde, zeichnete sich die riesige Zustimmung für ihn schon im Internet ab. So hatte er im Februar 2008 allein rund 400 000 Freun­de bei Facebook, 3,8 Millionen waren es zum Zeitpunkt seiner Wahl im November.
Wer seine Botschaften unters Volk bringen will, darf heutzutage nicht mehr darauf verzichten, im Internet sein Alter Ego zu schaffen. Im World Wide Web wird diskutiert, sympathisiert und vor allem partizipiert. Kann man viele Online-Freunde um sich scharen, darf man auch darauf hoffen, dass es sich um potenzielle Wähler handelt. Kein Wunder, dass Obamas Konkurrent John McCain, der nur 600 000 Freunde bei Facebook aufweisen konnte, die Wahlen verlor.

Längst hat das Phänomen des Web-Politikers auch Deutschland erreicht. Gerne wird im Internet die eine oder andere persönliche Note geliefert. Angela Merkel lässt sich über ihren Podcast auf Dienstreisen begleiten, Frank-Walter Steinmeier berichtet auf seinem Blog, dass er die Rolling Stones, Pink Floyd und Cream mag. Dass beide Politiker über Profile bei Facebook verfügen, versteht sich von selbst – für sie und für die Internet-Gemeinde.
Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) hat gezeigt, welche Bedeutung dem Internet mittlerweile zukommt. Mehr als 1 000 Wahlberechtigte wurden befragt, auf welchem Wege sie sich politische Informationen beschaffen. Das Ergebnis überrascht kaum: Vier von fünf meinen, ein guter Politiker müsse auch im Internet »verfügbar« sein, und 44 Prozent glauben, dass Parteien ohne Web-Auftritt überhaupt keine Wahl mehr gewinnen könnten.
Ein freundliches Grinsen auf der Wahlkampfver­anstaltung reicht also nicht mehr aus. Auch der Online-Auftritt will gepflegt werden, vor allem für die jüngeren Leute. Denn die 18- bis 29jährigen fühlen sich dadurch am meisten angesprochen. »Das liegt oft daran, dass ältere Menschen einfach nicht mit dem Internet groß geworden sind«, sagt Maurice Shahd vom Bitkom.

Beim Bitkom hat man längst auch über Wahlen im Internet nachgedacht. Anlass dafür ist weniger der Gedanke, es den Wählern bequemer zu machen, als der Stellenwert, der dem Internet selbst beigemessen wird. Konkret will der Bitkom zumindest die Briefwahl früher oder später vollstän­dig durch eine Wahl im Internet ersetzen. Dass das mehr als nur klickende Wähler erfordert, weiß auch Shahd: »Das ist ein langwieriger Prozess. Zuerst muss der politische Wille da sein, und dann müssen auch die Voraussetzungen stimmen.« Voraussetzungen, die beim Grundgesetz anfangen und über die notwendige elektronische Signatur bis zu einer gesicherten Verschlüsselung im Netz gehen. Die Bundestagswahl am 27. September wird mit Sicherheit noch auf herkömmliche Weise abgehalten werden. Bei den Bundestagswahlen 2005 gab es schon mit vereinzelt aufgestellten Wahlcomputern in den Wahllokalen Probleme. Die Geräte spuckten damals lediglich Bestätigungen für die Stimmabgabe aus. Was mit den Stimmen weiter passierte, war zumindest für die Wähler nicht nachvollziehbar. Auch bei Wahlen über das Internet bestünde die Gefahr, dass Stimmen statt in der virtuellen Urne auf den Rechnern von Hackern landen.
Shahd sagt: »Eine Wahl per Internet kann natürlich erst dann möglich werden, wenn alle Sicherheitsvorschriften gewährleistet sind.« Wann auch immer das sein wird. Ab November 2010 wer­den jedenfalls neue Personalausweise mit elektronischer Signatur ausgegeben. Mit der lässt sich angeblich nicht nur eine Transaktion im Netz sicherer durchführen, sondern eben auch wählen. Und wenn irgendwann das Grundgesetz geändert ist, um Internet-Wahlen veranstalten zu kön­nen, wird man das sicher auf twitter.com/F\_W\_Steinmeier oder facebook.com/AngelaMerkel nachlesen können.