Berlin Beatet Bestes, Folge 12

Die Schwabinger Knef

Berlin Beatet Bestes. Folge 12. Gisela: Die Männer sind so.

Die Schwabinger Gisela gehört zu den letzten vergessenen deutschen Stars der fünfziger und sechziger Jahre. Das liegt zum einen daran, dass sie hauptsächlich eine lokale Münchner Berühmtheit blieb. Obwohl Gisela sogar Angebote bekam, im Fernsehen aufzutreten, hat sie sich immer beharrlich geweigert, ihre Schwabinger Umgebung zu verlassen. Außerdem veröffentlichte sie, ungewöhnlich für die damalige Zeit, ihre Schallplatten im Eigenverlag, also »independent«. In München ist Gisela Jonas oder Gisela Dialer-Jonas, wie sie heute heißt, immerhin noch der älteren Generation ein Begriff, Giselas 1952 eröffnete Kneipe »Bei Gisela« in der Occamstraße war bis in die siebziger Jahre ein beliebter Szenetreffpunkt. Dort trug die Sängerin ihre eigenen Lieder vor. Giselas größter Hit war eine Cover-Version des Cissy-Craner-Songs »Der Novak«. Der verkaufte sich so gut, dass sie in den folgenden Jahren viele Fort­setzungen mit veränderten Texten schrieb.
Als ich vor zehn Jahren diese Platte von Gisela fand, fiel mir vor allem der Gegensatz zwischen dem hausfräulichen Aussehen der Sängerin und ihrer Musik auf. Das hatte ich nicht erwartet: Wie eine verruchtere Hildegard Knef singt Gisela mit dunklem Timbre, begleitet von einer kecken Jazzgitarre, Orgel und Schlagzeug.

Was eventuell mich noch reizen kann, ist ein richtiger Mann / Weil man’s braucht dann und wann / ist ein richtiger Mann / Müde Flirts mit spießiger Lüsternheit / solche Armseligkeit / ist verlorene Zeit / Wer mir imponieren will / soll herrschsüchtig sein / Ich muss eine Peitsche spüren / dann bin ich sein.

Was eventuell mich noch reizen kann / ist ein richtiger Mann / der sich traut / und was kann / Die Männer sind so / der sucht nach Niveau / und der möchte Kurven und Sex / Doch ein Mann, der mich hasst / ist bestimmt Päderast / Denn ich kenne den schwulen Komplex / Der blättert das Geld / und will’s wie bestellt / ist hundsprimitiv wie ein Tier / Five-o’clock-Flagellant hab’ ich einen genannt / Seine Striemen bekommt er von mir / Man träumt von süßen Küssen / Traum aller Frau’n / Und wird um sie beschissen / durch einen Clown.

So unverblümt hat in den fünfziger und sechziger Jahren in Deutschland niemand über Homosexualität, Drogen, Prostitution und Sado-Masochismus gesungen. Ihre ersten Aufnahmen, Interpretationen von Brecht/Weill, wurden von Gerd Wilden produziert, der auch Produzent der Knef war. Giselas Platten wurden mehrfach beschlagnahmt, und obwohl die Nachfrage nicht geringer wurde, trauten sich immer weniger Händler, sie zu verkaufen. Trotzdem schaffte Gisela es bis in die frühen Siebziger, 25 Singles und zwei LPs zu veröffentlichen.
1974 schloss die Dame ihre Schwabinger Kneipe und zog weg aus München. In den neunziger Jahren erkrankte sie an Kehlkopfkrebs und spricht nach einem Luftröhrenschnitt durch ein Loch im Hals. Im Januar wurde Gisela 80 Jahre alt, im April vorigen Jahres erschien ihre Biografie »Schwabinger Gisela. Eine gebildete Dame mit stark unzüchtigem Charakter«.