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Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass Gysi auf den Wahl­plakaten so jung aussieht wie seit Jahren nicht mehr? Und der Westerwelle, ach, Mensch, der wird auch immer jünger! Nachdem es in den vergangenen Wochen nur um Äußerlichkeiten ging, um Falten, Dekolletés und Hintern, ist das Superwahljahr seit Sonntag derma­ßen wuchtig über die gerade langsam und noch schläfrig aus dem Sommerloch hervorkriechende Öffentlich­keit gedonnert, dass es richtig weh tut. Auch sprachlich. Da wird eine nicht zustande kommende Koalition der CDU mit einer gerade so noch drittstärksten sozialdemokratischen Zehn-Prozent-Partei als »Große Koalition« bezeichnet, da feiert die Bild-Zeitung den »Lafo«, als seien sie und ihr früherer Kolumnist immer schon ein Herz und eine Seele gewesen. Sachlich falsche Sätze wie: »An der SPD vorbei kann in Thüringen nicht regiert werden«, druckt man scham- und geistlos auf Zeitungspapier, obwohl jedes Milchmädchen nachrechnen kann, dass es für eine tatsächlich große Koalition aus CDU und Linkspartei in Thüringen bequem reichen wür­de. Und verrückter als die groteske, aber von den Medien ernsthaft wieder­gegebene Vorstellung des Thü­ringer SPD-Vorsitzenden, er müsse Ministerpräsident werden, obwohl er die drittstärkste Partei anführt, ist das auch nicht. Anders gesagt: Die Medien, ausgezehrt nach der sommerlichen Themendurststrecke, stürzen sich ins Wahltheater, dass sich nur so die Balken biegen, und es ist, halten Sie sich fest, völlig klar: Bis Anfang Oktober wird der Irrsinn weitergehen. Autsch!
Und die Jungle World? Keine Sorge, unserer Analyse- und Berichterstattungspflicht werden wir genügen und un­sere Kommentare werden wir uns sowieso nicht verkneifen können, aber erwarten Sie nicht allzu viel Wahl­kampfeuphorie. Denn während »die da oben« – ja, das ist, wenn wir das sagen, wörtlich gemeint – wahltaktische Pseudodebatten über die Zukunft der Atomenergie führen, hat sich unser Kollege unter die Erde begeben, nach »ganz unten«, in Deutschlands ein­ziges atomares Endlager. Wir haben Fotos von ihm hier vorliegen, auf denen er genau so aussieht wie damals Günter Wallraff mit seinem Helm. Einfach unglaublich proletarisch! Der Kollege ließ sich dort unten über die angeblich so stabile, weltbestgesicherte Salzdecke über seinem Kopf und über den dort befindlichen Atommüllfässern aufklären. Nur ein paar Tage später gab das Bundesamt für Strahlenschutz bekannt, Experten hätten Risse im Gestein entdeckt, im Zentral­teil des Salzstockes drohten größere Gesteinsbrocken von der Decke zu fallen, der Schachtabschnitt werde gesperrt.
Sie sehen, in welche Gefahren sich unsere Reporter für Sie begeben. Und glauben Sie uns, das war nicht das ein­zige Risiko bei dieser Recherche. Aber lesen Sie selbst auf den Thema-Seiten 4 und 5!