Die deutsche Schicksalswahl

The next Obama of Germany

Die ganze Welt erwartet mit Spannung die Bundestagswahlen, glaubt man in Deutschland. Eine kleine Umfrage aus dem Süden des US-Staats Utah.

Nach der Präsidentschaftswahl in den USA am 4. November 2008 steht nun, fast ein Jahr später, die nächste fundamentale Weichenstellung für die freie Welt und letztlich den ganzen Planeten an: Deutschland, die zweite nach dem Kalten Krieg verbliebene Supermacht, wählt seinen Bundestag.
Ein Hauch der Vorahnung historischer Dimen­sion weht um die Reichstagskuppel, und natürlich halten die Völker aller Nationen den Atem an und schauen gebannt nach Berlin. Aber wie ist die Stimmung vor der Schicksalswahl da draußen? Wir haben uns vor dem »General Store« in Torrey, Wesley County, im Süden Utahs, platziert und aus dem Geschäft kommende Kunden befragt:
»Hi, as you know, Germany will elect its new Chancellor next month. Whom do you expect to win? Angela Merkel or Frank-Walter Steinmeier?« Die Antwort der etwa 40jährigen Mary P. fällt zunächst unerwartet detailversessen aus: »East or West Germany?« Wir versuchen zu erläutern, dass wir hier nicht an den Lokaltrends interessiert sind, sondern am Gesamtergebnis, aber Frau P. winkt nur ab und belädt ihren Pick-up-Truck. Nächster Versuch: Bob M., ein weltgewandter Mormone, was erwartet er: »Angela Merkel or Franz, äh, sorry, Frank-Walter Steinmeier?« »Frank what?« »Frank-Walter Steinmeier?« »Stein … ?« »Stone! Frank-Walter Stone, äh, Stonemeyer!« »Stonemeyer? Who the fuck is Frank-Walter Stonemeier?« »Well, that could be the next dinner guest of Barack Obama!« »Frank-Walter Stonemeier? Kiss my ass.« Offenbar hat die SPD bei den amerikanischen Religiösen noch gewisse Vermittlungsprobleme, zweifellos eine der ersten großen Aufgaben für den frisch gewählten Kanzler Steinmeier.
Wenden wir uns einem älteren, historisch gebildeten Herrn zu. Er hört freundlich zu, aber auch er reagiert zunächst unerwartet: »The Stones? No, there was no Franz Walter. You are talking about Franz Ferdinand?« »No, we are talking about Frank-Walter Stonemeier! Maybe the next Obama of Germany!« »Oh, a black president for Germany?« »No, not a black! A red!« »A red? Germany elects a native American as president?« »No, of course, a politically red … a Sozi, you know?« »A leftish? Oh my god!« »Well, nun ja, not really a leftish, more a … Sozialdemokrat, you know?« »Oh my god! Who is president at the moment?« »Angela Merkel! Do you think she can win again?« »Angela Merkel? The iron lady?« »No, that was the other woman. From Great Britain. The second woman! Angela Merkel! You must know Angela Merkel! Everybody knows Angela Merkel, she is very popular!« »Another ­woman? A leftish or a woman?« »Well, Frank-Walter Steinmeier or Angela Merkel.« »And one of them will be the next president of Europe?« »No, not Europe! Germany!« »Germany? East or West?«
Wir geben auf. Möglicherweise hat die Welt die Brisanz der bevorstehenden historischen Entscheidung noch nicht vollständig erfasst. Möglicherweise aber gerade doch.