Über die Erzählung »Beaufort« von T. Cooper

Der Hollywoodbär

T. Coopers neue Erzählung »Beaufort« handelt von einem Bären, der im Filmgeschäft durchstartet, das Ende der Welt aber wohl auch nicht aufhalten wird und Knut ganz schön alt aussehen lässt.

Beaufort ist ein Eisbär, der in Hollywood Karriere gemacht hat und jetzt vor den Trümmern seines Ruhmes mit ein paar opportunistischen Robben mit schlechtem Ruf, unterstützt durch flaschenweise weggetrunkenen Medinait-Hustensaft, seiner Krise nachhängt. »Mein Geld war schneller weg als erwartet. Der Vermieter schickte mir wöchentlich Räumungsbefehle. Ich konnte weder den Poolreiniger noch den Gärtner weiterbezahlen«, fasst der Bär, die Hauptfigur in T. Coopers neuer Erzählung, seine Lage zusammen.
Bilder gibt es auch in diesem Buch. Sie stammen von dem in Österreich geborenen und heute in den USA lebenden Künstler Alex Petrowsky, der, wie er auf seiner Homepage mitteilt, in Montana sieben Tomatenplantagen anlegte, die er durch konsequente Vernachlässigung gleich wieder zugrunde richtete. In seinen Collagen kombiniert er Fotos mit zeichnerischen Elementen in einer Form, die geeignet ist, den Tieren ihre Würde wieder zurückzugeben.
Wenn Petrowsky etwa eine Hollywoodparty darstellt, zeigt er im Hintergrund ein Foto einer Villa vor Palmen und Nadelbäumen. In den Swimmingpool hat er mit schwarzweißen Strichen zwei Menschen mit Drinks in den Händen zu zwei springenden Delfinen gesetzt. Im Vordergrund steht dann, ebenso gezeichnet, Beaufort in Hawaiishorts mit zwei Models im Arm und lächelt. Dabei wirkt der Bär in der Umgebung weder lächerlich noch fremd. Er gehört dazu.
Nach seinen ersten erfolgreichen Dreharbeiten hat man ihm, dem Bären, eine Immobilie angeboten, die perfekt sei für »Leute wie uns«. Zwar fand jeder in Hollywood den Markt gerade absolut »irrsinnig, alle hielten aber auch den Zeitpunkt zum Kaufen für Leute wie uns für genau richtig«, wie Beaufort sagt. Das war natürlich vor dem Zusammenbruch des Immobilienmarktes, als alles noch in Ordnung schien und Beaufort am Ende des Abends auch mit einem Model im Arm den Weg auf eine gewaltige Daunendecke fand.
Beaufort gehörte dazu, und in der Kombination von T. Coopers Text und Petrowskys Collagen geht alles auf in den Schlagzeilen, die seinen neuen Film begleiten: »Authentisch wie kein Film zuvor. Di Caprio und die Neuentdeckung Beaufort bringen das Blut in Wallung.« Beaufort hat nach Meinung der Presse dem Klimawandel ein »ausdrucksstarkes Gesicht« verliehen. Alles läuft blendend, bis Beaufort in einem Supermarkt, wo er gerade frischen Wildlachs kaufen will, von zwei Teenie-Girls, die am ganzen Körper zittern und beben, zu einem Handyfoto gedrängt wird. Das Foto macht darauf die Runde im Internet. In den Foren ist man sich ziemlich schnell einig: Beaufort steht auf Minderjährige.
Das beendet in seinem Fall zwar noch nicht seine Karriere, bringt Beaufort aber zum Zweifeln. Was ist das für ein Spiel, in das er hier hineingezogen wird, fragt er sich. Das Spiel, das hier gespielt wird, ist das der Prognosen und Zahlen, so wird ihm von Produzenten und Managern erklärt. Und die Prognosen und Zahlen sehen gut aus für eine zweite und sogar dritte Fortsetzung seines ersten Erfolgs. Nicole Kidman habe man auch schon gewonnen, und so könne eigentlich nichts mehr schief gehen. Beaufort aber findet es demütigend, herablassend und kleinkariert, für immer auf die Figur des Eisbären festgelegt zu werden.
Eigentlich möchte er lieber schreiben und Regie führen, um Hollywood zu zeigen, wer Beaufort wirklich ist.
Und weil, wie man ihm sagt, Drehbuchschreiben einfacher sei, als eine Frau mit Vaterkomplex ins Bett zu kriegen, macht er sich an die Arbeit. Beaufort will eine ganz schlichte Geschichte vor einem komplizierten Hintergrund erzählen, ohne allerdings den Hintergrund »zu analysieren oder zu entwirren«. Geschweige denn, politisch Stellung zu beziehen, wie er noch hinzufügt. Politisch ist der Hintergrund seiner Geschichte nämlich: Sie ereignet sich im Irak und heißt einfach »Bär«.
In der Hauptrolle von »Bär« ist ein 18jähriger Marine aus Alaska, den seine Zimmerkollegen verspotten, weil er heimlich mit einem Teddybär schläft und ihn auch bei Einsätzen im Tornister mit herumschleppt. Am Ende rettet genau dieser kleine Teddybär den meisten Soldaten im Zug das Leben. Ein Plot, der ankommt und Beaufort zum Regisseur macht. Der Film selbst fällt dann aber erbarmungslos durch. Noch einen Film über den Krieg im Irak will in Amerika niemand sehen. Beaufort wird zum »Nofort« und landet mit den unsäglichen Robben pleite am Pool.
Ein Gutes hat der Moment des versiegenden Geldes aber. Beaufort weiß jetzt, wie Dennis Wilson von den Beach Boys zumute gewesen sein muss, als sich die Manson-Clique in seinem Anwesen am Sunset Boulevard breitmachte, alle seine Drogen rauchte oder sniffte und seine goldenen Schallplatten klaute. Für Beaufort wird das zu einem der Auslöser, Hollywood und Kalifornien zu verlassen. Er setzt sich in einen Bus und fährt nach New York. Dort aber gerät er zunächst an drogendealende College-Studenten und gepiercte bärtige Männer im Nachtleben. Es dauert dann noch etwas, bis Beaufort nach vielen Pillen und sexuellen Exzessen kapiert, dass er ganz unten angekommen ist.
Hilfe findet er bei den Anonymen Alkoholikern und nach sechsmonatiger Nüchternheit eine neue Erfüllung in der Off-off-Broadway-Theaterwelt. Beaufort hat nüchtern in New York gelernt, nur noch für sich zu schreiben. Damit endet diese hier wirklich nur sehr lückenhaft wiedergegebene Erzählung.
In der Geschichte spielen zudem neben Hollywood und der Erderwärmung auch noch die Kabbala, Scientology und Hybridautos eine Rolle. Wer meint, dass das alles zu viel Stoff für eine Erzählung von 53 Seiten mit Bildern sei, dem hilft vielleicht ein Hinweis auf Beauforts Verwandte. T. Coopers Bär ist ein entfernter Verwandter von Dimitri Stepanowitsch Sebassus, dem Wolf ins Diensten des Löwenkönigs Cyrus Golden in Dietmar Daths Roman »Die Abschaffung der Arten«. Nur muss sich Beaufort im Unterschied zu Daths Wolf noch mit Menschen herumschlagen. Was aber in absehbarer Zeit auch für Beaufort nur noch ein marginales Problem sein wird. Für den Krieg, den bei Dath die Tiere schon gegen die Menschen gewonnen haben, ist Beaufort besser gerüstet als alle Di Caprios oder Schwarzeneggers, oder wie die großen Klimawarner dieser Erde noch heißen, zusammen.

T. Cooper: Beaufort. Arche, Zürich 2009. 53 Seiten, 24 Euro