Über den Roman »Klassentreffen« von Kurt Appaz

Zurück in der Raucherecke

In dem Roman »Klassentreffen« von Kurt Appaz vergeht das schulische Grauen einfach nicht.

Kurt und Kerschkamp fahren nach 30 Jahren zum Klassentreffen in ihrem ehemaligen Gymnasium in Hannover. Eigentlich sind die beiden seit der Schulzeit befreundeten Männer nicht eingeladen und Kurt will erst auch gar nicht mitfahren, aber die beiden merken, dass sie immer noch wütend sind: auf die Lehrer, die Mitschüler und die ganze schreckliche Leidenszeit während ihrer Schullaufbahn in den sechziger und frühen siebziger Jahren. Das Klassentreffen wird sie emotional genau an den Ursprung dieser prägenden Teenagerjahre zurückführen. Doch dann nehmen die Ereignisse einen ganz anderen Verlauf als gedacht.
Ich bin zwar genau zehn Jahre jünger, aber meine Schulkarriere als »Troublemaker« und Schulabbrecher ist ähnlich verlaufen wie die der Protagonisten dieses Buches. Da scheint es keine Rolle zu spielen, ob man seine Zeit in den Siebzigern oder in den Achtzigern verlebt hat. Der Hass auf die Lehrer, die Angst und die Angepasstheit der Mitschüler, das alles scheint sich nie zu ändern. Leider habe ich selbst nie ein Klassentreffen besucht. Dieses Buch spielt dafür ersatzweise mögliche Szenarien durch, die ich dabei erlebt hätte. Auch setzte ich mich beim Lesen mit den eigenen Verfehlungen in der Schulzeit auseinander. Allerdings gibt es ein paar deutliche Unterschiede: Geprügelt wurde ich von meinen Lehrern nicht mehr, und sie waren auch keine Ex-Nazis und Soldaten des Zweiten Weltkriegs.
Der Roman »Klassentreffen« hat mich in die Zeit meiner Vorgängerrebellen zurückgeführt und zu dem, was diese so umtrieb: Beatmusik, lange Haare, »Ho-Ho-Ho-Tschi-Minh«, Rauschgift und Girls. Auch meine ehemaligen Mitschüler haben, so wie die im Buch, heute Glatzen und dicke Bäuche und sind Architekten, Anwälte und Versicherungsmanager. Wer jetzt Mitte 50 ist, kann sich deshalb vielleicht mit diesem Buch genauso gut identifizieren wie jemand, dessen Schulzeit noch nicht so lange zurückliegt. Ich fühlte mich jedenfalls bestätigt, als Kurt Appaz an einer bedeutsamen Stelle Erich Kästner zitiert: »Wer vergisst, was schlimm war, wird dumm.«

Kurt Appaz: Klassentreffen. Ullstein, Berlin 2009. 379 Seiten, 8,95 Euro