Was spricht für Jamaika?

Alle können mit allen

Jamaika im Saarland zeigt, dass die Verhältnisse nicht so einfach sind, wie es die Konstellation im Bund glauben machen will. Das ist gut so.

Es gibt keinen Grund, sich über die Jamaika-Koa­lition im Saarland aufzuregen. Abgesehen von ein paar Ressentiments. Zum Beispiel denen jener Linken, die sich spätestens während der rot-grünen Bundesregierung von den Grünen abwandten, die aber gerade in ihrem bis heute gepflegten Beleidigtsein, ja in ihrem teils ausgeprägtem Hass auf diese Partei noch immer die Vorstellung bewahren, die Grünen seien etwas anderes als eine normale Partei. Oder den Ressentiments jener linken Pragmatiker, die sich trotz Hartz IV bis heute bei den Grünen engagieren, deren linkes Selbstverständnis ihrem politischen Pragmatismus aber noch hinterherhinkt, und die auch nicht sehen wollen, was die Grünen sind: eine ganz normale Partei.
So eine ganz normale Partei hat Aufgaben zu erledigen: Durch Ideologieproduktion soll sie an der politischen Willensbildung mitwirken. Sie muss um Wählerstimmen buhlen. Sie soll Personal für politische Positionen rekrutieren und dieses dann so weit wie möglich in Ämter hieven. Wenn man sich das Saarland ansieht, machen die Grünen dort diesen Job besonders gut: Mit drei Sitzen zwei Minister in die Regierung zu bekommen, muss man erst einmal schaffen. Das geht nur, wenn man Koalitionen eingeht, die politisch bislang unwahrscheinlich schienen. Wenn eine Partei mit allen anderen kann, treibt das den Preis für alle Koalitionspartner in die Höhe. Aber das, was die Gegner von Jamaika umtreibt, ist der Glaube, es gäbe in Deutschland so etwas wie zwei getrennte politische Spektren. Hier die Progressiven, da die Konservativen, hier die Proletarier, da die Bourgeois. Es ist aber nun mal so, dass Wollpulli tragende Mütter, die im Ökoladen einkaufen, die FDP wählen können, so wie ein mercedesfahrender Facharbeiter heute Grüner sein kann. Was soll das Gerede von der »strukturellen linken Mehrheit«? Wenn man sich etwa Meinungsumfragen unter Gewerkschaftern ansieht, die etwa »Die Linke« wählen, lässt sich nicht übersehen, wie rechts manche dieser Leute ticken. Wenn man manche CDU-Wähler zum Thema »Globalisierung« befragt, merkt man: Der Weg von der Union zu Attac ist nicht immer weit. Hypothetisch könnten alle mit allen. Sogar CDU und Linkspartei könnten sich arrangieren, und im Osten tun sie dies auf kommunaler Ebene ja auch.
Es spricht sogar ein triftiger Grund für Jamaika. Denn dass im Bund nun CDU und FDP regieren, ist auch in der Hinsicht ein Problem, dass Grüne, SPD und Linke jetzt geeint auf den Oppositionsbänken sitzen. Es wird vielleicht nicht lange dauern, und auf Demonstrationen gegen die Politik der Bundesregierung wehen Fahnen von Grünen, Sozialdemokraten und Linkspartei durcheinander. Ebenso wird es nicht lange dauern, bis viele Linke wieder glauben, dass alles ganz anders und viel besser wäre, wären doch nur die Sozialdemokraten, die Grünen und »die Linken« an der Regierung. Selbst dann, wenn CDU und FDP nichts anderes machen sollten, als den rot-grünen »Reformprozess« zu Ende zu bringen. Angesichts dessen kann man nur dankbar sein, wenn Grüne, Linke und SPD auf Landesebene zusammen mit FDP und CDU rummurksen und dabei zeigen, dass sie auch nicht ganz anders handeln als die Regierung im Bund.