Die Debatte über rechtsextreme Parteien in Großbritannien

Die Partnerwahl der Tories

Nach dem Auftritt des Vorsitzenden der British National Party bei einer Sendung der BBC wird in Großbritannien über den Umgang mit rechtsextremen Parteien diskutiert. Die britischen Konservativen scheinen dabei keine großen Berührungsängste zu haben, wie ihre Allianz mit Rechtsextremen im Europäischen Parlament zeigt.

Eine Woche nach dem umstrittenen Auftritt Nick Griffins, des Vorsitzenden der rechtsextremen British National Party (BNP), bei der renommierten Talkshow der BBC »Question Time« veröffentlichten britische Zeitungen Umfragen, die offenbar bestätigen, was nicht nur britische Antifaschisten, sondern auch eine breite Öffentlichkeit befürchtet hatten – nämlich dass der TV-Auftritt für Griffin und seine Partei nichts anderes als willkommene Werbung darstellen würde. Die Entscheidung des Senders, Griffin einzuladen, wurde von vielen Seiten heftig kritisiert mit dem Argument, dadurch würde man der BNP eine nationale Plattform bieten. Während die Live-Sendung ausgestrahlt wurde, protestierten rund 1 000 Antifaschisten vor dem Sendezentrum der BBC in London, dabei gab es Verletzte und Festnahmen. Die Befürchtungen, ein Auftritt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen würde der BNP größere Legitimität verleihen, scheinen nicht ganz unbegründet. Einer der prominentesten Kritiker der Entscheidung der BBC, der für Wales zuständige Kabinettsminister Peter Hain, sagte nach der Sendung, man habe der BNP das Geschenk des Jahrhunderts auf einem Tablett serviert.
Laut einer Umfrage – ihre Repräsentativität wird allerdings in Frage gestellt – des britischen Meinungsforschungsinstituts You Gov nach der Sendung sympathisieren offenbar rund 22 Prozent der Bevölkerung in Großbritannien mit der rechtsextremen Partei. Vier Prozent der Befragten sollen die Frage, ob sie die BNP wählen würden, mit »definitiv« beantwortet haben, drei Prozent mit »wahrscheinlich« und weitere 15 Prozent mit »möglicherweise«. Die BNP feierte den Auftritt ihres Vorsitzenden offiziell als »Erfolg« und gab an, sie habe 3 000 Anfragen für neue Mitgliedschaften erhalten.

Griffins Auftritt war dabei alles andere als souverän. Er wirkte nervös, widersprach sich und wurde von vielen Zuschauern und Zuschauerinnen mehrere Male ausgebuht, etwa, als er den Anblick zweier einander küssender Männer als »gruselig« und den Islam als »unvereinbar mit Großbritannien« bezeichnete. Auf eine Frage nach seiner Position zum Holocaust antwortete Griffin, europäisches Recht mache es ihm unmöglich, die Frage zu beantworten.
Auch für die BBC war Griffins Auftritt, trotz der heftigen Kritik in Vorfeld der Sendung, ein Erfolg. Acht Millionen Briten verfolgten die Sendung im Fernsehen, was einer Einschaltquote von 50 Prozent entspricht und ein Drittel mehr Zuschauer als sonst bedeutet. Nach der Sendung hagelte es allerdings Beschwerden von Zuschauern, die meinten, Griffin sei unfair behandelt worden. Griffin selber gab in einer Pressekonferenz nach der Sendung an, er habe sich gefühlt, als sei er einem Lynch-Mob ausgesetzt gewesen. Er beschwerte sich darüber, dass zu wenige »indigene Briten« im Publikum gewesen seien, diese seien nach Jahrzehnten »unkontrollierter Immigration« aus London nahezu verschwunden. Er forderte die BBC auf, das nächste Mal die Sendung in einer Stadt zu drehen, in der noch Briten und Engländer lebten.
Dass sich Griffin als Opfer stilisieren würde, war absehbar. Der Sender nahm dies offenbar in Kauf und rechtfertigte seine Entscheidung mit dem Hinweis, er sei der Unparteilichkeit verpflichtet.
Das Lavieren des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders ist symptomatisch für die Herausforderung, die die BNP derzeit für das politische Establishment Großbritanniens darstellt. Nach ihrem Erfolg bei den Europa-Wahlen im Mai, in denen sie landesweit über sechs Prozent der Stimmen erhielt und zwei Mandate gewann, ist die rechtsextreme Partei mit einem finanziell stärkeren Apparat ausgestattet. Im Laufe der vergangenen Jahre hat die BNP darüber hinaus auf kommunaler Ebene in bestimmten Regionen Großbritanniens starke Positionen aufbauen können. Eine der Hochburgen der Partei liegt im Osten Londons im Bezirk Dagenham, wo die BNP mit 13 Stadt­räten zweitstärkste Partei ist.
Für die im Mai 2010 stattfindenden Parlamentswahlen gilt es zwar wegen des in Großbritannien geltenden Mehrheitswahlrechts als ausgeschlossen, dass die BNP Mandate gewinnt. Doch ihr Stimmenanteil kann durchaus Einfluss auf den Ausgang der Wahlen nehmen, wenn sie den großen Parteien Stimmen abnimmt. Dies betrifft vor allem die Labour-Partei. Bei den Europa-Wahlen gewann die BNP ihre beiden Sitze von der Labour-Partei in Nordengland.
Doch auch die Konservativen werden am rechten Rand herausgefordert. Ihr Vorsitzender David Cameron hat die Tories in den vergangenen Jahren in vielen Bereichen, vor allem, was die Sozialpolitik angeht, in die Mitte geführt. Beim Parteitag der Konservativen sprach er leidenschaftlich von der nationalen Gesundheitssicherung und versprach, dass auch unter seiner Regierung alle Bewohner Großbritanniens kostenlos zum Arzt gehen könnten. Auch in der Umwelt- oder Frauenpolitik bemühen sich die Tories um ein sozialeres Image.
Anders ist es in der Europa-Politik. Neben der anti-europäischen Propaganda der BNP könnte vor allem die UK Independence Party (UKIP) die Tories wichtige Stimmen kosten. Bei den Europa-Wahlen erreichte die UKIP landesweit einen Stimmenanteil von 17 Prozent.

Nicht, dass die britischen Konservativen als pro-europäische Partei auftreten. Innerhalb der Tories existiert auch ein starker anti-europäischer Flügel. Um dessen Unterstützung zu gewinnen, hatte sich Cameron bereits 2006 darauf festgelegt, die britischen Konservativen aus der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europa-Parlament herauszuführen. Anders als die meisten Mitglieder der EVP seien die britischen Konservativen strikt gegen eine weitere europäische Inte­gration, hatte Cameron argumentiert und die Gründung einer eigenen konservativen Fraktion angekündigt. Im Juni gründete die Führung der britischen Tories die rechtskonservative Fraktion European Conservatives and Reformists (ECR).
Während die EVP-Kollegen, von den französischen Gaullisten über die italienischen Populisten bis hin bis zu den deutschen Christdemokraten, die Köpfe schüttelten, musste Cameron Partner für seine ECR finden. Sehr wählerisch konnte er dabei nicht sein, denn um Fraktionsstatus zu erreichen, braucht es in Brüssel Mitglieder aus mindestens sieben europäischen Ländern. Nun wird die Partnerwahl für den konservativen Strahlemann langsam zum Problem.
Zunächst wurde Cameron im Europäischen Parlament blamiert. Normalerweise stellt dort jede Fraktion einen Vizepräsidenten des Parlaments. Der Kandidat der ECR war der Pole Michal Kaminski, der in der Vergangenheit durch rechtsradikale und rassistische Parolen aufgefallen war. Um seine Wahl zu verhindern, kandidierte für dieselbe Fraktion auch der britische Tory-Abgeordnete Edward MacMillan-Scott, der zuvor seinen Parteichef Cameron für das Bündnis mit Kaminskis Partei für Recht und Gerechtigkeit und der lettischen Partei für Vaterland und Freiheit offen kritisiert hatte. MacMillan-Scott wurde gewählt, allerdings für diesen Akt der »Illoyalität« zunächst aus der neuen rechten Fraktion und schließlich im vergangenen Monat auch aus der Partei ausgeschlossen.
Doch MacMillan-Scott ist längst nicht der einzige, der Cameron für seine Europa-Politik kritisiert. Außenminister Ed Miliband nutzte vergangene Woche seine Rede beim Parteitag der britischen Labour-Partei, um Kaminskis Vergangenheit zu thematisieren.
Als der polnische Ex-Präsident Aleksander Kwasniewski sich 2001 in Jedwabne für die von Polen an Juden im zweiten Weltkrieg begangenen Verbrechen entschuldigte, kritisierte Kaminski dies offen und forderte, zunächst sollten sich die polnischen Juden für ihre Kollaboration mit den Sowjets entschuldigen.
Doch diese Vergangenheit änderte nichts daran, dass Kaminski nun Vorsitzender der ECR ist und beim Parteitag der britischen Konservativen im vergangenen Monat erschien. Camerons europa-politische Wandlungen werden nicht zuletzt in Paris und Berlin mit Sorge betrachtet. Cameron wird das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wohl nicht mehr verhindern können, wenn er im Mai die Wahlen gewinnen sollte. Doch es könnte gut sein, dass ihn der europa-skeptische Flügel seiner Partei drängen wird, neue Konditionen für Großbritannien zu verhandeln; koste es, was es wolle.