Berlin Beatet Bestes, Folge 18

Finden wollen

Berlin Beatet Bestes. Folge 18. The Show Stoppers: Ain’t nothing but a House Party, 1968.

Meine Such- und Sammelsucht wird von einer ganz gewöhnlichen menschlichen Regung angetrieben. Ich bin neugierig. Die Tatsache, dass sich dabei auch Objekte anhäufen, steht nicht im Mittelpunkt. Meine Freundin würde jetzt sagen: »Dann lass’ das Zeug doch liegen. Du brauchst das nicht.« Sie glaubt an die Kernaussage des Films »Fight Club«: »Die Dinge, die du besitzt, fangen an, dich zu besitzen.« Zu viel Besitz ist erdrückend und schlecht. Und sicher, ich könnte mir einen Zustand größerer Erleuchtung vorstellen, in dem es mir genügen würde, eine Platte auf dem Flohmarkt nur noch zu sehen. Oder sie zu kaufen und sie sofort wieder zu verkaufen. Aber irgendwie reicht mir das nicht. Ich muss die Platte auch haben. Besitzen. Wahrscheinlich folge ich damit der kapitalistischen Lebenseinstellung: Ich habe, darum bin ich. Eine Platte zu finden, ist allerdings immer noch der größte Spaß. Auf dem Flohmarkt ist niemand dabei, um meine Kaufentscheidung zu begleiten, ich muss selbst herausfinden, was Gold und was ein Klumpen Dreck ist. Das Cover dieser Platte, die ich im vergangenen Jahr in einem Trödelladen fand, sieht aus, als würde sich dahinter zotige deutsche Party-Musik für den Karneval verbergen. Wer die Show Stoppers kennt, weiß das natürlich besser. Ich wusste es nicht. Mir gefiel das Comic-­Cover, und das reichte aus, um 50 Cent zu in­vestieren. Als ich die Platte zu Hause auflegte, traute ich meinen Ohren nicht. Ein echter Nor­thern-Soul-Knaller hatte sich da zu mir verirrt. Eine heiße Platte, rau und wild und sehr tanzbar. Nor­thern Soul bezeichnet amerikanische Soul-Musik der sechziger Jahre, die in den siebziger Jahren durch Tanzveranstaltungen in Nord-England wiederauflebte. Auf Ebay gehören Northern-Soul-Singles zu den Schallplatten, die die höchsten Gebote erzielen. Tausende von Euros werden von eingeschworenen Sammlern für besonders seltene Exemplare gezahlt.
»Ain’t nothing but a House Party« von den Show Stoppers ist zwar ein Northern-Soul-Klassiker, aber keine besonders rare Platte. Trotzdem ist sie zehn bis 20 Euro wert.
Das Cover hat übrigens Heinz Dofflein gezeichnet, der Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre für das Metronome-Label viele sonderbare Ulk-Cover entworfen hat. Später zeichnete er Plattencover für Krautrock-Bands, u. a. das berühmte, von Robert Crumb beeinflusste Cover der ersten Birth-Contol-LP (1972) und Fantasy-Cover für Guru Guru (1972) und Grobschnitt (1977). Danach verliert sich leider seine Spur. Ich wüsste gern, was aus Heinz Dofflein geworden ist.
Unlängst fand ich eine weitere Single, deren ­Cover er gezeichnet hatte. Hinter den Songs »Wum Wum Wum« und »Wir sind die Flaschenkinder« von Karl Gross und den Flaschenkindern ­verbarg sich dann aber genau der grauenhafte deutsche Marschbeat-Schlager, für den diese Ulk-Cover üblicherweise werben. Auf dem Flohmarkt liegen Dreck und Gold eben sehr nah beieinander. Es hätte auch eine neue Show-Stoppers-Entdeckung sein können.