Über das Super Six World Boxing Classic

Showtime für die Super Six

Die Titelinflation im Profiboxen führte zu immer schlechteren Kämpfen. Nun soll ein Turnier Abhilfe schaffen.

Arthur Abraham ist gerne geradeaus. »Ich will in den USA große Kämpfe machen«, sagt der Profiboxer im Supermittelgewicht. »So wie Sugar Ray Leonard, Floyd Mayweather und Oscar de la Hoya, die pro Kampf 50 Millionen Dollar verdient haben.«
Damit er dieses ambitionierte Ziel erreichen kann, musste der 29jährige Deutsch-Armenier etwas machen, was sonst nicht seinem Naturell entspricht: einen Umweg.
Er legte in diesem Jahr seinen Mittelgewichts-Weltmeistertitel ab, den ihm der Verband IBF zuerkannt hatte, und wechselte ins Supermittelgewicht. In dieser höheren Klasse sind bessere Boxer aktiv.
Abrahams Promoter, Wilfried Sauerland und sein Sohn Kalle, haben nämlich einen Weg ausgetüftelt, wie sie die durch die Titelinflation der vergangenen Jahre stark in ihrem Wert geminderte Ware Profiboxen wieder flott machen können.
Ein Turnier der besten Boxer soll es sein, die in den nächsten Jahren darum kämpfen, das zu sein, was zu viele von sich behaupten: weltbester Boxer im Supermittelgewicht. Es gibt bekanntlich über 20 Weltboxverbände, drei bis vier bis fünf gelten als halbwegs seriös, aber auch die führen mittlerweile noch völlig unsinnige Zusatztitel. Zum Weltmeister, der doch angeblich der beste der Welt sein soll, kommen oft noch ein Intercontinental-Champ (also nicht der beste der Welt, sondern bloß aller Kontinente), ein Super-World-Champion (also Weltmeister der Weltmeister) oder ein Interims-World-Champion (also einer für den Übergang, bis der andere Weltbeste wieder boxt).
Grund für die schon ins Peinliche abrutschende Titelinflation sind die Kontrakte, die Boxställe mit Fernsehanstalten haben. Hier wird meist vertraglich festgestellt, dass ein Promoter pro Jahr eine bestimmte Anzahl Titelkämpfe organisieren muss, die dann live über den Sender gehen.
Die verzwickte Situation hat dazu geführt, dass die drei großen deutschen Boxställe – neben Sauerland sind dies noch, beide in Hamburg ansässig, Universum und Arena – zwar immer noch ihre TV-Verpflichtungen erfüllen, aber mit qualitativ immer schlechteren Kämpfen und entsprechendem Ansehensverlust. Gerade Universum-Boxpromotion, wo einst die Klitschko-Brüder und Dariusz Michalczewski boxten, ist tief in der Krise. Jüngst kündigte der Mittelgewichtsweltmeister der WBA, Felix Sturm, seinen Vertrag.
Für den Boxpromoter Sauerland ist das ein guter Grund, aktiv zu werden. »Wir haben die Kämpfer ausgesucht, die in den wichtigsten Märkten USA und Europa das größte Interesse hervorrufen«, erklärt Kalle Sauerland sein Geschäftsmodell der Super Six World Boxing Classic. Das hat er gemeinsam mit dem US-Fernsehsender Showtime entwickelt, und Mitte November fanden die ersten zwei Kampfabende dazu statt.
Arthur Abraham schlug in Berlin den früheren Weltmeister Jermain Taylor aus den USA durch K.O. in der 12. Runde. Und der Engländer Carl Froch gewann am gleichen Abend in Nottingham nach Punkten gegen den Amerikaner Andre Dirrell.
Weil das Super-Six-Turnier spannend werden soll, werden Punkte vergeben, wie in einer Liga: Ein Unentschieden bringt einen Punkt, ein Punktsieg zwei, und dank seines K.O.-Siegs darf sich Arthur Abraham nun mit drei Punkten wie ein Tabellenführer fühlen.
Aber weil das Turnier nicht nur sportlich spannend sein soll, sondern auch hohe Einschaltquoten braucht, wurden die Boxer handverlesen: drei Europäer gegen drei Amerikaner, betreut von fünf Promotern. Außer Arthur Abraham ist auch der Däne Mikkel Kessler bei Sauerland unter Vertrag. Jermain Taylor wird von Lou diBella betreut, der Amerikaner Andre Ward von Dan Goossen, sein Landsmann Andre Dirrell von Gary Shaw, und der Engländer Carl Froch genießt die Betreuung des Promoters Mick Hennessy.
Der Modus sieht vor, dass in drei Gruppen geboxt wird, dann kommt es zum Halbfinale, und im Jahr 2011 soll endlich der Sieger feststehen. Ob der sich dann Weltmeister oder Super­weltmeister oder Megagigaweltmeister nennen wird, steht noch nicht fest, aber er wird den Supermittelgewichtstitel der Verbände WBA und WBC tragen. Zwei andere, auch als renommiert geltende Verbände, die WBO und die IBF, sind draußen, denn auch ihre gegenwärtigen Supermittelgewichtsweltmeister wurden nicht zum Super-Six-Turnier eingeladen. Die, der Rumäne Lucian Bute und der Magdeburger Robert Stiegler (Magdeburg), gelten nicht als Quotenbringer – weder im amerikanischen noch im britischen noch im deutschen Fernsehmarkt.
Die Orientierung auf die TV-Märkte in Europa und den USA hat auch zur Folge, dass Weltklasse-Supermittelgewichtler wie Librado Andrade oder Sakio Bika nicht dabei sein dürfen: Andrade kommt aus Mexiko, Bika aus Kamerun.
Trotz dieser Kritik wird das Super-Six-Turnier in der Fachwelt überwiegend begrüßt – als kreativer Weg, die Schwemme der Box-WM-Titel zu beenden, zu der es kam, weil beinahe jeder, dem noch eine halbwegs sinnvolle Abkürzung einfiel, einen Weltboxverband gründen konnte.
Das zu organisieren, war auch die eigentliche Arbeit, die Ken Hershman von Showtime und Kalle Sauerland von Sauerland-Promotion zu bewältigen hatten. Alle Boxer und alle Promoter mussten zustimmen. Und für alle Boxer ist der Weg riskant: Sie könnten, wenn sie das Turnier verlieren, titellos in der Versenkung verschwinden.
Die Gefahr droht beispielsweise schon jetzt Jermain Taylor. Der Amerikaner hatte 2005 gleich zweimal den Weltmeister Bernard Hopkins geschlagen – und war dadurch zum Titelträger von gleich vier wichtigen Weltverbänden geworden: WBC, WBA, IBF und WBO.
Vor dem Kampf in Berlin hatte auch Arthur Abraham den 32jährigen Taylor respektvoll als »Legende im Boxen« bezeichnet. Genutzt hat es Taylor nichts, Abraham schlug ihn K.O. und hat sich damit im Kampf um den Titel des nun wirklich weltbesten Supermittelgewichtlers in die Favoritenposition gebracht.
Nach dem Kampf sagte Abraham, er habe – »ganz ehrlich« – schon gegen bessere Boxer gekämpft, aber am großen Risiko, das jeder der Super-Six-Kämpfer eingeht, ändert das nichts.
»Jeder Kampf wird schwer sein, macht euch da nichts vor«, sagt Abrahams Trainer Wegener über die kommenden Kämpfe. Sein Schützling muss schon im Januar 2010 wieder in den Ring klettern: Dann geht es in den USA, vermutlich an der Ostküste, gegen Andre Dirrell. Und zum Abschluss der Gruppenkämpfe steht ein Kampf zwischen Abraham und Carl Froch an – Froch ist unbesiegt und amtierender Titelträger der WBC.
Auch wenn es Klasseboxer gibt, die beim Super-Six-Turnier nicht teilnehmen dürfen – dass die sechs Boxer, die jetzt dabei sind, zu den Top Ten dieser Gewichtsklasse zählen, steht außer Frage. Und das hat zur Folge, dass Schluss mit der Praxis von Managern und Promotern ist, für ihre Schützlinge handverlesene Gegner zu suchen, die nur verpflichtet werden, um den Titel des Boxers nicht zu gefährden und den Kampfrekord mit notierten »null Niederlagen« makellos zu halten. Denn statt den Interessen der Verbände, die meist in der Hand einzelner Promoter sind, die wiederum oft Exklusivverträge mit Fernsehsendern haben, steht nunmehr die erwartete Nachfrage im Mittelpunkt.
Arthur Abraham hat das verstanden, und er geht das Risiko bewusst ein. Der deutsche und europäische Fernsehmarkt ist für ihn abgegrast. Wenn einer, der sich Weltmeister nennt, wirklich das große Geld verdienen will, muss er sich auch in dem Teil der Welt behaupten, der Amerika heißt.