Wikipedia-Zanker

Wer in einer Kleinstadt aufgewachsen ist, kennt das: Auseinandersetzungen werden immer dann besonders schön, wenn die beteiligten Parteien das Gezanke zu einer Grundsatzschlacht über Weltanschauungen aka Tradition und Moderne ausbauen.
Nicht viel anders ist es derzeit bei der deutschen Version von Wikipedia, wo diejenigen, die unter einer Enzyklöpädie die Sammlung des relevanten Wissens verstehen, gegen diejenigen kämpfen, die Erklärungen zu möglichst vielen Stichworten veröffentlicht sehen wollen. Und weil so eine Auseinandersetzung, also der Kampf ums Rechthaben, ohne große Gesten und wichtig klingende Thesen eher langweilig ist, treten im Wikipedia-Streit derzeit Exklusionisten gegen Inkludisten an, wobei die Exklusionisten von den Fans der anderen Seite gern auch Löschfaschisten genannt werden.
Beiden Fraktionen gemein ist nun nicht nur der bedingungslose Glaube daran, im Recht zu sein, sondern auch, dass sich die Welt im Grunde nur um dieses Thema dreht – und so kommt es derzeit zu einem Stakkato von Blogeinträgen, Twitter-Beschimpfungen, beleidigten Statements und gegenseitigen Dissereien in Wikipedia-Diskussionen.
Ein gewisser Unterhaltungswert ist dem Ganzen nicht abzusprechen, schließlich befinden wir uns gerade erst in Woche eins der Auseinandersetzungen, und gelegentlich kommt es sogar noch zum Austausch von Argumenten. Bald aber dürfte die Sache dann auch schon wieder vorbei sein, zum einen, weil dann die nächste Sau durchs Dorf getrieben wird, zum anderen, weil Wissenssuchende einfach nicht auf Wikipedia angewiesen sind – mit Google (für Wikipedia-Fans: Das ist eine Internet-Suchmaschine) lässt sich jede Menge Wissen finden, und ob es relevant ist oder nicht, kann man sogar selbst entscheiden.